Sanktionen treiben Ölpreis
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Die Fed hat in der gerade beendeten Woche den Leitzins um einen großen Schritt von 75 Basispunkten angehoben und sich aggressiver zu den kommenden Zinserhöhungen geäußert als von vielen Marktteilnehmern erwartet. Damit dürften sich die Konjunkturerwartungen weiter eintrüben, denn die US-Notenbank nimmt eine ausgeprägte Rezession in Kauf, um die aus dem Ruder gelaufene Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen. Dies wirkt sich auch auf den weltweiten Ölverbrauch aus. Zudem dürfte die Zinsperspektive den Dollar weiter stärken. Dies sollte den Ölpreis unter Druck setzen. Gleichwohl hat der Ölpreis in der Handelswoche deutlich zugelegt, und zwar am Freitag sogar zeitweise über die Marke von 98 Dollar je Barrel. Nach Einschätzung von Marktteilnehmern trägt zu dem Preisanstieg entschieden bei, dass die G7-Staaten und die EU trotz aller Kritik ihre Idee einer zwangsweisen Preisobergrenze für russisches Öl ab dem 5. Dezember nicht aufgeben wollen. Aktuell berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, die G7-Staaten hätten sich darauf geeinigt, eine feste Preisobergrenze festzulegen und nicht, wie auch erwogen worden war, einen Abschlag auf den Marktpreis. Diese feste Preisobergrenze solle regelmäßig überprüft werden, heißt es.
Ziel der Maßnahme ist es erklärtermaßen, dem Weltmarkt das russische Öl zu erhalten, gleichzeitig aber die russischen Einnahmen so zu reduzieren, dass Russland den Ukraine-Krieg nicht weiter finanzieren kann und in eine schwere Wirtschaftskrise gerät. Für den Westen soll dabei noch herausspringen, dass sich der Bezug des Energieträgers verbilligt, weil sich quasi ein Nachfragekartell bildet, das den Markt kontrollieren soll.
Neuordnung zu erwarten
Die meisten Marktbeobachter sind skeptisch, dass diese Ziele erreicht werden, zumal die russische Regierung mehrfach angekündigt hat, kein Land mehr beliefern zu wollen, das sich der Maßnahme anschließt. Die zu erwartenden Turbulenzen und die zu erwartende Neuordnung der Lieferbeziehungen auf dem Ölmarkt dürften stattdessen zu einem deutlichen Preisanstieg führen, dessen erster Vorgeschmack nun bereits zu erkennen ist. Bislang haben nur die G7-Länder und die EU die Bereitschaft erkennen lassen, die Preisobergrenze durchsetzen zu wollen, die Opec-Staaten lehnen eine solchen Versuch der Marktkontrolle kategorisch ab. Um die Komplexität der Sanktion zu reduzieren und doch noch weitere Verbraucherländer an Bord zu holen, haben die G7-Staaten nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ beschlossen, dass nur die erste Transaktion, also der Erstkauf des russischen Öls durch einen Kunden, unter die Sanktionen fällt. Dies reduziert die Reichweite der Sanktionen und erleichtert ihre Umgehung – offensichtlich wollen die G7-Länder einen starken Preisschock verhindern. Dennoch ist zu befürchten, dass der Ölpreis deutlich über die Marke von 100 Dollar steigen wird.