IM GESPRÄCH: RETO RINGGER, GLOBALANCE INVEST

"Research ist rückwärtsgerichtet"

Mitbegründer des Dow-Jones-Nachhaltigkeitsindex über Kritik an Indexauswahl und nachhaltige Anlagen

"Research ist rückwärtsgerichtet"

Nachhaltige Anlagen spalten die Meinungen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und schwammige Begriffe ziehen Kritik an, andererseits ist vielen langfristigen Investoren klar, dass Fragen guter Unternehmensführung und des Umweltbewusstseins allein schon aus Risikoerwägungen heraus nicht ausgeklammert werden sollten.Von Dietegen Müller, FrankfurtZu den Pionieren im Bereich nachhaltiger Anlagen gehört Reto Ringger, Leiter des Anlageausschusses des Vermögensverwalters Globalance Invest und Gründer der Schweizer Privatbank Globalance Bank. Ringger hat 1995 den auf nachhaltige Anlagen spezialisierten Vermögensverwalter SAM (Sustainable Asset Management) aufgebaut und 2008 an Robeco verkauft. Auch war er maßgeblich an der Entwicklung der Dow-Jones-Sustainability-Indexfamilie beteiligt.Die im Jahr 1999 gestartete Familie ist nicht unumstritten, sind doch auch Werte wie British American Tobacco darin enthalten oder eine Reihe Öl- und Minengesellschaften sowie Airlines. “Dieser Index wurde vor über zwanzig Jahren entwickelt, seither hat sich viel getan”, sagt Ringger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. In der aktuellen Anlagestrategie, die Globalance Invest, eine Kooperation der Globalance Bank mit der Privatbank Donner & Reuschel im Sommer in Deutschland auf den Markt gebracht hat, seien “keine Tabak- oder Ölfirmen mehr im Portfolio”. Heute sei es möglich, Portfolios mit Unternehmen zu erstellen, die nicht in risikobehafteten Branchen aktiv sind, und trotzdem eine breite Diversifikation erreichen. Die Investoren wünschten aber meist, sagt Ringger, “nahe an einer Benchmark zu sein”. Indizes würden dies ermöglichen. “Generation 2.0″Dabei finde ein langsames Umdenken weg von Indizes der “Generation 1.0” hin zur “Generation 2.0” oder weiter statt. So hat der Rückversicherer Swiss Re im Sommer angekündigt, in seinem Anlageprozess von traditionellen MSCI-Indizes auf entsprechende SRI-Indizes (Social Responsible Indices) umzusteigen. “Diese sind nach dem Best-in-Class-Konzept definiert”, erklärt Ringger. “Das ist ein erster Schritt, sich langsam diesem Thema zu nähern. Bei den meisten Banken ist das fachspezifische Know-how zu diesen Themen noch nicht sehr stark entwickelt.”Deshalb würden diese Indizes als Hilfskonstrukte benötigt. “Wir sind heute weiter als vor zwanzig Jahren, aber stehen eigentlich immer noch am Anfang”, meint Ringger. Denn es sei weniger wichtig, welche Betriebsökologie ein Unternehmen vorweise, sondern eher, welche Auswirkungen die hergestellten Produkte auf Volkswirtschaft, Umwelt und Gesellschaft hätten. “Wir müssen daher den damals entwickelten Best-in-Class-Ansatz weiterentwickeln, von weniger problematischen Unternehmen hin zu solchen, die proaktiv und Teil der Lösung sind.”So gelte es etwa im IT-Bereich, mehr Gewicht auf den durch die Digitalisierung verursachten Stromverbrauch zu legen und etwa energieeffiziente Cloud-Anbieter zu identifizieren. Das Research im Nachhaltigkeitsbereich basiere zudem meist noch auf Angaben der Unternehmen selbst, sei dadurch “rückwärtsgerichtet und oft auch nicht standardisiert”. Ringger will daher für aktuellere und relevantere Informationen vermehrt Daten aus dem Internet einsetzen und Algorithmen entwickeln, mit denen diese Daten sinnvoll verknüpft werden können. Derzeit werde am Aufbau von solchen Modellen zusammen mit jungen Unternehmen und Universitäten gearbeitet. Wachstum bei FrauenRingger beobachtet, dass die traditionellen Bankkunden noch träge sind und aktuell vor allem spezifische Anlagekunden den neuen Ansatz wählen. “Ein Segment, in dem wir sehr stark wachsen, sind daher auch Frauen. Sie interessieren sich sehr für diese Themen. Auch die jüngere Generation von Anlegern achtet stärker darauf, und ganz stark auch Stiftungen”, sagt Ringger. Gerade bei Stiftungen habe man festgestellt, dass viele Stiftungsportfolios wenig bis gar nicht in Übereinstimmung mit dem Stiftungszweck sind. “Es gab sogar Fälle, in denen festgestellt wurde, dass entgegen den eigenen Zweckbestimmungen investiert wurde”, so Ringger. In Deutschland gebe es zwar Kreditinstitute, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet Kredite vergeben, aber in der Vermögensverwaltung gebe es noch wenige, die nachhaltige und vor allem zukunftsgerichtete Anlagen “so konsequent und mit der zwanzigjährigen Erfahrung, wie wir sie haben”, vornehmen. So biete Globalance auch Anlagestrategien an, die “nachweislich im Einklang mit dem Zwei-Grad-Klimaziel der UNO” seien. Green Bonds attraktivAttraktiv findet der gebürtige Schweizer das stark wachsende Segment der Green Bonds. Es gebe dort aber derzeit ein “Vakuum”, würden doch viele Anlagegelder Investitionsmöglichkeiten in grünen Anleihen suchen, es gebe aber zu wenig gute Anlagen mit einem “Impact” und guten Renditeaussichten, sagt Ringger.Was die Initiative der Task Force on Climate-Related Disclosures (TCFD) betrifft, ist Ringger skeptisch. Der Ansatz sei zwar gut, weltweit einheitliche Standards schaffen zu wollen, es sei aber fraglich, ob diese am Markt auch akzeptiert würden und sich durchsetzen können. “Es gibt auch kulturelle Unterschiede, etwa in der Corporate Governance. Das habe ich schon festgestellt, als wir bei SAM Fragebögen weltweit verschickt haben, um herauszufinden, wie nachhaltig Unternehmen arbeiten.” Diese kulturellen Unterschiede würden unterschätzt.