Schwieriges Umfeld für Postaktien
Der Paketbote klingelt zwar immer öfter, Briefträger haben aber immer weniger zu tun. Auf die großen Veränderungen in der Branche reagieren europäische Postkonzerne ganz unterschiedlich. Für Anleger gibt es einer Studie der kanadischen Investmentbank RBC Capital Markets zufolge kaum Chancen.Von Anna-Maria Borse, FrankfurtE-Mail, Whatsapp, Facebook Messenger – Briefe werden kaum noch geschrieben. Dafür boomt durch den wachsenden Online-Handel das Paketgeschäft, allerdings ist hier die Konkurrenz auch viel größer als bei den Briefen. In Deutschland haben zuletzt Pläne von Amazon, auch die Zustellung zu übernehmen, für Furore gesorgt. Für Postunternehmen sind es aktuell daher keine leichten Zeiten.Wer nach Chancen sucht, sollte nach Ansicht von RBC Capital Markets weniger auf die aktuellen Ausblicke der einzelnen Unternehmen schauen als vielmehr den Blick in die fernere Zukunft lenken. Entscheidend sei nämlich, ob es den Unternehmen langfristig gelinge, sich auf die Umbrüche einzustellen. Favorit der Analysten ist die Österreichische Post, die Aktie wird in einer Studie der zur Royal Bank of Canada gehörenden Investmentbank als einzige auf “Outperform” gestuft. “Sector Perform” lautet das Votum dagegen für die Deutsche Post DHL, die belgische Bpost und die niederländische PostNL. Von der portugiesischen CTT und der britischen Royal Mail wird ganz abgeraten, die Aktien werden auf “Underperform” gestuft. Neue Erlösquellen angezapftGrundsätzlich bleiben die Aussichten für die Branche den Analysten zufolge schwierig. Sie gehen davon aus, dass die Umsätze im Briefgeschäft noch weiter fallen werden. Bis dies tatsächlich durch andere Geschäftsfelder kompensiert werden könne, etwa den Paketdienst oder Finanzdienstleistungen, werde es noch dauern. In den Aktienkursen der Unternehmen spiegle sich das mit Ausnahme der Österreichischen Post noch nicht wider.Doch es gebe auch Argumente für die Postaktien: In der aktuellen Phase mit niedrigerer Inflation und niedrigen Zinsen könnten Titel mit attraktiver Dividendenrendite bei Anlegern auf Interesse stoßen. Immerhin liegen die Dividendenrenditen bei den untersuchten Adressen zwischen 5,5 % und 6,5 %. Daher fällt das Votum der Analysten nicht noch negativer aus.Der zum Kauf empfohlenen Österreichischen Post wird ein Kurs von 42 Euro (zuvor 43 Euro) zugetraut. Die Aktie war zwischen April und September 2015 um rund ein Drittel auf unter 30 Euro gefallen, hat sich zuletzt aber etwas erholen können und notiert aktuell bei 36,08 Euro. Den Analysten ist der Kursrückgang – unter anderem Folge der Ankündigung von DHL, in Österreich mit einem eigenen Paketdienst an den Start zu gehen – zu weit gegangen. Sie rechnen zwar damit, dass der Gegenwind auch für die Österreicher heftiger werden wird, das Unternehmen sei für eine stärkere Konkurrenz im Paketgeschäft und nochmals sinkende Umsätze mittelfristig aber gut gerüstet. Möglichkeiten zu reagieren gebe es etwa in der Verbesserung der Servicequalität und Preis- und Service-Anpassungen.Die Analysten befürchten allerdings, dass eine Ausweitung der Aktivitäten in der Türkei am Markt nicht gut ankommen wird. Im Jahr 2013 hatte die Österreichische Post 25 % des türkischen Paketdienstleisters Aras Kargo übernommen. Für dieses Jahr gibt es eine Option, die Beteiligung auf 75 % aufzustocken. Die Gewinnschätzungen je Aktie bis 2017 liegen jetzt bei 2,41 statt 2,40 Euro und 2,43 statt 2,46 Euro, für 2018 wird erstmals eine Prognose abgegeben, erwartet werden 2,47 Euro. Deutsche Post herabgestuftDie Deutsche Post DHL Group wird unterdessen von “Outperform” auf “Sector Perform” zurückgestuft bei einem leicht erhöhten Kursziel (26 statt 25 Euro, aktuell 26,10 Euro). Den Analysten zufolge wird sich das Wachstum ab dem vierten Quartal 2016 erst