Devisen

Rubel 2021 auf der Sonnenseite des Marktes

Die Sanktionen des Westens perlen am Rubel ab. Gestützt nicht zuletzt vom Ölpreis hat die Währung 2021 deutlich zugelegt, und es sind ihr weitere Aufwertungen zuzutrauen.

Rubel 2021 auf der Sonnenseite des Marktes

Von Thomas Meißner*)

Die politische Führung Russlands verfügt in der westlichen Welt über einen denkbar schlechten Ruf. Präsident Putin und dessen Administration sehen sich mit einer langen Liste an Vorwürfen konfrontiert: die Annexion der Halbinsel Krim 2014; ein nicht enden wollender bewaffneter Konflikt in der Ostukraine mit Moskau als einem Hauptakteur; Giftattacken, im Inland wie im Ausland, gegen unliebsame Personen; die Unterstützung fragwürdiger Regime und Bewegungen, in Syrien und anderswo; Hackerangriffe aus Russland heraus in aller Welt – die Aufzählung schlimmster Vorfälle mit Moskau jeweils als federführendem Akteur ließe sich fortsetzen.

Vom Ölpreis bestimmt

Der Kreml steht ob seiner geopolitischen Ambitionen international am sprichwörtlichen „Pranger“. Die unmittelbare Folgewirkung: ein im Zeitablauf geschärftes Regime westlicher Sanktionen. Diese Situation steht im laufenden Jahr in krassem Gegensatz zu einer im Trend aufwärts gerichteten Entwicklung des Rubel. So hat die russische Landeswährung gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn von Werten um die 90,40 Rubel je Euro in Regionen um die 86,30 Rubel aufgewertet. Auch gegenüber dem US-Dollar zeigt sich der Rubel von seiner eher starken Seite. Die Sanktionen des Westens gegenüber Russland gleichen dem sprichwörtlichen „zahnlosen Tiger“. Beispielhaft hierfür: das Gezerre um die Pipeline Nord Stream 2, die, wie es aussieht, doch fertiggestellt werden wird. Die Notierungen des Rubel-Außenwerts folgen weniger der geopolitischen Großwetterlage als vielmehr dem Rohölpreis am Weltmarkt. Der Rubel ist und bleibt eine „Ölwährung“; Russlands Exporte bestehen nach wie vor zu mehr als der Hälfte aus Energieträgern. Eine gewisse Schwäche war für den Rubel zuletzt im April auszu­machen; zu jener Zeit zeigte der Preis für das „schwarze Gold“ einen kleinen Rücksetzer von rund 70 US-Dollar je Fass Brent in Richtung 60 US-Dollar, bevor sich dann der vorherige Aufwärtstrend zurückmeldete.

Bewährtes System

2020, in den Coronawirren, sah die Welt für Russland und den Rubel anders aus. Der Preis für ein Fass Rohöl der Sorte Brent fiel zwischenzeitlich auf Werte unterhalb von 20 US-Dollar: eine große Be­lastung für die russische Volks­wirtschaft und speziell für die dortigen öffentlichen Haushalte. Russlands „Schmerzgrenze“ liegt bei 40 US-Dollar. Bei Notierungen oberhalb werden gemäß dem etablierten makroökonomischen Steuerungssystem alle Zusatzeinnahmen aus dem Ölgeschäft stillgelegt für schlechte Zeiten. Die große Profiteurin dieser Regel: die russische Zentralbank. Seit der Mitte des vorigen Jahrzehnts ist sie allein dem Ziel der Preisniveaustabilität im Innern verpflichtet. Der Rohölpreis ist nicht ihre „Baustelle“. Auch tangieren sie Ab- oder Aufwertungen des Rubel nur insoweit, als diese Bewegungen auf die Inflationsrate im Innern durchschlagen.

Die russische Zentralbank gehört zu den stabilitätsorientiertesten Notenbanken rund um den Globus. Nicht von ungefähr hat Zentralbank-Präsidentin Nabiullina wiederholt Auszeichnungen der Finanzpresse erhalten für ihre Arbeit. Ein realer Leitzins, nach Abzug der laufenden Teuerungsrate, von 5% und mehr: in Russland in der Zeit unmittelbar vor Corona eher die Regel als die Ausnahme. Erfolg des Ganzen: über lange Strecken eine nachgebende Teuerung und nachlassende Inflationserwartungen. Dann, mit dem Heraufziehen der Pandemie, ziemlich genau ab dem März 2020, begann die Inflationsrate in Russland nach oben zu drehen, angestoßen von einem damals schlagartig abwertenden Rubel. Die russische Zentralbank schaute dem Treiben zunächst über mehrere Quartale zu. In eine sich verfestigende Rezession hinein wurde der Leitzins zunächst sogar dreimal abgesenkt, um insgesamt 475Basispunkte. Derweil nahm der Preisdruck auf allen Ebenen zu. Im November vorigen Jahres überstieg die Teuerung in der Jahresrate den Leitzins: das erste Mal wieder seit 2015. Im März dann wollten Frau Nabiullina und ihre Mitstreiter im geldpolitischen Rat der Zentralbank offensichtlich nicht mehr länger tatenlos bleiben. Seither hoben sie ihren Leitzins viermal an, um zusammengenommen 225 Basispunkte. Allem Anschein nach hat die Inflationsrate Russlands am aktuellen Rand tatsächlich nach unten gedreht. Es wird aber wohl noch etwas dauern, bis die Teuerung von ihren derzeit erhöhten Niveaus jenseits der 6% in der Jahresrate das gewählte Ziel von 4% wieder erreichen wird.

Stabilitätsorientiert

Die russische Zentralbank verfolgt eine stabilitätsorientierte Geldpolitik. Bei Verfehlungen des Ziels der Geldwertstabilität ist mit Gegenmaßnahmen zu rechnen, mag dies auch auf Kosten der realwirtschaftlichen­ Entwicklung gehen. So kühn wie Frau Nabiullina und ihre Getreuen präsentieren sich Frau Lagarde oder Herr Powell dieser Tage nicht. Sicherlich kommt der russischen Geldpolitik am aktuellen Rand gelegen, dass in Russland die Industrieproduktion nach oben gedreht hat und mit ihr die Wirtschaftsaktivität insgesamt.

Der Rubel steht im laufenden Jahr auf der Sonnenseite des Devisenmarktes. Wir im LBBW-Re­search trauen ihm für die kommenden Quartale weitere Aufwertungen zu. Die Devisenreserven des Landes legen beständig zu, Anlagen in Rubel winken mit ansprechenden Renditen, und der Rohölpreis dürfte noch etwas zulegen. Gegen Anlagen in Rubel sprechen derweil zuvorderst ethische Überlegungen.

*)Thomas Meißner leitet in der Landesbank­ Baden-Württemberg (LBBW) das Makro- und Strategy-Research.