LEITARTIKEL

Research-Branche unter Druck

Auf einer Veranstaltung der DVFA, an der alle führenden deutschen Banken bzw. Research-Häuser mit institutionellem Geschäft teilnahmen, wurden im zurückliegenden Jahr deren Vertreter gefragt, wie viele Aktienanalysten sie noch in Deutschland...

Research-Branche unter Druck

Auf einer Veranstaltung der DVFA, an der alle führenden deutschen Banken bzw. Research-Häuser mit institutionellem Geschäft teilnahmen, wurden im zurückliegenden Jahr deren Vertreter gefragt, wie viele Aktienanalysten sie noch in Deutschland beschäftigen. Es stellte sich heraus, dass es seinerzeit gerade noch 150 Research-Arbeitsplätze im Inland gab. Das ist die schlechte Nachricht. Die schlimme ist: Die Mehrheit der Befragten ging auch noch davon aus, dass sie ihre Aktienabdeckung reduzieren wird. Man könnte fast geneigt sein, Aktienanalysten als eine aussterbende Spezies zu betrachten.Aus vielfältigen Gründen stehen das Aktien-Research und der Berufsstand des Analysten seit Jahren unter starkem Druck. So hat nicht zuletzt die Konsolidierung in der Bankenbranche, durch die ganze Analyseabteilungen von der Bildfläche verschwunden sind, einen erheblichen Teil der Research-Landschaft abgeholzt. Auch die Finanzkrisen haben viele Research-Arbeitsplätze gekostet, indem sie die Konsolidierung in der Bankenbranche noch verstärkt oder Spar- bzw. Restrukturierungsmaßnahmen veranlasst haben, von denen auch die Research-Bereiche nicht verschont wurden. Das Aktien-Research etwa der Dresdner Bank, der Vereins- und Westbank oder der WestLB hat nur noch Erinnerungswert.Hinzu kommen Veränderungen im Anlageverhalten. Das seit Jahren anhaltende dynamische Wachstum passiver Investments ist ungebrochen, die Assets under Management der Exchange Traded Funds eilen von Rekord zu Rekord, was zu Lasten des aktiven Assetmanagements geht. Ebenfalls auf dem Vormarsch ist das computergestützte quantitative Portfoliomanagement. Beide Ansätze kommen ohne oder zumindest mit deutlich weniger Aktienanalysten aus als aktives Management. Negativ wirken sich ferner Veränderungen in der Marktstruktur aus. Zu den Hauptfunktionen von Aktien-Research zählt das Generieren von Kundentransaktionen. Seit Jahren nimmt aber die Zahl der Aktien, die eine hinreichend hohe Liquidität haben, damit sich das Research auch für den Broker rechnen kann, kontinuierlich ab.Schwierigkeiten bereitet darüber hinaus die überbordende Regulierung. Sie droht wie überall in der Finanzbranche durch zu viel Bürokratie und Rigorosität Aktivität zu ersticken, ohne dass dabei auch nur ansatzweise ein entsprechender Gewinn für den Anleger erkennbar wäre. Für das Aktien-Research bedeutet sie viel Zeit, die mit bürokratischen Arbeiten vergeudet wird. Schwerer aber wiegt, dass die Kosten in die Höhe geschraubt werden, und das in einer Zeit, in der die Möglichkeiten der Finanzbranche, Erträge zu generieren, u.a. durch Regulierung und das extrem niedrige Zinsniveau erheblich eingeschränkt werden. Die Folge ist, dass Aktien-Research in der Branche regelmäßig auf dem Prüfstand steht.In diesem bereits sehr schwierigen Umfeld kommt nun mit der Mifid-Novellierung eine weitere Herausforderung, ein tiefer Eingriff in das Geschäftsmodell Aktien-Research hinzu. Assetmanager dürfen ab Anfang 2018 von Brokern keine Zuwendungen, darunter Aktien-Research, mehr annehmen. Das bald Gesetz werdende Research-Unbundling bedeutet, dass Broker künftig Research nicht mehr im Rahmen eines Transaktionsgesamtpakets mitliefern können. Vielmehr muss es als eigener Posten bezahlt werden und dies muss transparent offengelegt werden. Das hat vielfältige Konsequenzen und wird Teile der Research-Branche unter Druck setzen. So gelten kleinere Research-Häuser als gefährdet.Die Branche wird allerdings auch diese Herausforderung bewältigen, auch wenn derzeit noch viele Einzelheiten völlig unklar sind, etwa wie die Berechnung von Research-Leistungen strukturiert werden soll oder auch das Preisniveau. Zwar wird Aktien-Research weiterhin mit einem schwierigen Umfeld zu kämpfen haben, und der Kapazitätsabbau wird sich wohl noch fortsetzen. Das Ende des Research auszurufen, wie dies manche schon getan haben, ist aber völlig übertrieben. Auch in Zukunft wird der Kapitalmarkt nicht ohne diese Dienstleistung auskommen können. Research ist für die Diskussion des Marktes und die Meinungsbildung unverzichtbar. Investoren werden weiterhin auf die oft sehr zeitnahe Beurteilung durch spezialisierte Analysten angewiesen sein, wenn Unternehmen etwa Ergebnisberichte veröffentlichen oder sich signifikante Veränderungen beispielsweise durch Übernahmen und Restrukturierungen ergeben.——–Von Christopher KalbhennDas Ende des Research auszurufen, wie dies manche schon getan haben, ist völlig übertrieben. Auch in Zukunft wird der Kapitalmarkt nicht ohne diese Dienstleistung auskommen können.——-