Russland erlebt seinen schwarzen Dienstag

Feiertagsbedingt stürzen die Kurse mit Verspätung ab - RTS verliert in der Spitze 13,5 Prozent

Russland erlebt seinen schwarzen Dienstag

est Moskau – Was sich im Rest der Welt am Montag ereignete, passierte in Russland gestern. Der in Dollar denominierte Moskauer Leitindex RTS sackte am Vormittag um 13,5 % ab, der Rubelindex Moex um 9,5 %. Bis zum späten Nachmittag schränkten sich die Verluste auf minus 5 bzw. 3,5 % ein.Während sich weltweit am Dienstag die Börsen erholten, bildete Moskau die globale Negativdynamik vom Montag zeitversetzt ab. Der Grund dafür ist einfach: In Russland war am Montag Feiertag. Dennoch hatte sich am Montag am Rubelkurs bereits abgezeichnet, wie sehr der von Moskau wesentlich mitverursachte Preissturz beim Öl gerade Russland selbst treffen würde. Am Dienstag konnte die russische Währung einen Teil der am Montag im Offshore-Handel erlittenen Verluste wieder wettmachen.Russland hatte sich am vergangenen Freitag geweigert, die vom führenden Opec-Staat Saudi-Arabien vorgeschlagene Produktionskürzung um täglich 1,5 Mill. Rubel zur Stützung des rückläufigen Ölpreises mitzutragen. Weil mit dem Platzen des Vorhabens auch die bisher wirksamen und von Russland mitgetragenen Förderkürzungen obsolet werden, stürzte der Ölpreis am Montag um fast ein Drittel auf gut 31 Dollar je Barrel ab. Russlands Konzerne wollen nun die Förderung um 4 % anheben, Saudi-Arabien gar um 20 %. Allerdings erklärte sich Moskau am Dienstag zu neuen Verhandlungen mit Saudi-Arabien über die Fördermengen bereit – ein Kompromiss sei nicht ausgeschlossen, ließ Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wissen. Gazprom & Co. im freien FallDenn auch wenn Moskau mit der niedrigen Ölnotierung allgemeiner Einschätzung zufolge der US-Frackingindustrie einen empfindlichen Schlag versetzen möchte, so zahlt es dafür einen sehr hohen Preis. Die Aktien von Energiefirmen wie Rosneft, Lukoil oder Gazprom fielen gestern in Moskau um 12 bis 15 %. Sie geben aufgrund ihrer Marktmacht noch immer den Ton an der Börse an. Andere Sektoren reagierten indes gestern entkoppelt von der Ölbranche. So schnellten – angefacht von der globalen Erholung – etwa die Papiere des weltweit größten Palladiumproduzenten Norilsk Nickel, des Stahlkonzerns Severstal oder der Internetsuchmaschine Yandex zweistellig in die HöheDie Situation auf dem Ölmarkt trifft Russland doppelt, da zum einen die Nachfrage aufgrund der Coronasorgen zurückgeht und nun auch noch der Preis angebotsbedingt abgestürzt ist. Dies in einer Situation, wo Russlands Wirtschaft ohnehin aufgrund der westlichen Sanktionen und anderer Gründe faktisch stagniert – im vergangenen Jahr betrug das Wachstum gerade mal 1,3 %.Die Behörden und die Zentralbank standen gestern Gewehr bei Fuß, um den Markt und die Bevölkerung zu beruhigen. Das Finanzministerium erklärte, dass die staatlichen Reserven für sechs bis zehn Jahre reichen würden – und zwar selbst wenn der Ölpreis nur noch bei 25 bis 30 Dollar liege. Außerdem sollten 5 Mrd. Dollar auf den Markt gebracht werden, um den Rubel zu stärken. Zentralbank greift einAuch die russische Zentralbank hat diverse Maßnahmen angekündigt – unter anderem beginnt sie proaktive Devisenverkäufe im Rahmen der geltenden Budgetregeln. Dass sie nach sechs Leitzinssenkungen am Stück nun einen Rückwärtsgang einlegen und eine Zinserhöhung vornehmen könnte, wie sie es 2014 zur Stützung des Rubels gemacht hat, wird von der Mehrheit der Experten bezweifelt. Eine ruckartige und radikale Zinserhöhung würde den Markt für staatliche Schuldverschreibungen, Obligationen und die Wirtschaft generell umbringen, erklärte Sergej Romantschuk, Chefanalyst der Metallinvestbank, in einem Kommentar für die Wirtschaftszeitung “Wedomosti”.