Schuldscheine

Schuldscheinmarkt legt kräftig zu

Im ersten Halbjahr hat der Schuldscheinmarkt eine Belebung erfahren. Die Laufzeiten wurden von den Emittenten verlängert, Begebungen haben sich fast verdoppelt. Und die grüne sowie nachhaltige Welle erreicht auch dieses Segment.

Schuldscheinmarkt legt kräftig zu

kjo Frankfurt

Der Markt für Schuldscheindarlehen (SSD) ist für mittlere Unternehmen eine besonders wichtige Refinanzierungsquelle, die auch von vielen Adressen immer gern genutzt wird. Und die Aktivitäten am Schuldscheinmarkt haben sich besonders im zweiten Quartal dieses Jahres überaus positiv entwickelt. „Nicht zuletzt wegen des sehr regen Interesses ausländischer Unternehmen er­reichte das Volumen neu arrangierter Darlehen 10,8 Mrd. Euro. Damit betrug die Gesamtsumme des ersten Halbjahres 2022 rund 16,4 Mrd. Euro – der höchste Wert eines Halbjahres am Schuldscheinmarkt überhaupt“, heißt es hierzu in einer Marktanalyse von Capmarcon, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Strategien zur Kapitalbeschaffung und Bilanzstrukturoptimierung und unterstützt und begleitet Klienten in einer Vielzahl an Finanzierungssituationen. Dies umfasst die Eigenkapital-, Fremdkapital- und Mezzaninekapitalbeschaffung.

„Weder die aktuellen politischen Spannungen in Europa und die daraus resultierenden Risiken der Energieversorgung, deutlich steigende Inflationsraten und eine bevorstehende Anhebung der Leitzinsen im Euroraum, noch die anhaltenden Diskussionen um das Maß an Corona-Restriktionen im Herbst/Winter 2022 konnten die Stimmung am Schuldscheinmarkt eintrüben“, so die Experten von Capmarcon. Die Risikoprämien für Kreditnehmer seien zwar deutlich zwischen 10 und 40 Basispunkten gestiegen, die Aufnahmefähigkeit des Marktes habe aber – möglicherweise gerade deswegen – eher noch zugenommen.

Fast verdoppelt

Die Zahl der Begebungen habe sich fast verdoppelt, das Volumen fast verdreifacht, der Durchschnittsbetrag sei von 180 auf 250 Mill. Euro gestiegen. Die pro Begebung arrangierten Tranchen hätten sich erhöht. „Unternehmen nutzen oft eine stärkere Differenzierung des Gesamtbetrages nach unterschiedlichen Laufzeiten“, heißt es. Die durchschnittliche Laufzeit habe von 6,5 auf 7,4 Jahre zugelegt. Während die Zahl an Jumbo-Begebungen und der Volumina unter 50 Mill. Euro gegenüber Vorjahreszeitraum gleich geblieben sei, seien die Arrangements mit Größen zwischen 100 und 250 Mill. sowie 500 Mill. und 1 Mrd. Euro besonders deutlich gestiegen.

Noch im ersten Halbjahr 2021 sei etwa die Hälfte der neuen Darlehen an Adressen gegangen, die erstmals SSD zur Finanzierung eingesetzt hätten. In diesem Jahr habe deren Anteil bislang unter 30% gelegen; vor allem Mehrfachnutzer des Schuldscheins seien mit ihren Begebungen am Markt präsent gewesen.

Industrie liegt vorn

Unverändert würden Industrieunternehmen den Schuldscheinmarkt dominieren – gerade im zweiten Quartal. Etwa 43% des neuen Volumens seien im ersten Halbjahr auf diesen Sektor entfallen. Zweitstärkste Gruppe seien Dienstleistungsunternehmen (23%) gewesen, dieses Mal sei es in erster Linie das Ergebnis der Aktivitäten der Wohnungswirtschaft. „Andere Sektoren legen aber zu, so dass das Spektrum an Kreditnehmern noch heterogener geworden ist.“ Dabei seien vor allem Handelsunternehmen und Energieversorgungsunternehmen verstärkt an den Markt getreten.

