Lockere Finanzierungsbedingungen

Schwellenländer­anleihen vor herausforderndem Jahr

Schwellenländeranleihen stehen 2022 vor Herausforderungen, u.a. aufgrund der geldpolitischen Wende in den USA. Allerdings werden die globalen Finanzierungsbedingungen insgesamt locker bleiben.

Schwellenländer­anleihen vor herausforderndem Jahr

Schwellenländer werden 2022 mit einigen bedeutenden Herausforderungen konfrontiert sein. Dazu gehören eine hohe Inflation, restriktivere Finanzierungsbedingungen und die Konjunkturverlangsamung in China. Die chinesische Wirtschaft verlangsamt sich und das BIP-Wachstum dürfte im vierten Quartal 2021 deutlich geringer ausfallen als die bereits gedämpften 4,9% im Vorquartal im Vergleich zum Vorjahr. Ursache für die Verlangsamung sind die strengeren Bedingungen, die Immobilienunternehmen im August 2020 auferlegt wurden, um die übermäßige Fremdverschuldung des Sektors zu reduzieren. Das harte Vorgehen gegen den IT- und den Bildungssektor trug ebenfalls zu einer Verschlechterung der Anlegerstimmung bei. Die Immobilienpreise sinken seit dem September, was die Besorgnis über eine anhaltende Konjunkturverlangsamung in China und deren Folgen für die Weltwirtschaft verstärkt.

Kontrollierter Markt

Der chinesische Immobiliensektor funktioniert nicht wie eine Marktwirtschaft. Das heißt, dass eine Immobilienkrise in China nicht so schwerwiegende Folgen haben würde wie jene in den USA nach der globalen Finanzkrise. Der öffentliche Sektor kontrolliert das Angebot an Grundstücken und beeinflusst das Angebot und die Preise von Wohnraum. Kauf und Verkauf von Wohneigentum sind streng geregelt und die Haushalte sind nicht übermäßig verschuldet, da Hypotheken für gewöhnlich eine Anzahlung von 30% erfordern. Da die Konjunkturverlangsamung selbst verursacht ist, kann die Regierung zudem ihre Richtlinien zur Kreditvergabe lockern. Wir erkennen bereits jetzt Anzeichen für eine Lockerung der Politik und wahrscheinlich sind noch mehr zu erwarten. All dies deutet darauf hin, dass die chinesische Wirtschaft im ersten Quartal 2022 die Talsohle erreichen wird.

Fed geht langsam vor

Die Fed hat bereits damit begonnen, ihre Anleihenkäufe zurückzufahren, und bisher deuten die Anzeichen darauf hin, dass kein Taper Tantrum zu erwarten ist. Anders als noch 2013 wurden die Drosselungsmaßnahmen im Jahresverlauf 2021 klar kommuniziert und sind in vollem Umfang eingepreist. Ende November hatte der Markt bereits drei Zinsanhebungen bis 2023 eingepreist, das heißt, eine Anhebung um 25 Basispunkte pro Quartal ab Mitte 2022, nachdem das Tapering abgeschlossen ist. Die Pandemie ist allerdings noch nicht vorbei. Deswegen halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass die Fed ihre Zinsanhebungen langsamer angehen wird. Natürlich besteht das Risiko, dass die hohe Inflation sich 2022 als dauerhafter erweisen könnte. Wir sehen dies jedoch statt als Basisszenario eher als Risiko an, das es zu überwachen gilt.

Die realen Zinssätze in den Industrieländern werden voraussichtlich im Jahresverlauf 2022 steigen, wenn sich die Inflation verlangsamt und die Zinsanhebungen beginnen. Allerdings werden wir bis Ende 2022 oder 2023 warten müssen, bis die Realrenditen von US-Treasuries in den positiven Bereich steigen werden. Unterdessen heben die Zentralbanken der Schwellenländer die Zinsen deutlich schneller an und erhöhen dadurch die Zinsdifferenz zugunsten von Emerging-Markets-Anleihen.

In der ersten Jahreshälfte verengten sich die Spreads von Hochzinsanleihen gegenüber Investment-Grade-Titeln. Seit Ende August schneiden Hochzinsanlagen jedoch schlechter ab. Zu diesem Zeitpunkt begann die Risikobereitschaft der Anleger aufgrund von mehreren Faktoren zu sinken: das Auftreten neuer Varianten des Coronavirus, dann die hartnäckig hohe Inflation, geringere Wachstumserwartungen und Ausfälle im chinesischen Immobiliensektor.

Wachstum über Potenzial

Die Stimmung gegenüber Hochzinsanleihen dürfte sich jedoch aufhellen. Zunächst liegen die Spreads von Schwellenländer-Hochzinsanleihen deutlich über ihrem Durchschnittsniveau. Bei US-Hochzinsanleihen und Schwellenländer-Investment-Grade-Anleihen hingegen nähern sie sich ihren historischen Tiefs. Anders als von einigen Märkten eingepreist, befindet sich die Weltwirtschaft noch nicht in einer typischen spätzyklischen Dynamik, in welcher die Zentralbanken die Wirtschaft durch Zinsanhebungen und eine Straffung der geldpolitischen Bedingungen in eine Rezession treiben. Im Gegenteil: Die Weltwirtschaft wird auch 2022 deutlich über dem Potenzial wachsen, wenngleich sich das Wachstum nun von einem sehr hohen Niveau im zweiten Quartal 2021 in Richtung Potenzialwachstum abgeschwächt hat. Auch die Inflation wird sich wieder den Zielwerten der Zentralbanken annähern. Kurz gesagt: Das Risiko restriktiver globaler Finanzierungsbedingungen, die Emittenten von Hochzinsanleihen eine Refinanzierung erschweren würden, erscheint in den kommenden Quartalen gering.

Auch die Besorgnis über Ausfälle belastet Staatsanleihen des Hochzinssegments, da die globale Geldpolitik allmählich weniger akkommodierend sein wird. Bei Staatsanleihen in stark notleidenden Ländern wie Sri Lanka oder Äthiopien ist diese Sorge sicher gerechtfertigt. Wir halten es jedoch für übertrieben, sie auf das umfassendere Hochzinssegment auszuweiten. Unserer Einschätzung nach liegt der Großteil der pandemiebedingten Ausfälle bereits hinter uns.

Spätphase der Erholung

Wir befinden uns nun aber in der Spätphase der Erholung. Die Umsätze haben sich bereits in erheblichem Maße erholt. In dieser Zyklusphase sind die Ausfälle im Allgemeinen niedrig. Ein potenzieller Auslöser für eine höhere Risikobereitschaft ist schließlich, dass die Inflation im ersten Halbjahr 2022 sehr wahrscheinlich wieder sinken wird. Anlegern dürfte dies die Gewissheit vermitteln, dass die globalen Finanzierungsbedingungen voraussichtlich locker bleiben werden, wenngleich weniger akkommodierend als heute.

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