IM INTERVIEW: JEAN-PHILIPPE DONGE, BANQUE DE LUXEMBOURG INVESTMENTS

Senegal und Marokko gelten als Favoriten

Zu den Top-Positionen des Fondsmanagers in den Emerging Markets gehören auch Rumänien und Indonesien - Emirates Telecom als interessanter Kandidat

Senegal und Marokko gelten als Favoriten

Im Universum der Schwellenländer hält Fondsmanager Jean-Philippe Donge von der Banque de Luxembourg Investments Anleihen von Senegal und Marokko für interessant. Denn diese Länder würden eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber den Entwicklungen in den USA zeigen. Zurückhaltung ist laut Donge derzeit bei Venezuela und dem Libanon angebracht.- Herr Donge, wir leben in einem Umfeld von Null- und Negativzinsen. Glauben Sie, dass dieses Umfeld auch in den kommenden Jahren Bestand haben wird?In der Tat sind die Zinsen beziehungsweise Bondrenditen in Europa vergleichsweise niedrig beziehungsweise nicht allzu weit über ihren historischen Tiefs. In den USA haben wir aber schon einen gewissen Renditeanstieg gesehen. Das bedeutet, dass wir es mit zwei unterschiedlichen Zinsumgebungen zu tun haben. Betrachten wir die Emerging Markets, finden wir wiederum ein anderes Umfeld vor. Hier liegen die Renditen der Staatsanleihen zumeist im Bereich von 4 % bis 5 %. Sie sind also recht hoch im Vergleich zu den entwickelten Märkten. Die Situationen unterscheiden sich also in den jeweiligen Regionen: In den USA gab es bereits einen Leitzins- beziehungsweise Bondrenditeanstieg, und in Europa haben wir uns von den historischen Tiefs abgesetzt. Es hat aber nur ein sehr moderater Anstieg stattgefunden.- Wird sich dieser Trend fortsetzen?Den Trend, der eingesetzt hat, erachte ich als wichtiger als das absolute Niveau, das wir erreicht haben. In Europa ist es noch nicht so hoch wie in den USA, in den Emerging Markets ist es weitgehend unverändert geblieben. Die Renditen werden aber nicht mehr die Niveaus der achtziger Jahre erreichen. Wir befinden uns derzeit in einer Übergangsphase hin zu etwas höheren Renditen und gehen davon aus, dass die US-Renditen weiter anziehen.- Und in der Eurozone?Das wird davon abhängen, ob die vielfach erwartete Rezession in den USA auch tatsächlich einsetzt. Damit ginge dann auch eine geringere Inflation als erwartet einher. Und es hängt auch davon ab, wie sich das Quantitative Tightening in Europa entwickeln wird. Sollte die Rezession in den USA tatsächlich kommen und die Inflation geringer ausfallen, sollten wir das auch in der Eurozone spüren. Das Ergebnis wäre ein abgebremster beziehungsweise gedeckelter Renditeauftrieb.- In den USA verflacht die Renditestrukturkurve immer mehr. Sie ist derzeit so flach wie seit mehr als einer Dekade nicht mehr. Eine flache Zinskurve signalisiert schwächeres Wachstum, eine inverse Kurve war bislang ein verlässliches Signal für eine Rezession. Wie ist es dieses Mal: Ist die Zinskurve noch ein verlässlicher Signalgeber für realwirtschaftliche Entwicklungen?Wir sind bei der US-Kurve derzeit noch bei einem Abstand von guten 20 Basispunkten im zwei- bis zehnjährigen Laufzeitenbereich und damit nahe null. Es ist tatsächlich so, dass wir bei diesen Zinskurvenformationen immer ein paar Quartale später auch die Rezession gesehen haben. Wir müssen aber auch noch andere Faktoren berücksichtigen. Wenn man sich den Spread zwischen drei Monaten und zehn Jahren Laufzeit in den USA ansieht, dann wird in diesem Bereich der Kurve keine Rezession angezeigt. Die Kurve gibt also unterschiedliche Signale, je nachdem, welchen Kurvenbereich man zugrunde legt. Wir müssen uns verständlicherweise auch die Realwirtschaft ansehen. Das Quantitative Tightening wird einen Einfluss auf die Realwirtschaft haben. Die Arbeitslosigkeit ist gering, und deshalb könnte die Inflation in den USA über höhere Löhne weiter steigen. Damit würde dann auch die Zinskurve wieder steiler werden.- Werfen wir einen Blick auf die Eurozone. