KREDITWÜRDIG

Rating-Paradoxon bei CPT Covered Bonds

Von Jörg Homey *) Börsen-Zeitung, 27.6.2019 Ab November wird voraussichtlich die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Covered-Bond-Gesetze beginnen. Auch im deutschen Pfandbriefrecht gibt es Anpassungsbedarf. In diesem...

Rating-Paradoxon bei CPT Covered Bonds

Von Jörg Homey *)Ab November wird voraussichtlich die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Covered-Bond-Gesetze beginnen. Auch im deutschen Pfandbriefrecht gibt es Anpassungsbedarf. In diesem Zusammenhang wird hierzulande über die Einführung einer gesetzlichen Fälligkeitsverschiebung (Soft Bullet) nachgedacht – ein Novum für den 250-jährigen Pfandbriefmarkt, das Fragen aufwirft.Im Hypothekenbankgesetz (HBG) aus der Zeit vor 1999 waren bezüglich der Abwicklung einer Deckungsmasse im Vergleich zum heutigen Pfandbriefgesetz (PfandBG) noch folgende Regelungen zu finden. Im Insolvenzfall des Emittenten wären damals alle Pfandbriefe sofort fälliggestellt worden. Die Erlöse aus der Verwertung der Deckungsmasse wären zu gleichen Teilen an die Gläubiger ausgekehrt worden. Diese hätten somit zur selben Zeit eine anteilig gleiche Rückzahlung ihrer Pfandbriefe erhalten. Damit wäre natürlich das Risiko einer Verwertungsquote von weniger als 100 % verbunden, wenn die Deckungsmasse zügig abwickelt würde. Ratingagenturen sehen solche Regelungen auch heute noch kritisch. Moody’s würde in diesen Fällen wohl den schlechtesten Timely Payment Indicator erteilen, wodurch das Covered-Bond-Rating besonders eng an die Bonität des Emittenten gebunden wäre. Im Falle von S&P wären hohe Aufstufungen über dem Emittentenrating ebenfalls ausgeschlossen. Dagegen legen moderne Regelungen wie im geltenden PfandBG fest, dass die gedeckten Anleihen nicht aufgrund einer Insolvenz des Emittenten fälliggestellt werden, sondern zum vereinbarten Fälligkeitsdatum zurückgezahlt werden. Insofern droht durch eine kurzfristige Gesamtvollstreckung der Deckungsmasse kein Verlustrisiko.Allerdings entsteht dadurch das Problem der zeitlichen Nachrangigkeit der ausstehenden Covered Bonds (CB), weil länger laufende Anleihen erst später bedient werden. Wenn überproportional hohe Teile der Überdeckung aufgebraucht werden, um früher fällig werdende Serien pünktlich zurückzuzahlen, könnten später einsetzende Kreditverluste auf die verbleibenden Anleihen leichter durchschlagen. Der gleichrangige Anspruch auf die Deckungsmasse wäre zwar formal noch immer gegeben. Aufgrund der zeitlichen Nachrangigkeit tragen die Gläubiger von später fälligen Anleihen jedoch ein höheres Verlustrisiko. Szenarien nach InsolvenzNach der Insolvenz eines Emittenten sind Szenarien vorstellbar, bei denen die Verluste aus Kredit-, Markt- und vor allem Liquiditätsrisiken die Deckungsmasse so stark dezimieren, dass es zwar noch für die Rückzahlung der zuerst fälligen Anleihen reicht, aber für die später fälligen Serien nicht mehr genügend Deckungswerte übrig bleiben. Vor allem durch kurzfristige Notverkäufe von Deckungswerten zur Liquiditätssicherung drohen einer Deckungsmasse hohe Verluste. Gläubiger von später fälligen Anleihen sind ohnehin immer einem höheren Risiko ausgesetzt, weil erst im Laufe der Zeit Kreditausfälle in der Deckungsmasse zunehmend relevant werden.Eine Möglichkeit, Verluste aufgrund der Liquiditätssicherung zu reduzieren, besteht im erwähnten Soft Bullet. Im einfachsten Fall kann der Verwalter der Deckungsmasse abwarten, wenn er sicher sein kann, dass sich durch die Zahlungseingänge in der Verlängerungsperiode genügend Barmittel ansammeln, um