einmal verlangsamen, zudem sei mit anziehenden Lohnkosten zu rechnen. Von steigenden Gewinnen sei daher nicht auszugehen. Erst langfristig, das heißt nach 2018, seien die Aussichten dann wieder besser: Die wachsende Mittelschicht in den Schwellenländern werde die Logistiksparte beflügeln. Beim Gewinn je Aktie rechnen die Analysten mit 1,90 Euro für 2016, 1,92 für 2017 und 1,86 Euro für 2018.Unverändert auf “Sector Perform” steht die belgische Bpost, das Kursziel wird von 22 auf 23 Euro (aktuell 24,27 Euro) angehoben. Gelobt wird die hohe Flexibilität des Unternehmens, etwa bei der Preisgestaltung. Im Auge behalten werden müssten mögliche Zukäufe. Die Aktie gehöre ins Portfolio, viel Potenzial sehen die Analysten aber nicht. Zudem könne der belgische Staat, der noch die Mehrheit an Bpost hält, Anteile verkaufen, was den Kurs belasten könne. Die Ergebnisschätzungen werden für 2016 von 1,57 auf 1,60 Euro je Aktie erhöht, für 2017 aber von 1,65 auf 1,62 gesenkt, für 2018 werden ebenfalls 1,62 Euro prognostiziert.Auch für die niederländische PostNL lautet das Votum “Sector Perform”, das Kursziel liegt bei 3,90 Euro (aktuell 3,68 Euro). Die Zahlen zum ersten Quartal, die am 9. Mai veröffentlicht werden sollen, könnten zwar positiv überraschen. Auch gehen die Analysten davon aus, dass das Unternehmen ab dem kommenden Jahr wieder eine Dividende zahlen wird. Mittelfristig sei die Umsatzentwicklung aber noch gefährdeter als bei den Konkurrenten, die Risiken seien entsprechend hoch – allerdings auch die Chancen. Die Gewinnschätzungen liegen bei 0,30, 0,41 und 0,43 Euro je Aktie bis 2018.Abgeraten wird von CTT, das Kursziel wird vor dem Hintergrund der Gesamtjahreszahlen für 2015 auf 7,40 Euro (aktuell 8,11 Euro) gesenkt. Zwar habe sich das portugiesische Unternehmen wie kein anderes um Diversifizierung bemüht, zudem hätten sich die Umsatzrückgänge verlangsamt, die Analysten sehen aber Risiken für die Ergebnisse im kommenden Jahr. Erst ab 2018 werden Gewinne aus dem Bankgeschäft erwartet. Je Aktie rechnen die Analysten jetzt mit einem Ergebnis von 0,53 statt 0,55 Euro für 2016, 0,56 statt 0,59 für 2017 und 0,68 für 2018.Auch die britische Royal Mail wird nicht empfohlen, das Kursziel wird bei 445 Pence (aktuell 482 Pence) gesetzt. Vorteilhaft auswirken könnten sich das zuletzt schwächere Pfund, nachteilig aber überzogene Gehaltserhöhungen nach den anstehenden Verhandlungen mit der Gewerkschaft und zusätzliche Zuschüsse des Unternehmens für die Betriebsrenten. Für den Gewinn je Aktie werden 28 Pence für das Geschäftsjahr 2015/2016, 29 Pence für 2016/2017 und 33 Pence für 2017/2018 erwartet. Amazon-Pläne überbewertetBezüglich der Deutschen Post DHL gab es zuletzt eine ganze Reihe von positiven Analystenstimmen, so rieten neben RBC Capital Markets in den vergangenen Wochen auch Baader Bank, Commerzbank, Equinet, Morgan Stanley, Goldman Sachs und Warburg Research zum Kauf. Die Baader Bank hat nach einer Investorenveranstaltung in der Schweiz die “Buy”-Einstufung mit einem Kursziel von 29 Euro bestätigt. Die Konkurrenz durch Paketauslieferungszentren von Amazon werde überbewertet, heißt es. Das vergangene Jahr sei ein Übergangsjahr für die Deutsche Post gewesen, das der Konzern genutzt habe, um sich für das Erreichen der 2020er-Ziele zu positionieren.Die Commerzbank hat die Deutsche Post DHL auf “Buy” mit einem Kursziel von 32 Euro belassen. Auch sie hält die Sorgen wegen der jüngsten Geschäftspläne von Amazon für übertrieben. Equinet hatte die Einstufung für die Deutsche Post nach Begebung von Anleihen im Wert von 1,25 Mrd. Euro auf “Buy” mit einem Kursziel von 30 Euro bestätigt. Begrüßt wurde, dass der Konzern das attraktive Zinsumfeld für die Refinanzierung genutzt habe. Die Deutsche Post will mit dem Geld unter anderem auch Aktien zurückkaufen.