GASTBEITRAG

Riskante Wette auf Protektionismus

Börsen-Zeitung, 18.2.2017 In diesen Tagen wird viel über die künftige Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump in den Medien berichtet und diskutiert. Zwar sind erst Umrisse seines Konzepts erkennbar. Doch relativ klar ist, dass...

Riskante Wette auf Protektionismus

In diesen Tagen wird viel über die künftige Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump in den Medien berichtet und diskutiert. Zwar sind erst Umrisse seines Konzepts erkennbar. Doch relativ klar ist, dass Trump mit einer Reihe von Maßnahmen wie etwa höheren Einfuhrzöllen den Absatz der heimischen Unternehmen auf dem Binnenmarkt stimulieren will und dafür bereit ist, schwächere Wachstumsimpulse durch den Außenhandel in Kauf zu nehmen. Das ist insofern bemerkenswert, als die US-Wirtschaft stark auf Importe angewiesen ist und bei einer Abschwächung der Ausfuhren das ohnehin hohe Handelsbilanzdefizit weiter auszuufern droht. Dieser Gedanke soll jedoch an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden.Entscheidend ist die Frage, ob ein klassischer Protektionismus unter dem Deckmantel des “America first” wirklich ein Einzelfall ist. Die Antwort lautet: Nein. Denn tatsächlich ist zu beobachten, dass protektionistische Maßnahmen überall in der Welt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, während sich parallel dazu der globale Handel abgeschwächt hat. Dieses Wechselspiel ist kein Zufall. Interessanterweise werden protektionistische Maßnahmen dabei häufig als Staatshilfen verkleidet, anstatt dass klare Handelsschranken etwa in Form von Strafzöllen errichtet werden. Eine Studie des Centers für ökonomische und politische Forschungen kommt zu dem Ergebnis, dass viele Länder vor dem Hintergrund eines sich abschwächenden Welthandels zu diesem “indirekten” Instrument des Protektionismus greifen, als klare Handelsrestriktionen auszusprechen.Der einstmals populäre Globalisierungsgedanke bekommt mehr und mehr Gegenwind zu spüren. Einer der Hauptgründe dafür ist die Globalisierung selbst. Über Jahrzehnte hinweg sind Grenzen durchlässiger gemacht und Handelsschranken abgebaut worden. Dies hat gemessen in den Terms of Trade zu einer rasanten Zunahme des Welthandels und Wohlfahrtsgewinnen in vielen Volkswirtschaften geführt. Aber die positiven Effekte, die daraus resultieren, sind in vielen Industrieländern an der Mittelschicht vorbeigegangen. Ein Beispiel dazu: Der Anteil der einkommensstärksten 10 % der US-Haushalte am gesamtwirtschaftlichen Volkseinkommen ist nach Daten der US-Notenbank von 32 % im Jahr 1970 auf 47 % im Jahr 2014 gestiegen. Betrachtet man für den gleichen Zeitraum die oberen 20 % der US-Haushalte, fällt der Anstieg von 43 % auf 51 % im direkten Vergleich sehr viel moderater aus. Dabei sollte nicht die Tatsache aus dem Blick geraten, dass das obere Fünftel der US-Haushalte mittlerweile mehr als die Hälfte des Volkseinkommens auf sich vereinigt. Aufstieg des PopulismusDer Lohnvorteil vieler Emerging Markets hat dazu geführt, dass eine große Zahl von Niedriglohnjobs aus den Industrieländern in die Schwellenländer verlagert worden ist. Davon sind und waren vor allem gering qualifizierte Arbeitnehmer in den entwickelten Staaten betroffen. Die öffentlich gemachte Enttäuschung und Unzufriedenheit darüber hat dem Populismus ganz wesentlich den Weg geebnet, der sich nun wiederum in einer Welle des Protektionismus manifestiert. Brexit und TPP-AusstiegAls Konsequenz daraus erleben wir die weltweite Rückkehr eines gezähmten, stärker regulierten Kapitalismus. Dadurch ist es in einer Reihe von Schlüsselländern unmöglich geworden, Demokratie, nationale Souveränität und globale Integration weiter in Einklang zu bringen beziehungsweise zu halten – und es scheint, als wenn die politischen Entscheidungsträger in diesen Ländern bereit sind, Letzteres zu opfern. Es geht mittlerweile nicht nur darum, protektionistische Maßnahmen zu installieren. Immer deutlicher wird, wie schwer sich Politiker damit tun, sich zu multilateralen Handelsabkommen, die die Idee des globalen Freihandels unterstützten, zu bekennen. Der Ausstieg der USA aus dem Transatlantischen Freihandelsabkommen TPP ist ein beredtes Beispiel dafür und auch der Brexit kann als Hinweis auf eine stärker nach innen gerichtete Politik genommen werden.Die Gründe für diesen Stimmungswechsel sind grundlegender Natur. Weder das schwache Wirtschaftswachstum noch der politische Richtungsdiskurs werden sich bis auf weiteres weltweit ändern. Die Schlussfolgerung daraus ist: Das Zurückdrängen der Globalisierung ist zu einem nachhaltigen Trend geworden und nicht etwa ein Intermezzo – und dies wird seine Spuren in der Entwicklung der Weltwirtschaft hinterlassen. Ein genauer Blick zeigt nämlich, dass die Stagnation des Welthandels nicht mit einem schwächeren Wachstum zu erklären ist. Die Handelsintensität, gemessen am Handelsvolumen, das durch einen zusätzlichen Prozentpunkt Wirtschaftswachstum generiert wird, ist nach Daten des Central Planning Bureau im zeitlichen Nachlauf der Finanzkrise gesunken. Wirtschaftswachstum allein stellt also keine Lösung dar, um den Welthandel in Schwung zu bringen. Denn der Gegenwind für die Globalisierung ist mehr struktureller als zyklischer Natur und damit zu einer ernsthaften Herausforderung geworden.Wie sollten Anleger darauf reagieren? Zum Beispiel, indem sie die Ausrichtung ihres Portfolios überdenken. In dem Maße, wie der Protektionismus voranschreitet und sich das Blatt gegen die Globalisierung wendet, werden die Umsätze nationaler Unternehmen auf dem Inlandsmarkt bevorzugt gegenüber den Umsätzen auf Auslandsmärkten.Es empfiehlt sich daher, Titel mit einer starken Binnenmarkorientierung in einem Aktienportfolio relativ höher zu gewichten als bisher. Vor diesem Hintergrund ist das Small-Cap-Segment gegenüber den Large Caps attraktiv geworden, da es unter den Nebenwerten viele Unternehmen gibt, die einen Großteil ihrer Umsätze im Inland machen.Zusätzlich bieten viele Aktien mit kleiner Marktkapitalisierung eine Liquiditätsprämie, von der Investoren profitieren können, wenn sie im Gegenzug bereit sind, eine höhere Volatilität als im Large-Cap-Segment in Kauf zu nehmen. Allerdings ist der Small-Cap-Kosmos wenig transparent.Grundsätzlich sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es auf Dauer ein großes Risiko ist, auf den Trend zum Protektionismus zu setzen, denn im Ergebnis wird das kein Nullsummenspiel sein. Ein geringeres globales Wachstum wird viele Verlierer nach sich ziehen. Risikoanlagen werden das mit großer Wahrscheinlichkeit auf längere Sicht zu spüren bekommen.—-Witold Bahrke, Senior-Stratege Nordea Asset Management