Schwere Dämpfer für China-Aktien

In Schanghai und Hongkong hält der Bärenmarkt Einzug - Geldspritze der Zentralbank ohne Wirkung

Schwere Dämpfer für China-Aktien

Chinas Aktienmärkte gehen ins Bärenterritorium über. An der Börse Schanghai ist der Leitindex am Donnerstag um weitere 3,2 % auf 2 880 Punkte gefallen. Damit schloss der Shanghai Composite unter dem zum Höhepunkt des letztjährigen Aktienmarkt-Crashs erreichten Niveau. In immer heftigere Mitleidenschaft gerät der Hongkonger Aktienmarkt.Von Norbert Hellmann, SchanghaiAuf dem chinesischen Festland wie auch in Hongkong wirkt das Anlegervertrauen heftig angeknackst. Obwohl die jüngsten Wirtschaftsdaten aus China die Angst vor einer “harten Landung” lindern, bringt dies nicht die allgemein erwartete Rally. Im Gegenteil hat sich das Sentiment noch deutlich eingetrübt, weil die Anleger weder einen Verlass auf weitere Leitzinssenkungen noch auf stützende Eingriffe des chinesischen Staates im Aktienmarkt sehen.Am Donnerstag etwa war der Shanghai Composite zunächst fester gestartet, wurde dann aber vom weiteren Kursverfall in Hongkong gebremst. Als am Nachmittag ersichtlich wurde, dass es keine konzertierten Stützungskäufe staatlicher Stellen geben würde, fiel der Index in der letzten Handelsstunde wie ein Stein und verlor schließlich gut 3,2 %. Damit hat der Shanghai Composite nun seit Jahresbeginn bereits 18,5 % eingebüßt. Der Abstand zu einem Mitte Dezember erreichten Hoch beträgt mittlerweile 22 %, man kann also von einem Bärenmarkt sprechen. Wie sehr das Anlegervertrauen angeknackst ist, zeigt allein die Tatsache, dass der gestrige Knick vor dem Hintergrund einer massiven Geldmarktspritze der chinesischen Zentralbank erfolgte. Liquiditätseinschuss verpufftIn der Regel werden größte Liquiditätsinjektionen der People’s Bank of China (PBOC) via Offenmarktgeschäfte von den Anlegern mit Begeisterung quittiert. Am Donnerstag brachte die PBOC mit sogenannten Reverse Repos zunächst rund 400 Mrd. Yuan (rd. 56 Mrd. Euro) mit kurzfristigen Transaktionen ein und legte dann mit mittelfristigen Geldmarktfazilitäten über weitere 350 Mrd. Yuan nach. Allein in dieser Woche hat die Zentralbank damit über 1,5 Bill. Yuan, also etwa 210 Mrd. Euro, an frischen Mitteln ins Bankensystem eingeschossen, doch hat dies am Aktienmarkt überhaupt keinen Eindruck gemacht. Dies liegt möglicherweise aber auch daran, dass die PBOC mit der im Markt erwarteten Rücknahme der Mindestreservesätze für Geschäftsbanken geizte, und damit einer Maßnahme, der ähnliche Liquiditätsfreisetzungseffekte wie den Offenmarktgeschäften zugebilligt werden, die aber noch plakativer wirkt.Auch wenn gegenwärtig nicht mit einer drastischen Konjunkturverschlechterung zu rechnen ist, beginnen sich die China-Ökonomen Sorgen über mögliche Rückkoppelungseffekte zu machen, bei denen weitere kräftige Kursverluste an den von Kleinanlegern dominierten chinesischen Börsen auf die Vermögensdispositionen der Privaten und damit auch auf das Konsumvertrauen durchschlagen. Der heftige Börsen-Crash vom Sommer letzten Jahres, als der Shanghai Composite zwischen Mitte Juni und Ende August rund 43 % verlor, hatte erstaunlich geringfügige gesamtwirtschaftliche Beeinträchtigung mit sich gebracht. Allerdings erlebte man damals in erster Linie das Platzen einer heftigen Spekulationsblase, nachdem der Shanghai Composite zur Juni-Mitte binnen Jahresfrist um über 150 % zugelegt hatte.Sollte es jetzt allerdings zu einer weiteren Korrektur kommen – der amerikanische Aktienguru Tom DeMark etwa rechnet mit einem Abstieg beim Shanghai Composite in den kommenden Wochen um weitere 10 bis 15 % auf ein Niveau bei 2 500 bis 2 600 Punkten -, könnte es stärker an Eingemachte gehen, befürchten Marktteilnehmer. In ein ähnliches Horn stoßen auch die China-Ökonomen der Ratingagentur Standard & Poor’s (S & P). Dort wird vor “erheblichen Risiken für den chinesischen Finanzsektor” gewarnt. Ein Einbruch wichtiger Vermögenswerte in China könne die Wirtschaft und den Finanzsektor destabilisieren, wenn keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen würden, um das Vertrauen der Investoren zu erhalten, hieß es in einem S & P-Kommentar am Donnerstag.Lange Gesichter sieht man auch an der Hongkonger Börse, wo sich die Abverkaufswelle trotz bereits moderater Bewertungsverhältnisse intensiviert. Am Donnerstag verlor der Hang-Seng-Index 1,8 % auf 18 542 Punkte. Damit beträgt der Verlust im neuen Kalenderjahr nun bereits über 15 %. Im Gegensatz zu den chinesischen Festlandbörsen, wo man trotz der scharfen Korrektur der letzten Wochen noch immer sehr ambitiöse Kurs-Gewinn-Verhältnisse bei dem Gros der in Schanghai und Shenzhen notierten Werte vorfindet, wirkt der Hongkonger Markt mittlerweile “überkorrigiert”. Hang Seng niedrig bewertetSo hat der Hang-Seng-Index erstmals seit der globalen Finanzkrise wieder ein Niveau erreicht, bei dem Aktien im Durchschnitt auf ein Gewinn-Buchwert-Verhältnis (Price to Book Ratio) von unter 1 kommen. Den an der Hong Kong Exchanges notierten Blue-Chip-Unternehmen wird also im Mittel ein Marktwert zugebilligt, der unter dem Buchwert ihrer Nettoaktiva liegt. Dies sollte zwar als Kaufsignal verstanden werden, solange jedoch die Märkte auf dem Festland fallen, gibt es kaum Chancen für die Hongkonger Titel, sich von dem Trend abzukoppeln und die fundamentale Bewertungslücke wieder zu schließen.