die Anleihen später vollständig zurückzuzahlen. Es sollten jedoch Situationen vermieden werden, in denen die Einzahlungen für Rückzahlungen inzwischen fällig gewordener Anleihen verwendet werden. Das heißt, es besteht ein Überholverbot bei der Rückzahlungsreihenfolge. Das polnische CB-Gesetz ist derzeit eines der wenigen Regelwerke, welches Fälligkeitsverschiebungen vor-sieht, wobei im Bedarfsfall die Rückzahlung aller Covered Bonds zwölf Monate später erfolgt. Das Problem einer ungewollten Überholung in der Rückzahlungsreihenfolge der Anleihen wäre mit der gleichzeitigen Fälligkeitsverschiebung gelöst. Wertschonend abgewickeltBezüglich der zeitlichen Nachrangigkeit bleibt anzumerken, dass Conditional Pass-Through (CPT) CB dieses Problem ebenfalls lösen, vor allem dann, wenn alle Anleihen gleichzeitig auf CPT umgestellt werden. Bei CPT CB kann sich die Rückzahlung unter bestimmten Voraussetzungen nach den Zahlungseingängen in die Deckungsmasse richten. Wenn die Deckungsmasse wertschonend abgewickelt wird und die Verwertungserlöse aus den Deckungswerten regelmäßig zu gleichen Teilen an die Gläubiger ausgekehrt werden, genießen alle Gläubiger den gleichen Rang bezüglich der Deckungswerte und es gibt auch keine zeitliche Nachrangigkeit. Die Abwicklung des Programms kann jedoch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.Die Abwicklung einer Deckungsmasse für einen CPT CB erinnert gleichzeitig stark an die Idee im HBG vor 1999, bei der, wie erwähnt, alle ausstehenden Anleihen zum Insolvenzzeitpunkt fällig und die Verwertungserlöse pari passu aufgeteilt würden. Es wäre nicht in Stein gemeißelt, dass es dabei immer zu verlusttreibenden Notverkäufen kommen müsste. Interessant ist, dass die Ratingagenturen diese Regelungen wesentlich schlechter bewerten als jene für CPT CB, deren Ratings sich sehr weit von der Bonität des Emittenten entfernen können. Im Vergleich zu endfälligen Anleihen müssen CPT CB sogar deutlich geringere Überdeckungsanforderungen erfüllen.Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum die alten HBG-Vorschriften mit einer sofortigen Fälligstellung der Anleihen bei den Ratingagenturen so in Ungnade gefallen sind und daneben CPT CB sehr wohlwollend bewertet werden, obwohl beide Varianten, wirtschaftlich betrachtet, sehr ähnliche Szenarien darstellen. Der Unterschied zwischen dem Abwicklungsmodus à la HBG und den CPT CB besteht darin, dass in den CPT-Anleihebedingungen die eventuellen Zahlungsverzögerungen vertraglich fixiert und zwischen Emittent und Investor explizit vereinbart wurden. Die Last der Liquiditätsbereitstellung wird nach Insolvenz des Emittenten damit auf die Schultern der CB-Investoren gelegt. Letztlich ist es jedoch egal, ob die verspätete Zahlung aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit der Deckungsmasse oder aufgrund eines CPT ausgelöst wurde. Im Fall der HBG-Regelungen hat sich die Abwicklung der Deckungsmasse aus den insolvenzrechtlichen Sonderbestimmungen ergeben. Auch hier waren die Investoren gezwungen, auf ihr Geld zu warten und damit der Deckungsmasse Liquidität zur Verfügung zu stellen.In beiden Fällen war die Rechtslage von Anfang an klar. Der Unterschied ist, wirtschaftlich betrachtet, minimal. Einen gravierenden Unterschied gibt es dennoch: Den CPT CB erteilen die Agenturen im Vergleich zu endfälligen Anleihen mit geringeren Überdeckungsniveaus bessere Ratings. Diesen Punkt beklagen Investoren zu Recht; er wird auch nach Harmonisierung der europäischen CB-Gesetze bestehen bleiben. *) Jörg Homey ist Leiter Covered Bond Research der DZ Bank.