IM INTERVIEW: UWE BURKERT, LANDESBANK BADEN-WÜRTTEMBERG

Renditesuche als treibende Kraft

Der Chefvolkswirt über Dax, Bundrenditen, Eurozonenperipherie, Yen und Umschichtungen aus Japan

Renditesuche als treibende Kraft

Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg, ist für den Dax vorsichtig optimistisch gestimmt. Per Mitte 2014 sieht er ihn bei 9000 Punkten. Bei den Anlegern macht er keine Euphorie, sondern ein “gehöriges Maß an gesunder Skepsis” aus. Bei Staatsanleihen hoher Qualität, wozu auch die Bundesanleihen gerechnet werden, erwartet er weiterhin einen strukturellen Druck auf die Renditen. Regulierungsaspekte sorgen unter anderem für eine dauerhafte Nachfrage. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe sieht er in diesem Jahr zwischen 1,2 und 1,7%. Er prognostiziert zudem eine höhere Volatilität in diesem Segment.- Herr Burkert, der Dax ist auf Rekordkurs. Hat der deutsche Leitindex noch Luft nach oben?Der Dax hat meines Erachtens noch Luft nach oben. Das High wurde auf Performancebasis erzielt, das heißt unter Wiederanlage der Dividenden. Der Dax-Kursindex liegt allerdings um 16% tiefer als beim Hoch von 2007 und sogar knapp 30% unterhalb des Gipfels von 2000.- Wo sehen Sie den Dax zum Jahresende?Unser Dax-Ziel zum Jahresende 2013 beträgt 8500 Punkte. Dieses Kursziel haben wir bereits seit Oktober vergangenen Jahres – damals galt das als sehr optimistisch. Per Mitte 2014 sehen wir den Dax bei 9000 Punkten. Auf Anlegerseite kann von Euphorie keine Rede sein: Stimmungsumfragen, die wir stets mit ins Kalkül ziehen, zeigen vielmehr ein gehöriges Maß an gesunder Skepsis. Die Anleger müssen sich erst an Indexstände oberhalb der 8000 Dax-Punkte gewöhnen.- Auch die Nebenwerte haben dieses Jahr eine gute Performance gezeigt, wie am MDax abzulesen ist. Wie optimistisch beurteilen Sie die Nebenwerte?Die Chancen für den Dax, aber auch den MDax bestehen weniger darin, dass sich die Gewinne der Unternehmen überraschend stark entwickeln. Einen Konjunkturaufschwung in Europa im Jahresverlauf hat die Börse bereits eingepreist. Vielmehr besteht der Hebel in einer Höherbewertung des Aktienmarktes durch eine Ausweitung der Bewertungsrelationen, insbesondere KGV und Kurs zu Buchwert. Das gilt auch für die Nebenwerte. Diese halte ich insbesondere für internationale Investoren für immer spannender.- Welche Branchen legen Sie Anlegern ans Herz?Begründet auf der Hoffnung, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr wieder anzieht, favorisieren wir vor allem zyklische Sektoren sowie Titel aus den Branchen Rohstoffe und Energie. Dagegen dürften es die Werte aus den eher defensiven Branchen schwer haben, weiter so dynamisch zu steigen wie im bisherigen Jahresverlauf.- In der gesamten Eurozonenperipherie stehen die Zeichen auf Entspannung. Italien verschuldet sich am Geldmarkt bereits auf den niedrigsten Renditeniveaus seit Einführung der Gemeinschaftswährung. Auch in anderen Laufzeitensegmenten sind die Renditen deutlich zurückgekommen. Beunruhigt Sie die Wirkung des Draghi-Put manchmal?Nein, ganz und gar nicht. Für uns war klar, dass die Europäische Zentralbank handeln wird, und das hat sie sehr überzeugend getan. Und klar war für uns auch, dass sich dies entsprechend positiv auf die Märkte auswirken wird.- Befürchten Sie, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Falle von Spanien oder Italien eingreifen, das heißt mit Bondkäufen stützend tätig werden muss?Wir gehen in unserem Hauptszenario nicht davon aus, übrigens auch nicht für andere Staaten. Aus unserer Sicht wirkt die Strategie der EZB, solange sie an den Auflagen für den Ankauf festhält. Klar ist damit aber auch, dass die EZB die Aufgabe nicht allein schultern kann.- Sicherheit steht bei weiten Anlegerkreisen trotz der Entspannungssignale in der Peripherie und der starken Performance der Aktienmärkte weiterhin hoch im Kurs, wie an den Bundesanleiherenditen abzulesen ist. Wie stark werden die Renditen hier noch entlang der gesamten Kurve gedrückt?Wir sehen weiterhin strukturell Druck auf den Renditen der High- Quality-Papiere. Zum einen sorgen die Regulierung und der Zusatzbedarf an Collateral für eine dauerhafte Nachfrage. Zum anderen ist das Reservoir an neuen Papieren sehr begrenzt. Der Anteil mit “AAA” benoteter Anleihen hat in den vergangenen beiden Jahren deutlich abgenommen und beträgt aktuell nur noch rund 52%. Damit besteht nach wie vor Druck auf die gesamte Kurve. Allerdings wird es aufgrund der zwischenzeitlich nur noch sehr niedrigen Kupons zunehmend volatiler. Sprünge von 30 Basispunkten bei den Renditen zehnjähriger Bundesanleihen werden keine Seltenheit sein. Sie sollten aber nicht als grundsätzliche Trendwende verstanden werden. Hier wirken meines Erachtens mehr regulatorische oder Risikocontrolling-Mechanismen.