Geld oder BriefWeltgrößter Ölkonzern

Saudi Aramco ist eine Aktie mit Besonderheiten

Die Aktie des weltgrößten Ölkonzerns Saudi Aramco ist ein Titel mit vielen Besonderheiten, die ihm einen eigenen Status unter den börsennotierten Konzernen der Branche geben.

Saudi Aramco ist eine Aktie mit Besonderheiten

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Saudi Aramco ist eine besondere Aktie

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Im Reigen der großen börsennotierten Ölkonzerne ist Saudi Aramco ohne Zweifel eine Besonderheit. Erstens handelt es sich um den mit Abstand größten börsennotierten Ölkonzern mit einer Marktkapitalisierung von 1,81 Bill. Dollar. Damit ist Aramco Mitglied in dem Club der ganz großen Börsenwerte von mehr als 1 Bill. Dollar, dem sonst fast nur amerikanische Technologiekonzerne angehören. Aber auch vom Umsatz her ist Aramco riesig, mit rund 500 Mrd. Dollar im Jahr 2023 ist der Konzern die Nummer 3 weltweit, nach Amazon und Walmart. Die Superlative enden damit aber noch nicht, denn mit 259 Mrd. Barrel verfügt Aramco mit Abstand über die größten nachgewiesenen Ölreserven, ExxonMobil ist als Nummer 2 mit 18 Mrd. Barrel weit abgeschlagen.

Die zweite Besonderheit liegt in der Eigentümerstruktur: Aktuell hält der saudi-arabische Staat 81,48% der Aktien und saudische öffentliche Pensionsfonds 16%. Die freien, von der Regierung unbeeinflussten Aktionäre halten somit gerade einmal 2,5% der Aktien, haben also nichts zu sagen.

Hohe Ölreserven

Während die erste Besonderheit, nämlich die extrem hohen Ölreserven, eine höhere Bewertung von Aramco gegenüber den anderen Konzernen rechtfertigen, stellt der zweite Aspekt eher einen Grund für eine niedrigere Bewertung dar, denn neben dem Unternehmensziel der Gewinnmaximierung muss der Konzern auch die Ölmarktpolitik des saudischen Königshauses umsetzen. Und dies bedeutet auch, dass sich das Land und damit Aramco mit der Ölproduktion aktuell zurückhält, um den Ölpreis in Absprache mit den anderen Mitgliedern des Kartells Opec plus zu stabilisieren. Dies führt
aktuell beispielsweise zu sinkenden Gewinnen.

Darüber hinaus dient Aramco auch als Spardose des saudischen Staates. So hat die Regierung erst im Juni Aktien im Volumen von 11,2 Mrd. Dollar verkauft, weil die gegenwärtigen Einnahmen des Staats, die über Ausschüttungen und Abgaben zu einem hohen Anteil von Aramco stammen, nicht für alle Staatsausgaben ausreichen – zumal das Königshaus an einer langfristigen und anspruchsvollen Umstrukturierung des Landes weg von der hohen Abhängigkeit vom Öl arbeitet.

Mit Blick auf diese Konstellation gilt die Aktie vielen Analysten als relativ teuer. Laut Bloomberg raten daher von 16 Analysten nur zwei zum Kauf der Aktie, während 13 den Titel mit einem „Halten“-Anlageurteil versehen. Immerhin gibt es aber nur eine einzige Verkaufsempfehlung. Das Zwölf-Monats-Kursziel wird vom Marktkonsens bei 33,35 Rial gesehen, was gegenüber dem aktuellen Kurs von 28,20 Rial aber einem Kurspotenzial von immerhin 18% entspricht. Die Einstellung insbesondere auch der angloamerikanischen Finanzmedien gegenüber Aramco ist nicht gerade positiv, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass das Verhältnis des saudischen Königshauses zur Biden-Administration als äußerst schlecht gilt.

Eine dritte Besonderheit liegt in der Art, wie sich Saudi Aramco gegenüber den Anlegern darstellt und wie die Aktie von diesen wahrgenommen wird. Mit Blick auf die Ölreserven könnte man Aramco als Wachstumswert klassifizieren, gehandelt wird die Aktie jedoch eher wie eine Anleihe. So betrug der durchschnittliche jährliche Kursgewinn der Aktie seit 2019 rund 4%. Die Ausschüttungen sind hoch, sie werden auch mit Blick auf Erfordernisse des saudi-arabischen Staates konstant gehalten, und die Aktie macht auch normalerweise die vielen Rallys und Korrekturen im volatilen Ölsektor der Aktienmärkte nicht mit.

Im bisherigen Jahresverlauf hat die Aktie allerdings 15% an Wert eingebüßt, was sich mit einem Kursanstieg von 15% bei ExxonMobil vergleicht und was den Analysten, wie das Konsens-Kursziel zeigt, auch als übertrieben gilt. Zu tun hat es ohne Zweifel auch mit dem stets dünnen Handelsvolumen in dem Titel und mit der jüngsten Aktienplatzierung durch die Regierung – wobei Aktienverkäufe durch den Staat auch in Zukunft ein Risiko für den Kurs bleiben dürften.

Das Management von Saudi Aramco hat sich derweil bemüht, die Aktie attraktiver zu machen. Im Dezember 2019 beim Börsengang, der von Investoren aus London und New York weitgehend gemieden wurde, betrug die Dividendenrendite 3,85%, während Konzerne wie Shell und BP auf mehr als 6% kamen. Internationale Konzerne kauften lediglich 15% der Aktien, die damals insgesamt 29,4 Mrd. Euro einspielten. Aktuell erreicht die Dividendenrendite von Aramco mehr als 6%, womit Konzerne wie Chevron und ExxonMobil übertroffen werden. Für 2023 wird ein Dividendenvolumen von mehr als 120 Mrd. Dollar avisiert, verglichen mit konstanten 75 Mrd. Dollar für 2022. Allerdings reicht der freie Cashflow nicht aus, um die Dividende zu finanzieren.

Damit wird es auch auf die weitere Entwicklung des Ölpreises ankommen, was für die Regierung ein Problem darstellen könnte, denn nach einer Schätzung des Internationalen Währungsfonds ist der saudische Staat auf einen Ölpreis von etwas mehr als 96 Dollar je Barrel angewiesen ist, um beim gegenwärtigen Produktionsvolumen alle Staatsausgaben zu decken. Was Saudi Aramco betrifft, so gibt es eine von dem Konzern definierte Obergrenze für die Verschuldung von 15% des gesamten Kapitals.

Große Nachfrage

Mit Blick auf die Probleme lag der Platzierungspreis für den jüngsten Aktienverkauf auch mit 27,25 Rial näher am unteren Ende der von 26,70 bis 29 Rial reichenden Angebotsspanne. Allerdings kann man nicht sagen, dass die Emission gemieden worden wäre. Für das Volumen von 11,2 Mrd. Dollar lagen Orders über mehr als 60 Mrd. Dollar vor.