ROUNDTABLE MITTELSTANDSANLEIHEN

Schritt in die richtige Richtung

Anleihen können Finanzierung über den Bankkredit nicht ersetzen - Kupons sind nicht hoch genug

Schritt in die richtige Richtung

Die Mittelstandsanleihen haben häufig mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht. Bei einem Roundtable der Börsen-Zeitung zu diesem Finanzierungsinstrument ziehen Hendrik Haag, Rechtsanwalt und Partner von Hengeler Mueller, Marc Müller, Managing Director und Co-Head CMTS Corporates Germany & Austria bei der Deutschen Bank und Alexander von Preysing, Head of Issuer Services der Deutschen Börse, nun Bilanz.- Seit rund drei Jahren gibt es an den deutschen Börsen Mittelstandsanleihesegmente. Wie fällt Ihre Bilanz aus?Alexander von Preysing:Für unseren Entry Standard, der vor ungefähr zweieinhalb Jahren eröffnet wurde, können wir eine positive Bilanz ziehen. In 45 Transaktionen haben die Emittenten rund 2 Mrd. Euro aufgenommen, die gelisteten Anleihen sind nach Branchen breit diversifiziert. Mit unserem Konzept, das Platzierung, Listing und Handel auf einer Plattform bietet, ermöglichen wir ein Downsizing. Auch kleinere Anleihen, zum Beispiel ab 20 Mill. Euro können nun platziert werden. Informierte Privatanleger haben erstmals die Möglichkeit, sich an der Zeichnung zu beteiligen.Hendrik Haag: Die Unternehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt ist in Deutschland noch gering. Daher sind die Mittelstandssegmente ein Schritt in die richtige Richtung, denn sie öffnen den Kapitalmarkt für kleinere Unternehmen und ermöglichen die direkte Platzierung bei Retail-Anlegern. Uns bereitet es aber Sorgen, dass die Gatekeeper-Funktion der Institute in den Segmenten nur unzureichend ausgefüllt ist. Normalerweise muss bei einer Emission ein Institut die Prospekthaftung übernehmen. Im Freiverkehr ist das aber nicht der Fall. Eine Bank, die haftet, sieht sich den Emittenten auch genau an. Angesichts der derzeitigen Verhältnisse an den Mittelstandssegmenten ist es sehr fraglich, ob ein Privatanleger investieren sollte. Der höhere Kupon lockt, ist aber angesichts der Risiken nicht hoch genug. Hinzu kommt eine relativ geringe Transparenz. Der Privatanleger ist in der Regel nicht in der Lage, eine Emission bzw. ihre juristischen Strukturen zu beurteilen.Marc Müller: Ich sehe das ähnlich. Der Drang zum Kapitalmarkt ist an sich positiv zu sehen. Mittelstandsanleihen sollten aber kein Instrument für Unternehmen sein, für die eine Bankenfinanzierung schwierig ist, sondern lediglich eine Ergänzung im Sinne einer gesunden Beimischung. Es kommt entscheidend auf die Ausgestaltung der Anleihen an. Die Risikoposition des Anleihegläubigers sollte im Prospekt transparent reflektiert und klar hervorgehoben werden und sich auch in einem adäquaten Renditeaufschlag ausdrücken. Wichtig ist auch eine gleichrangige Behandlung der Gläubiger. Mittelstandsanleihen sollten keine strukturelle Nachrangigkeit zum Bankkredit oder anderen Finanzierungsinstrumenten haben, es sei denn, es wird darauf explizit hingewiesen und ein adäquater Risikoaufschlag gezahlt.- Welche Lösungs- bzw. Verbesserungsansätze bieten sich Ihrer Einschätzung nach an?Haag:Wichtig wäre es, dass sich die etablierte Kreditwirtschaft stärker um Mittelstandsanleihen kümmert. Außerdem ist eine Prospekthaftung unabdingbar. Die Segmente brauchen ferner strukturierte Vorgaben für die Offenlegung von besonderen juristischen Risiken wie Emissionen auf Holdingebene. Es gibt einige relativ einfach umzusetzende Maßnahmen, die die Qualität des Segments steigern können. Der Markt muss auch ein Interesse daran haben, ein Desaster wie das des Neuen Markts zu verhindern.Von Preysing: Die Strategie der Deutschen Börse besteht bereits darin, keine Eigenemission zuzulassen, sondern die Einschaltung einer Bank bzw. eines Finanzdienstleisters, der Mitglied der Frankfurter Wertpapierbörse ist, vorzuschreiben. Wir mischen uns zwar nicht in die Entscheidung über das Zielpublikum einer Platzierung ein. Grundsätzlich soll der Schwerpunkt aber bei institutionellen Investoren liegen. Allerdings halten wir einen geringen Privatanlegeranteil von 10 % für positiv.- Welche Rolle spielen die Ratings?Müller:Grundsätzlich erhöhen Ratings die Transparenz. Es kommt aber darauf an, ob es sich um Unternehmens- oder Instrumenten-Ratings handelt. Instrumenten-Ratings haben den Vorzug, dass sie die Struktur einer Anleiheemission reflektieren.Haag: Leider sind die für Mittelstandsanleihen vergebenen Ratings derzeit mindestens drei bis vier Stufen zu gut. Eine drastische Rating-Verschlechterung wenige Monate nach der Emission, die leider schon mehrfach zu beklagen war, ist einfach nicht nachvollziehbar.- Sind Mittelstandsanleihen eine gute Lösung für Unternehmen und erwarten Sie eine weiterhin rege bzw. steigende Nachfrage nach dieser Finanzierungsform?Müller:Hier ist die Frage nach dem Mehrwert kleiner öffentlicher Anleihen für Emittenten zu stellen. Nach unserer Auffassung lohnt sich der erhebliche Aufwand bei diesen Größenordnungen nicht, da der Schuldschein- oder auch der Privatplatzierungsmarkt kleine Volumina zu attraktiven Konditionen zur Verfügung stellt – auch in längeren Laufzeiten. Unserer Meinung nach ist mindestens ein Emissionsvolumen zwischen 100 und 150 Mill. Euro erforderlich, damit sich der Gang an den öffentlichen Anleihemarkt lohnt. Generell kann der Kapitalmarkt den Kredit nicht ersetzen. Als Ergänzung im Rahmen der gesamten Finanzierung eines Unternehmens ist der Gang an den Kapitalmarkt aber sicherlich sinnvoll. Wichtig ist aber, dass das Unternehmen von seiner Bank langfristig betreut wird und alle Aspekte einer Finanzierung aufeinander abgestimmt sind.Von Preysing: Auch wir glauben nicht, dass Mittelstandsanleihen die Finanzierung über Bankkredite ersetzen können. Angesichts von Basel III bieten sie sich aber als strategische Komponente an, um die Abhängigkeit von der Bankenfinanzierung etwas zu reduzieren. Für Größenordnungen ab 100 Mill. Euro haben wir im Übrigen den Prime Standard für Unternehmensanleihen eingeführt. Er ermöglicht die Platzierung in Deutschland und Europa sowie auch direkt bei Stakeholdern. Emittenten profitieren über das Xetra-System von einer verbesserten Liquidität. Das Segment, das zehn Anleihen zählt, entspricht den Gepflogenheiten des etablierten institutionellen Anleihemarkts. Die etablierte Kreditwirtschaft sollte sich dort engagieren.—-Die Diskussionsrunde moderierte Christopher Kalbhenn.