Energiemärkte

Rezession drückt Ölpreis

Kurzfristig drückt die Rezession den Ölpreis. Mittelfristig ist aber damit zu rechnen, dass die Knappheit des Angebots an Rohöl für einen erneuten Preisanstieg sorgt.

Rezession drückt Ölpreis

Von Dieter Kuckelkorn,

Frankfurt

Der Preis der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude ist zeitweise unter die Marke von 90 Dollar je Barrel gefallen. Das ist insofern bemerkenswert, als die Sorte vor nicht allzu langer Zeit bei rund 110 Dollar notiert hatte. Es gibt momentan grundsätzlich zwei Einflussfaktoren auf den Ölpreis. Derzeit ist die Angst vor einer ausgeprägten Rezession in weiten Teilen der Welt vorherrschend. Die aufgrund der westlichen Sanktionen gegen Russland stark angestiegenen Energiepreise hinterlassen erhebliche konjunkturelle Bremsspuren in Europa und Nordamerika, während in China das Thema Covid-19 immer noch nicht überwunden ist und neue Lockdowns jederzeit möglich sind. Vor diesem Hintergrund hat, wie die Rohstoffanalysten der Commerzbank anmerken, die von der Opec plus erhoffte Signalwirkung der zu Wochenbeginn beschlossenen Produktionskürzungen nicht lange angehalten. Diese beträgt auch nur 100000 Barrel pro Tag (bpd), hat also eher symbolischen Charakter, auch wenn das Kartell damit deutlich machen will, dass es bereit ist, den Ölpreis zu verteidigen.

Die Commerzbank erwartet nun, dass der Markt mit weiterem Druck auf den Ölpreis testet, ob die Opec plus ihren Worten Taten folgen lassen will. Die nächste Sitzung des Kartells findet am 5. Oktober statt. Bis dahin könnte der Ölpreis noch weiter sinken, zumal die Energieagentur IEA und die Opec in der neuen Woche ihre Prognosen für die weltweite Nachfrage weiter nach unten korrigieren dürften. Dies könnte sich in den nächsten Monaten fortsetzen, da die Rezession aufgrund der ungelösten Energiekrise tief sein dürfte.

Weniger Investitionen

Längerfristig kommt jedoch voraussichtlich wieder der andere bedeutende Faktor ins Spiel, nämlich die Knappheit des Angebots. Die Opec ist angesichts der im Ölsektor in den vergangenen Jahren stark reduzierten Investitionen kaum noch in der Lage, ihre Förderung auszuweiten. Ende Oktober läuft zudem die Alimentierung des Ölmarktes aus der strategischen Reserve der USA von täglich 1 Mill. bpd aus. Da die USA ihre Reserven wieder auffüllen müssen, könnte dies für zusätzliche Nachfrage sorgen, die aus dem Angebot bedient werden muss. Zur Knappheit dürften auch die G7-Staaten beitragen, die in einer bereits von Knappheit ge­kennzeichneten Lage eine Preisobergrenze für russisches Erdöl durchsetzen wollen. Russland hat bereits deutlich gemacht, dass es Länder, die sich der Preisobergrenze anschließen, nicht mehr beliefern wird. Angesichts seiner großen finanziellen Reserven dürfte dies Russland auch länger durchstehen, während die G7-Länder es sich u.a. wegen der Knappheit von Gas und Strom nicht leisten können, auch noch auf diesen Energieträger zu verzichten.

Sofern sich für die westlichen Länder keine regelrechte Depression abzeichnet, könnte dies ab Oktober oder spätestens zum Jahresende den Ölpreis wieder deutlich nach oben treiben. Goldman Sachs hält ein Niveau von 125 Dollar für Brent Crude­ für durchaus realistisch.