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich Ende des Jahres die Bondkäufe auslaufen lassen. Die Leitzinsen werden über den Sommer 2019 hinaus auf den aktuellen Niveaus bleiben. So hat die EZB es angekündigt. Was erwarten Sie für 2019 und 2020 für die Reinvestments aus dem Bondportfolio der EZB? Sehen Sie dadurch einen nachhaltigen Markteinfluss?Der Markt stellt sich darauf ein, dass die Kupons und die Nominale auslaufender Bonds reinvestiert werden. Genauer Zeitpunkt und Umfang beziehungsweise Struktur dieser Reinvestitionen sind die Unbekannten. Vielleicht sollte sich der Markt auch darauf einstellen, dass quantitative Instrumente der Geldpolitik zur neuen Norm werden und der Leitzins etwas in den Hintergrund rückt. Der Umfang dieser Reinvestitionen wird verständlicherweise auch von der Verfassung der Eurozonenkonjunktur abhängen. Und dieser Zustand hängt wiederum davon ab, ob es Schockwellen aufgrund des US-Handelskrieges mit China und anderen Ländern geben wird. Wir gehen aber davon aus, dass die Reinvestitionen von Kupons und Nominalwerten, wie immer das System letzten Endes auch aussehen wird, einen spürbaren Markteinfluss zeigen werden. Das gilt allein schon für das Timing und die Ankündigungseffekte der Reinvestments.- Wie sieht die Investmentphilosophie Ihres Fonds BL-Bond Emerging Markets aus?Der Fonds richtet sich nicht an Versicherer oder Pensionsfonds, sondern an private Investoren, die zumeist einen Anlagehorizont von um die fünf Jahre haben. Viele von ihnen wollen ihr eingesetztes Kapital also nach rund fünf Jahren zurückhaben, manche agieren mit zehn Jahren Anlagehorizont. Das müssen wir in dem Fonds berücksichtigen. Dann müssen wir uns im Markt umsehen, welche Assets für diesen Horizont überhaupt in Frage kommen. Der Fonds ist kein risikoloser Fonds, und wir haben es mit einer sehr heterogenen Anlageklasse zu tun. Das reicht von Venezuela als risikoreicher Emittent bis hin zu China als weniger risikoreiche Adresse. Unser Hauptfokus liegt aber auf Investment-Grade-Emittenten. Wir zielen in unserem Portfolio auf ein niedriges Risiko im Hinblick auf die Kapitalbindungsdauer, also eine geringe sogenannte Duration, was wiederum die Volatilität reduziert. Das Fremdwährungsrisiko wird ebenfalls gering gehalten. Unsere Investoren legen ihre Gelder auf Euro-Basis an, und das Portfolio wird bei Dollar-Anlagen oder Lokalwährungsanleihen demzufolge entsprechend abgesichert.- Sind die Emerging Markets ausreichend vorbereitet auf höhere Zinsen in den USA und in der Eurozone, oder werden Kapitalabflüsse aufgrund der höheren US-Zinsen zu einem Problem für die Schwellenländer?Die Emerging Markets als ein Block von Ländern zeigen per se eine Reaktion auf die Politik der Fed und die Entwicklung des Dollar. Es gibt hier aber sehr unterschiedlich ausgerichtete Länder. Manche sind stärker rohstoffabhängig als andere. Wir haben es mit unterschiedlichen Ratingkategorien zu tun. Und wir haben Länder, die mit großen Problemen zu kämpfen haben, wie etwa Venezuela. Andere Länder haben glanzvolle Zeiten erlebt wie Brasilien und haben dann wieder Probleme gehabt. Sie reagieren alle sehr unterschiedlich auf das, was in den USA passiert. Wir sehen durchaus noch die Gefahr, dass einige Emittenten darunter leiden, also mit Spread-Ausweitungen konfrontiert werden, andere werden diesem Risiko nicht ausgesetzt sein.- Wer zählt denn zu den Verlierern?Diejenigen Emittenten, die ihre Bonds in Dollar emittieren und keinen Markt für Lokalwährungsanleihen geschaffen haben, werden leiden. Rohstoffexportierende Länder mit schwachen Kapitalmärkten zählen ebenfalls zu den Verlierern. Dazu gehören einige afrikanische Staaten. Interessante Gelegenheiten tun sich in Asien mit Vietnam und Sri Lanka auf. Hier entwickeln sich die Märkte, und beide Länder setzen verstärkt auf das verarbeitende Gewerbe. Sie sind auch mehr von der chinesischen Wirtschaft abhängig. Wobei bei China nun natürlich die Auswirkungen des US-Handelskrieges abzuwarten bleiben.