IM INTERVIEW: ALEXANDER MOZER, ÖKOWORLD

"Schwellenländer in Indizes stark unterrepräsentiert"

Chief Investment Officer: Langfristig deutlich höhere Anlageerträge als in den Industrienationen erzielbar - China gewinnt weltweit erheblich an Bedeutung

"Schwellenländer in Indizes stark unterrepräsentiert"

Von kurzfristigen Marktirritationen lässt sich Alexander Mozer nicht beeindrucken. Der Chief Investment Officer von Ökoworld ist überzeugt, dass sich die Schwellenländer langfristig wirtschaftlich positiv entwickeln werden und interessante Anlagemöglichkeiten bieten.- Die Schwellenländeraktienmärkte zeigen eine starke Entwicklung. Woran liegt das?Die Emerging Markets befinden sich in einer Komfortzone, was die Wahrnehmung der Investoren anbelangt. Dabei hat sich im Prinzip in den letzten Jahren nicht viel verändert. Lediglich das Zutrauen in die langfristigen Wachstumsaussichten der Schwellenländer hat sich deutlich verbessert. Die Indizes haben in den zurückliegenden zwei bis drei Jahren entsprechend deutlich zugelegt.- Bedeutet denn der geldpolitische Schwenk hin zu einer restriktiveren Geldpolitik in den Industrieländern kein Risiko? Im Jahr 2013 hat doch bereits eine entsprechend Ankündigung des Fed Chairman Ben Bernanke ausgereicht, die Emerging Markets in Turbulenzen zu stürzen.Im Juni 2013 wurde erstmals über Tapering, das heißt eine Reduzierung der Anleihekäufe der US-Notenbank, gesprochen. In der Folge sind die Aktien und die Währungen der Schwellenländer teilweise massiv eingebrochen. Jetzt, in einer Phase, in der die Leitzinsen tatsächlich steigen und die Fed sogar ihre Bilanz abbaut, ist das nur noch von untergeordneter Bedeutung. Damals war Tapering eine Überraschung – heute ist der Markt vorbereitet. Die in 2013 aufgekommenen Befürchtungen, dass das Wachstum der Emerging Markets stark einbrechen würde, sind nicht eingetreten. Das damals abgezogene Kapital wurde sukzessive wieder in die Wachstumsstory Emerging Markets investiert.- Wie soll man als Investor mit einer derartigen Situation umgehen?Wenn man Einzeltitel fundamental analysiert, sieht man, dass die Entwicklung vieler Unternehmen unbeeindruckt von den Kapitalmarktturbulenzen voranschreitet. Die Angst, die sich an den Märkten breitgemacht hat, war schlicht ein schlechter Ratgeber. Solange man sich auf die Fundamentaldaten fokussiert, muss man im Rahmen einer gesunden Asset-Allokation in den Emerging Markets investiert bleiben. Es gibt in den Schwellenländern Entwicklungslinien, die immer weiter fortschreiten und sich nicht verändern. Die Analyse, ob China nun um 6,8 % oder um 6,6 % wächst, ist dementsprechend verfehlt, da das im langfristigen Kontext untergeht. Fakt ist und bleibt, dass das Wachstum deutlich höher ist als in den Industrieländern. Entscheidend für den intelligenten Anleger ist auch, dass seine Wahl in den Emerging Markets auf aktiv gemanagte Investmentprodukte fällt. Eine langfristig gute Performance lässt sich besonders mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen erzielen, die eine starke Wettbewerbsposition besitzen und sich auf einem Pfad dynamischer Wachstumsentwicklung befinden. Hiervon abstrahieren passiv gemanagte Produkte stark.- Die Emerging Markets haben sich während der jüngsten Korrektur, anders als früher üblich, nicht anstecken lassen. Woran liegt das?Die Schwellenländer sind in den globalen Aktienmarktindizes MSCI World mit teilweise unter 10 % Gewichtung stark unterrepräsentiert. Das spiegelt weder ihre überlegenen Wachstumsperspektiven noch die Realität der Weltwirtschaft wider. Aber es ist eben viel Geld in diesen Indizes gebunden. Zum jüngsten Flash Crash haben Computerprogramme mit Stop-Loss-Aufträgen maßgeblich beigetragen. Dem automatisierten Handel sind die Industrieländer entsprechend viel stärker ausgesetzt als die Emerging Markets. In den Schwellenländern hat sich zudem über die Jahre eine starke Unterbewertung ausgebildet, die nun sukzessive abgebaut wird. Auch das macht diese Länder weniger anfällig.- Sind Emerging Markets nicht mehr riskanter als Aktien der etablierten Volkswirtschaften?Die Frage muss eher lauten, ob die Emerging Markets für einen langfristig orientierten Investor jemals ein höheres Risiko als Aktien der Industrieländer hatten. Bei einem entsprechend langen Atem besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, deutlich höhere Erträge zu erzielen als in den wachstumsschwachen Industrienationen. In einigen Ländern hat sich auch die politische Situation positiv verändert. So hat sich die Sicht der Investoren auf Brasilien durch die Entmachtung der Präsidentin Dilma Rousseff deutlich aufgehellt, auch wenn man durchaus hinterfragen kann, ob ihr Nachfolger wirklich eine bessere Wahl ist. Das Gleiche geschieht nun nach dem erzwungenen Rücktritt des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma mit Südafrika. Der Markt setzt darauf, dass das gravierende Korruptionsproblem angegangen wird. Wir halten südafrikanische Aktien für sehr interessant.