Rohstoffbaisse wohl überstanden
Im bisherigen Jahresverlauf hat sich der Rohstoffsektor positiv entwickelt. Analysten sind wieder zuversichtlicher und rechnen mit einer allerdings eher verhaltenen Fortsetzung der Erholung.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtNach den starken Preisrückgängen der vergangenen Jahre hat sich der Rohstoffsektor im bisherigen Jahresverlauf recht positiv entwickelt. Die großen Rohstoffindizes, die den gesamten Sektor abbilden, verzeichnen seit Anfang Januar Gewinne. So ist beispielsweise der Bloomberg-Rohstoffindex, der die Preise von 22 Rohstoffen beinhaltet, seit Jahresbeginn um rund 15 % geklettert. Im Januar war der Index noch auf den niedrigsten Stand seit 1991 gefallen. Zurückzuführen ist das im Wesentlichen auf die Erholung bei Rohöl – Energiepreise nehmen in den Indizes, die den gesamten Sektor abbilden, traditionell einen hohen Stellenwert ein. Gegenüber dem Zwölfjahrestief vom Januar hat der Preis der wichtigsten Nordseesorte Brent Crude um mehr als 70 % zugelegt. Gegen die Erwartungen haben sich auch die Notierungen der Edelmetalle fest gezeigt. Bei den Industriemetallen und den Agrarrohstoffen ist die Situation jedoch bestenfalls als durchwachsen zu bezeichnen.Dennoch fällt auf, dass die Analysten nicht mehr nur für einzelne Segmente wie Öl optimistischer werden, sondern für die gesamte Anlageklasse. So haben kürzlich die Experten von Goldman Sachs den gesamten Rohstoffsektor auch auf Sicht von drei Monaten auf “Neutral” hochgestuft, während sie diese Einschätzung mit zwölfmonatiger Anlageperspektive schon vorher hatten.Die Analysten der Großbank Citigroup merken an, der Sektor habe mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tiefpunkt der Preisentwicklung bereits gesehen. Sie gehen zwar davon aus, dass der Rohstoffmarkt im laufenden Jahr eine ähnliche Entwicklung aufweisen wird wie 2015. Allerdings sei nicht damit zu rechnen, dass es in der zweiten Jahreshälfte einen Ausverkauf geben werde wie im vergangenen Turnus. Was den Ölpreis betrifft, so geht praktisch kein Marktbeobachter mehr davon aus, dass die Notierung wieder auf das Tief vom Januar fallen könnte. Die meisten Experten sehen den Ölpreis für die zweite Jahreshälfte derzeit bei 50 Dollar je Barrel oder leicht darüber. Damit dürfte es nach den jüngsten, durch Produktionsausfälle bedingten Preisavancen wohl keinen größeren Rückschlag mehr geben. Allerdings halten die meisten Analysten das weitere Erholungspotenzial mit Blick auf die weiterhin von Überangebot gekennzeichnete fundamentale Lage für überschaubar. Knappes AngebotFür die Industriemetalle erwarten die Analysten der Commerzbank zumeist Seitwärtsbewegungen. Für Kupfer rechnen sie im vierten Quartal aber mit einem durchschnittlichen Preis von 5 200 Dollar pro Tonne, was gegenüber dem aktuellen Niveau ein Plus von 14 % darstellen würde. Das Angebot an dem Metall wird nach den bereits erfolgten Produktionskürzungen auch für die kommenden Jahre als knapp angesehen. Der Markt sei sehr angespannt, was dem Kupferpreis im Jahresverlauf weiteren Auftrieb geben werde. Allerdings wachsen die Bäume nicht in den Himmel, denn die von den Minenkonzernen finanzierte International Copper Study Group geht für das laufende Jahr lediglich von einer stagnierenden Nachfrage aus und für 2017 von einem Anstieg von 2 %.Aus Investorensicht positiv wird die Lage auch bei Nickel gesehen. So erwartet die International Nickel Study Group, dass im laufenden Turnus erstmals seit fünf Jahren das Angebot wieder hinter der Nachfrage zurückbleibt. Das Angebot soll im Jahresvergleich um 3,5 % sinken, die Nachfrage aber um 3,8 % zulegen. Bei der Commerzbank hält man daher zum Jahresende ein Preisniveau von 10 500 Dollar je Tonne für realistisch, ausgehend von aktuell 8 330 Dollar. Weniger erfreulich ist die Marktlage bei anderen Basismetallen. Für Aluminium rechnen die Experten der Commerzbank mit einem leichten Preisrückgang, für Blei, Zinn und Zink mit Seitwärtsbewegungen. Für den gesamten Industriemetallbereich pessimistisch sind nach wie vor die Analysten von Goldman Sachs. Sie rechnen mit anhaltender Preisschwäche, was sie zurückführen auf eine Kombination von Angebotsüberschuss und schwacher Nachfrage. Die jüngste Stützung der Preise durch Nachfrage aus China schätzen sie als ein lediglich kurzfristiges Phänomen ein. Der Goldpreis hat sich seit Anfang des Jahres zur Überraschung vieler Analysten um nicht weniger als 17 % erholt. Er rückte an die Marke von 1 300 Dollar je Feinunze heran, von der er sich nun aber wieder mit einem aktuellen Niveau von rund 1 235 Dollar entfernt hat. Die meisten Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Goldrally ihren Schwung verloren hat. Deutlich pessimistisch sind auch die Experten von Goldman Sachs. Sie prognostizieren, dass der Goldpreis zum Jahresende auf 1 180 Dollar fallen wird. Starkes Plus bei ZuckerBei den Agrarrohstoffen fielen im bisherigen Jahresverlauf Zucker mit einem Preisanstieg um 36 %, Mais mit einem Plus von 10 % und Sojabohnen mit einem Plus von 14 % positiv auf. Ansonsten gab es eher Preisrückgänge, insbesondere bei Weizen mit einem Minus von 10 %. Die Analysten der Citigroup glauben aber, dass der gesamte Bereich der Agrarrohstoffe vor einer neuen Ausbalancierung von Angebot und Nachfrage steht. Sie verweisen auf die bereits erfolgten Anstiege bei Mais und Sojabohnen, auf Ernteausfälle auf der Südhalbkugel sowie auf eine sich erholende Nachfrage hinsichtlich Exporten sowie Biokraftstoffen.