Hinsichtlich der regionalen Herkunft würde zwar der überwiegende Teil der Schuldscheindarlehen für deutsche Unternehmen arrangiert – hierauf entfielen 53% des Volumens. Allerdings sei der Anteil ausländischer Begebungen mit 47% einer der höchsten Halbjahreswerte gewesen. Größte ausländische Unternehmensgruppe seien im ersten Halbjahr Schweizer Adressen mit einem Anteil am Volumen von 15% gewesen. Auf österreichische Adressen seien 12% entfallen, auf französische, die in der Regel stärker am Schuldscheinmarkt aktiv seien, nur 5%. Auf weitere Darlehensnehmer aus europäischen und außereuropäischen Ländern – wie aus Skandinavien, Großbritannien oder Asien – seien 10,5% des neuen Volumens entfallen.

Die durchschnittliche Bonität der schuldscheinbegebenden Unternehmen – gewichtet mit dem jeweiligen Darlehensvolumen – habe sich im Verlauf des ersten Halbjahres 2022 von der Bonitätsstufe „BBB–“, was gerade noch zum Investment-Grade-Bereich gehört – auf „BBB“ verbessert. Angeglichen hätten sich dabei auch die Leistungsfähigkeiten der Mehrfachnutzer und der Erstnutzer von Schuldscheinen.

Der überwiegende Teil des Schuldscheinvolumens – nämlich 71% – sei in den ersten sechs Monaten als traditionelles SSD ohne weitere Ausstattungsmerkmale konzipiert worden. „Bei immerhin 29% des Volumens und einer steigenden Tendenz haben Nachhaltigkeitsaspekte eine Rolle gespielt. Allerdings nur bei 2%, also etwa 300 Mill. Euro von 16,4 Mrd. Euro, fließen die aufgenommenen Mittel in dezidiert ökologische oder soziale Maßnahmen und Projekte“, halten die Experten fest. Bei 27% des Volumens handele es sich um ungebundene Unternehmensfinanzierungen; hier seien die Konditionen des Darlehens – also die Verzinsung – lediglich an die Erreichung bestimmter zuvor definierter Nachhaltigkeitsziele gekoppelt, d. h. nachhaltigkeitsgebunden (Sustainability-linked Loans). „Diese Darlehen haben als Referenzwerte beim Schuldschein oft die Veränderung von ESG-Bewertungen des Unternehmens, die Verursachung von Kohlendioxidemissionen (CO2) und/oder Indikatoren wie eine bestimmte Quote von weiblichen Mitarbeitern in Führungspositionen des Unternehmens.“ Die grüne bzw. nachhaltige Welle erreicht in einem gewissen Ausmaß somit auch den SSD-Markt.

Flexibles Instrument

Einer der Vorteile von Schuldscheindarlehen liege in der Flexibilität der begebenden Unternehmen: entweder als Transaktion im Hintergrund oder als willkommene Möglichkeit in der reputationsstärkenden Außendarstellung. Im ersten Halbjahr sei bei 47% des Volumens das Schuldscheindarlehen als diskreter Weg der Unternehmensfinanzierung genutzt worden, bei 53% des arrangierten Volumens hätten die Transaktionen als publikumswirksames Instrument der Vermarktung ge­dient. Dabei steige – gerade in Fällen mit Nachhaltigkeitsbezug – der Anteil der Transaktionen, die öffentlich gemacht würden. Die Konditionen für SSD hätten im ersten Quartal 2022 leicht, im zweiten Quartal deutlich angezogen. Diese Bewegung sei zum einen auf – wenn auch nur geringfügig – höhere Marktzinsen und zum anderen auf angehobene Risikoprämien zurückzuführen.

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