- Was gefällt Ihnen an diesem Markt besonders?Südafrika ist für uns eine Art Hub für Afrika, die Region mit dem höchsten Wachstum. Wir haben es dort vielfach mit Ländern ohne professionell funktionierende Börsen zu tun; es gibt kaum liquide Titel. Über Südafrika vom hohen Wachstum des Kontinents zu profitieren ist daher unserer Meinung nach die beste Strategie. Wir finden in dem Land gut geführte Unternehmen auf Industrieländerniveau, die für das Wachstum in den benachbarten Ländern sehr zukunftsträchtig aufgestellt sind.- Können Sie Beispiele nennen?Das Internetunternehmen Naspers, in das wir für den Ökoworld Growing Markets Fonds investieren, ist in der Region relativ prominent vertreten. Zudem hat die Gesellschaft Beteiligungen an Internetunternehmen wie der chinesischen Tencent und der russischen Mail.ru. Hinzu kommen viele kleinere Beteiligungen. Fantasie ergibt sich auch daraus, dass Naspers erwägt, diese Beteiligungen an die Börse zu bringen, um so Werte zu heben. Ein weiteres Beispiel ist das Unternehmen Clicks Group. Dieser Gesundheitstitel aus unserem Anlageuniversum ist eine südafrikanische Drogerie- und Apothekenkette mit dem erklärten Ziel, in angrenzende Länder zu expandieren. Erwähnenswert ist aus dem wichtigen Bereich Bildung auch ein weitgehend unbekanntes Unternehmen, die Curro Holding. Curro bietet der wachsenden Mittelschicht den Zugang zu sehr gut geführten Schulen an. Die Nachfrage ist aktuell so stark und das Wachstum so hoch, dass es für das Unternehmen noch nicht wichtig ist, in die angrenzenden Länder zu expandieren. Aber das ist eine Frage der Zeit.- In welchen Ländern finden Sie noch besondere Gelegenheiten?Prinzipiell finden wir als Stock Picker in allen Ländern interessante Unternehmen. Besonders leicht fällt es uns zurzeit in Indien. Premierminister Modi hat viele zukunftsweisende Reformen angestoßen. Besonders plakativ war der kurzfristig anberaumte Entzug von großen Geldscheinen. Ziel war eine Bekämpfung von Korruption und Schwarzgeld. Mit der Bargeldbeschränkung ist er auch seiner Vision, jeden Inder in das Finanzsystem zu integrieren, einen großen Schritt näher gekommen. Profiteure dieser Maßnahme sind sicherlich indische Banken.- Wie schätzen Sie die Aussichten Chinas ein?Ich kann mir vorstellen, dass es in China viel “Applaus” für Donald Trump gibt. Denn durch den Rückzug der Vereinigten Staaten aus vielen Bereichen ergeben sich für die Volksrepublik ganz neue Möglichkeiten. China gewinnt weltweit erheblich an Bedeutung. Die Industrienationen fahren, unabhängig von Trump, zu oft auf Sicht, die Chinesen verfolgen hingegen langfristige, auf Jahrzehnte angelegte Strategien. Viele Maßnahmen, die das Land ergreift, entfalten so über die Zeit Wirkungen, die anfänglich im Ausland nicht erahnt werden. Ein bekanntes Beispiel ist die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen in Afrika, zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Europäer für den Kontinent kaum interessiert haben. Ein aktuelles Beispiel ist der Einstieg von Geely bei Daimler. Kurzfristig mag eine 10 %-Beteiligung kein Problem sein, langfristig wird man wahrscheinlich einen größeren Anteil anstreben, um tiefere Einblicke und mehr Einfluss zu erhalten. Die chinesische Regierung kann zudem Dinge umsetzen, die in Europa nicht machbar sind. So gibt es beispielsweise eine Teststrecke, auf der Verkehrsteilnehmer, die zu schnell fahren, über Gesichtserkennung unmittelbar einen Bußgeldbescheid mit Zahlungsaufforderung auf ihr Handy erhalten. Geben sie eine Bestätigung ein, wird das Geld automatisch abgebucht. Aus Datenschutzgründen ist das heute in Europa, glücklicherweise, nicht vorstellbar. Es ist jedoch zu befürchten, dass man wie bei vielen anderen Themen auch hier Aufweichungen vornimmt. – Welche Länder schauen Sie sich besonders an?Zum Beispiel Vietnam. Ich werde das Land demnächst bereisen und dort Unternehmen besuchen. Die heimische Börse ist allerdings noch recht klein und die Anzahl der notierten Aktien überschaubar. Zudem ist die Handelsliquidität nicht besonders hoch, was Investments generell erschwert. Viele Unternehmen stecken hinsichtlich ihrer Entwicklung auch noch in den Kinderschuhen, was auf der anderen Seite die Perspektive besonders spannend macht. Als Pionier der nachhaltigen Geldanlage legen wir auch großen Wert darauf, den Unternehmenslenkern, speziell zu den Themen Berichterstattung und Nachhaltigkeit, eine Idee der internationalen Anforderungen zu vermitteln.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.