LEITARTIKEL

SEC muss durchgreifen

Aller schlechten Dinge sind drei: Eine Woche nachdem die chinesische Everbright den Schanghaier Aktienmarkt durch eine fehlerhafte elektronische Kauforder in die Höhe getrieben und zwei Tage nachdem Goldman Sachs aufgrund einer technischen Panne den...

SEC muss durchgreifen

Aller schlechten Dinge sind drei: Eine Woche nachdem die chinesische Everbright den Schanghaier Aktienmarkt durch eine fehlerhafte elektronische Kauforder in die Höhe getrieben und zwei Tage nachdem Goldman Sachs aufgrund einer technischen Panne den Optionsmarkt mit Orders geflutet hatte, hat am Donnerstag ein Software-Problem den Handel an der New Yorker Börse Nasdaq stundenlang lahmgelegt und damit an den amerikanischen Aktien-, ETF- und Optionsmärkten für Chaos gesorgt. Drei heftige Pannen im Börsenhandel innerhalb eines derart kurzen Zeitraums mögen zwar Zufall sein. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem im US-Börsenhandel einiges im Argen ist. Denn die Vorfälle bei Goldman und der Nasdaq sind nur ein weiterer Höhepunkt in einer mittlerweile viel zu langen Liste von Aussetzern, die das Image der Wall Street seit Anfang 2012 ramponieren.Vor allem aber zeigt sich erneut deutlich, wie sehr das Risiko gestiegen ist, dass es zu einem verheerenden Unfall kommen könnte, der den Flash Crash aus dem Jahr 2010 – damals brach der Dow in Folge eines technischen Fehlers in kürzester Zeit um fast 10 % ein – oder sogar den Kurssturz vom Oktober 1987 übertrifft. Die Häufung in den beiden zurückliegenden Jahren ist jedenfalls unübersehbar: Pannen bei den IPOs von Bats und Facebook im März und Mai 2012, die Überflutung des Aktienmarkts mit Orders durch Knight Capital im Juli 2012 sowie eine Kauforder für Kraft Foods zu einem völlig überhöhten Kurs, der die Aktie im Oktober 2012 in wenigen Minuten um fast 30 % hochschnellen ließ.Die zunehmende Nutzung von Algorithmen und der stark wachsende superschnelle Handel sind neben Software-Fehlern wesentliche Faktoren, die die Vorfälle teilweise verursachen oder verschlimmern. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Automatisierung des Börsenhandels den Marktteilnehmern auch erhebliche Vorteile bringt. Sie ermöglicht eine wesentlich effizientere und kostengünstigere Abwicklung des Handels. So werden z. B. für die Abarbeitung großer Orders institutioneller Kunden mit definierten Parametern versehene Algorithmen eingesetzt, was den Personaleinsatz erheblich reduziert. Eine Rückkehr zum manuellen Handel, der im Übrigen ebenfalls alles andere als fehlerfrei war, wird niemand ernsthaft fordern. Zudem wäre es zu kurz gegriffen, nur auf die Computerisierung an sich zu schauen. Dass die Automatisierung zunehmend zu Unfällen führt, hat noch andere Ursachen. Eine davon sind unzureichende Investitionen der Handelshäuser und Börsen in Software und Infrastruktur. Mit einer Ausnahme: In den Ausbau des Hochfrequenzhandels wird kräftig investiert, etwa in Form hoher Nutzungsgebühren, mit denen ein 300 Mill. Dollar teures transatlantisches Glasfaserkabel finanziert wird. Hinzu kommt ein nicht nachvollziehbarer Mangel an Sicherungsmechanismen, die in Europa gang und gäbe sind. So wird in den USA über die Einführung von “Kill Switches”, mit denen Börsen einen Handelsteilnehmer abklemmen können, falls er fehlerhafte Orders aussendet, bisher nur diskutiert. So etwas ist z. B. bei der Eurex unter dem Namen “Stop Button” längst installiert.Nicht nur bei den Börsen, auch bei den Handelsteilnehmern muss die US-Börsenaufsicht SEC zügig durchgreifen und dafür sorgen, dass ausreichende Sicherungen eingeführt werden. Dazu zählen u.a. eine gewissen Mindestkriterien genügende Überprüfung von Handelssoftware und Algorithmen, bevor diese auf die Menschheit losgelassen werden, sowie eine effiziente Überwachung der Einhaltung von Handelslimits und automatisierte Plausibilitätsprüfungen von Kurseingaben. Darüber hinaus wäre darüber nachzudenken, entsprechende Anreize zu schaffen, d.h. Sanktionsmechanismen für Fehlverhalten. Interessant ist auch der jetzt geäußerte Gedanke, den Handelshäusern die Möglichkeit zu nehmen, Fehlorders rückabzuwickeln, sie also den entstandenen Schaden ausbaden zu lassen.——–Von Christopher Kalbhenn ——- Die SEC muss die Probleme im Börsenhandel jetzt energisch angehen. Sonst ist der Super-GAU nur eine Frage der Zeit.