„Sehr optimistische CEO können Warnsignale sein“
Im Gespräch: Prof. Alexander Hillert
„Sehr optimistische CEO können Warnsignale sein“
Der Professor für Finance and Data Science über einen neuen Index, der die Stimmung von Managern auf Grundlage von Textanalyse misst
In naher Zukunft wird Prof. Alexander Hillert einen neuen Index lancieren, für den seine Kollegen und er Texte von CEO und CFO unter anderem bei Analystenkonferenzen auswerten. Die Arbeitshypothese lautet, dass sich daraus Hinweise auf die künftige Entwicklung der Rendite am Aktienmarkt gewinnen lassen.
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
Ein neuer Index für die Stimmung von Managern in deutschen Unternehmen befindet sich in den letzten Vorbereitungen. „Wir sind im fortgeschrittenen Stadium der Auswertung“, berichtet Prof. Alexander Hillert, Professor für Finance and Data Science am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE in Frankfurt, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Der Index geht bald live.“
Anders als andere Barometer fußt dieser neue Index nicht auf Umfragen in Chefetagen. Vielmehr bereiten Hillert und seine Kollegen einen Index vor, der auf Basis von Textanalyseverfahren die Stimmung von Vorstandsmitgliedern deutscher Unternehmen misst. Zu diesem Zweck werten sie die Texte von Quartals- und Jahresabschlüssen und die Protokolle von Analystenkonferenzen aus – inklusive der Frage/Antwort-Runden von CEO und CFO mit den Analysten.
Positive und negative Wörter werden gezählt
Konkret schauen sich die Wissenschaftler an, wie positiv oder wie negativ dort Manager sprechen. „Wir verwenden einen einfachen, nachvollziehbaren Ansatz“, erläutert Hillert. Es gebe zwei sehr populäre Begriffslisten von zwei US-Forschern, Tim Loughran und Bill McDonald. Sie haben typische Begriffe, die in der Unternehmensberichterstattung verwendet werden, soweit möglich in die Kategorien positiv und negativ eingeteilt, etwa „Verlust“, „Umsatzrückgang“ oder „Wertminderung“ ins negative Fach. „Wir zählen in jedem Text positive und negative Wörter, bilden die Differenz und teilen das Ganze noch durch die Textlänge“, erklärt der Professor am Frankfurter Forschungszentrum SAFE. Die Daten werden über einen Monat hinweg aggregiert, um daraus eine Kennzahl zu ermitteln, die die Gesamtstimmungslage widerspiegele.
Inspiriert sei der Index durch ein Forschungspapier in den USA. Dessen These laute: Der Index der Managerstimmung ist ein vorlaufender Indikator für Marktentwicklungen. Bemerkenswerterweise sei es so, dass dabei mehr Optimismus heute mit niedrigeren Renditen in der Zukunft einhergehe. „In anderen Worten: Sehr optimistische CEO können Warnsignale sein“, mahnt der Hochschulforscher.
Manager überinterpretieren den Status quo
Der womöglich auf den ersten Blick überraschende Zusammenhang habe damit zu tun, dass Manager oft dazu neigten, übermäßig optimistisch oder pessimistisch zu sein. In einer Phase hochgradigen Optimismus bestehe das Risiko, dass diese Manager zu viel investierten und Überkapazitäten aufbauten, was die Gewinne zurückgehen lasse. „Daraus folgen dann niedrigere Renditen am Aktienmarkt“, argumentiert Hillert.
Manager stünden in der Gefahr, Entwicklungen überzuinterpretieren. Beispiel Pandemie: Da seien Luftverkehrsvorstände davon ausgegangen, dass sich die Nachfrage absehbar nicht erholen würde. Deshalb hätten sie in großem Umfang die Kapazitäten gekürzt. Dann aber wollten Menschen doch wieder fliegen, und zwar schneller als erwartet.
Dax, MDax, SDax und TecDax
„Unser Projekt will diese These aus den USA nun für Deutschland weiterentwickeln“, kündigt Hillert an. Gegenstand der Auswertungen seien die Aktien, die im Dax, im MDax, im SDax und im TecDax gelistet sind oder irgendwann in den vergangenen 20 Jahren notiert waren. Die Auswertungen beginnen 2003, denn seither seien diese Mitschriften aus Analystenkonferenzen verfügbar. Auf Basis der historischen Datensätze wurden voriges Jahr erste Analysen erstellt. „Dabei haben wir Hinweise entdeckt, dass die These aus den USA auch für den deutschen Markt plausibel scheint“, betont der Ökonom. Seit Frühjahr 2024 werden monatlich aktuelle Daten aggregiert und daraus der Index aktualisiert.
Das SAFE biete dem Projekt eine sehr gute Infrastruktur. So seien die Daten auf Basis der Transkripte der Analystenkonferenzen, die von Refinitiv zur Verfügung gestellt werden, ein wichtiger Input für den Index. „Die Goethe-Universität und das SAFE bieten hierzu ausgezeichnete Zugänge“, so Hillert. Das SAFE könne das Projekt zudem bei der Weiterentwicklung des Index über Large-Language-Modelle unterstützen, da es Hochleistungsrechner gebe. „Was das SAFE auszeichnet, ist ein breites Datenangebot, eine gute Infrastruktur hinsichtlich der Rechnerkapazitäten und hervorragende Kolleginnen und Kollegen, mit denen sich die Projektmitarbeiter austauschen können.“
Künstliche Intelligenz spiele „natürlich eine Rolle, aber keine zentrale“. In der bisherigen Fassung werde die Ermittlung des Index durch automatisierte IT unterstützt. „Aber wir halten es simpel“, stellt Hillert klar und fügt zugleich an: KI könne selbstverständlich in der Weiterentwicklung des Index eine größere Rolle spielen, um die Stimmung noch feiner zu messen.