- Wie stark kann die zweijährige Bundrendite in den negativen Bereich fallen?Aus meiner Sicht gibt es hier keine natürliche Grenze. Maßgeblich hierfür ist entweder die Verlusterwartung, die der Investor für andere Assetklassen hat – eine Negativrendite wäre dann vielleicht das kleinere Übel für ihn –, oder eine potenzielle Aufwertungserwartung, die eine negative Verzinsung überkompensiert. Wichtig ist aber, dass die Renditestrukturkurve steil bleibt, da dies eine wichtige Unterstützung für die Gesundung des Finanzsektors ist. Das heißt aber auch, dass das Thema Renditekompression weitergehen dürfte, da die Suche nach Rendite beziehungsweise Kupons die treibende Kraft bleiben wird.- Sackt die Zehnjahresrendite des Bundes in diesem Jahr noch unter 1%? Und wo sehen Sie den Satz am Jahresende?Ich erwarte keinen Rückgang unter 1%. Das würde meines Erachtens nur bei einer solch dramatischen geldpolitischen Aktion wie in Japan passieren. Die Renditen dürften sich bei zehnjährigen Bundesanleihen zwischen 1,2% und 1,7% bewegen. Einfache Simulationen zeigen, dass Deutschland bei einem nominalen Zinssatz von 1,3%, also einem realen Zinssatz von 0%, seine Schuldenquote bis 2040 auf ein annähernd tragfähiges Niveau von 61,9% senken könnte. Lässt man nun den Realzins auf minus 2% sinken, etwa durch eine höhere Inflationsrate, ändert sich das Bild: Schon um das Jahr 2024 würden Deutschland und Spanien die Schuldenquote von 60% erreichen, Portugal und Irland um das Jahr 2036. Die Anreize, finanzrepressive Maßnahmen durchzuführen, werden durch diese einfache Simulation offensichtlich.- Am Markt ist aber nicht nur die Suche nach Sicherheit, sondern auch die Suche nach dem RenditePick-up zu beobachten. Sie lässt in diversen Segmenten die Spreads kräftig hereinlaufen. Unternehmen nutzen die Situation und emittieren längere Laufzeiten zu recht günstigen Konditionen. Wann würden Sie Corporate Bonds als überteuert einstufen?Grundsätzlich ist für mich die Bewertung dann überteuert, wenn das historische Ausfallrisiko nicht mehr abgedeckt ist. Da wir in unserem Credit Research seit über zehn Jahren einen konservativen Ansatz verfolgen, wäre das der Fall, wenn das historisch höchste Ausfallrisiko nicht mehr durch die Spreads abgedeckt ist. Konsequenterweise werden wir bei einem iTraxx-Europe-Stand von unter 50 unsere Übergewichten-Allokation aufgeben.- Covered Bonds insbesondere aus der Peripherie sind in diesen Jahr gut gelaufen. Wo sehen Sie hier noch Value?Value sehen wir insbesondere bei ausgewählten italienischen Covered Bonds, die von einem sehr stabilen Immobilienmarkt profitieren. Spanische Cédulas sind auch einen Blick wert. Allerdings gilt es hier, stark den regionalen Bezug zu beachten. Wir nutzen zur Auswahl unser Analysetool LBBW Score Card, dass wir auch Investoren zur Unterstützung ihres Auswahlprozesses anbieten.- Der Dollar hat kürzlich die 100-Yen-Marke geknackt. Wie weit wird die ultralockere Politik der Bank of Japan den Yen noch drücken?Die Diskussion um einen “Währungskrieg” ist weit übertrieben. Der Yen wertet seit Jahren – seit 2007 sogar beschleunigt – zum Dollar und zum Euro im Trend auf und nicht ab. Die jüngste Abwertung des Yen ist bislang nur eine Korrektur der starken Aufwertung seit Beginn der internationalen Krise. Wir erwarten eine Abwertung des Yen per Jahresende auf 133 Yen zum Euro, zur Jahresmitte 2014 auf 138 Yen. Vor diesem Hintergrund werden die Auswirkungen insbesondere im Maschinenbau spürbar werden, da sich die Wettbewerbssituation deutlich verschärft.- Japans Investoren werden sich verstärkt außerhalb von Japan nach Anlagemöglichkeiten umsehen wegen der Yen-Schwäche und der niedrigen Renditen im eigenen Land. Wie stark wird die Eurozone von diesen Umschichtungen profitieren?Wir gehen davon aus, dass es künftig weiterhin zu Umschichtungen aus Portfolios privater japanischer Investoren in Auslandsanlagen kommen wird. Insofern dürften die internationalen Finanzmärkte vom neuen Kurs der Bank of Japan profitieren. Wegen der anhaltenden Risikoaversion und der negativen Realzinsen bei Dollar und Euro gehen wir allerdings davon aus, dass der Kapitalabfluss aus Japan vorerst noch langsamer und in geringeren Beträgen stattfinden wird, als dies am Markt derzeit kolportiert wird. Wir schätzen das verbleibende Potenzial aus dem Privatsektor auf rund 690 Mrd. Dollar. Davon wird auch die Eurozone profitieren, zunächst Deutschland, bei zunehmendem Vertrauen in die Unumkehrbarkeit des Euro auch die anderen Märkte.—-Die Fragen stellte Kai Johannsen.