- Nach welchen Kriterien wählen Sie EM-Emittenten für das Portfolio aus?Wir verfolgen einen makroökonomischen Ansatz und sehen uns damit die traditionellen Kennzahlen an, insbesondere von dynamischen Staaten, die von fiskalischen und geldpolitischen Anreizen profitieren. Sie sollten eine solide Zahlungsbilanz vorweisen können. Die Wirtschaft sollte über die Zeit hinweg ein positives Momentum entfalten. Wir beginnen dann damit, die kurzen Laufzeiten der jeweiligen Emittenten in Dollar und Euro ins Portfolio aufzunehmen. Wenn uns die Performance überzeugt, dann gehen wir auch in die lokalen Währungen. Wir sehen dann, ob wir das hedgen oder in manchen Portfolios auch eine offene Währungsposition fahren. Wichtig ist darüber hinaus, dass es genügend liquide Papiere im Markt gibt.- Was sind die zentralen Aspekte Ihres Bond-Portfolios?Sie haben eine geringe Kapitalbindungsdauer. Diese Duration liegt zumeist bei 3,5 bis 4 Jahren. Wir fahren also einen sehr defensiven Ansatz. Wir warten auch darauf, dass die Renditen in diesen Ländern ihren Höhepunkt erreichen. Wir hoffen, dass das im nächsten Jahr erreicht wird. Die Portfolios haben zumeist eine Cash-Quote von 10 %. Fokussiert werden Investment-Grade-Emittenten auf der Ebene des Zentralstaates. Wenn die Zinsen unserer Ansicht nach einen Hochpunkt erreicht haben, erhöhen wir auch das Risiko in Form einer längeren Duration. Und wir sehen uns dann auch Namen mit schwächerer Bonität und Papiere in Lokalwährungen an, um dann auch von bestimmten Opportunitäten in diesen Ländern zu profitieren. Im Wesentlichen sieht unser Ansatz aber Zentralstaaten mit Investment-Grade-Rating sowie kurzen Laufzeiten der jeweiligen Anleihen vor.- Wie viele Namen enthält das Portfolio derzeit?Wir liegen bei 25 bis 30 Namen, die im Portfolio enthalten sind.- Welche Emerging Markets sind Ihre Favoriten, und was sind die Gründe dafür?Das sind derzeit kleinere Emittenten wie Senegal oder Marokko. Denn diese Länder zeigen eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber den Entwicklungen in den USA. Das ist aber nicht alles, wie man an unseren Hauptpositionen sehen kann. Dazu gehört etwa Brasilien. Brasilien bietet interessante Renditen, und wir glauben nicht, dass es zu einem Kreditereignis kommen wird. China erachten wir als interessant, denn es gibt hier viele in Euro denominierte Anleihen.- In welchen Ländern vermeiden Sie derzeit Investments?Zu diesen Ländern gehören aktuell Venezuela, Libanon und der Irak. Wir sehen dort in naher Zukunft keine positiven Entwicklungen der Wirtschaft oder der Politik. In Mexiko haben wir die Positionen reduziert. Und unsere wenigen Türkei-Positionen haben wir aufgrund der Währungsentwicklung und der politischen Situation in der Zwischenzeit vollständig verkauft.- Was sind Ihre drei Top-Positionen aktuell?Dies sind Rumänien, Marokko und Indonesien.- Haben Sie auch Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets in Ihrem Portfolio?Ja, die haben wir integriert. Wir haben beispielsweise América Móvil als Single-A-Adresse. Des Weiteren gehört dazu das Unternehmen Bharti Enterprises aus Indien, das vor allem in der Telekommunikation tätig ist, aber auch in den Branchen Einzelhandel, Versicherungen, Digitalfernsehen, Immobilien und Solarenergie, oder die brasilianische Firma Vale. Vale ist auch im Auslandsgeschäft tätig und ist damit nicht so stark vom Heimatmarkt abhängig. Wenn wir 4 % oder 5 % eines bestimmten Emittenten in unserem Fondsportfolio haben wollen, sehen wir uns mitunter mit Restriktionen konfrontiert. Denn es kann durchaus sein, dass es nicht genügend Bonds für eine solche Position im Markt gibt. Wenn wir also einen bestimmten Emittenten nicht im Portfolio haben, lässt sich daraus nicht schließen, dass wir diesem Namen gegenüber abgeneigt sind. Es liegt dann an den nicht ausreichend vorhandenen Bonds. Ein weiterer interessanter Kandidat ist Emirates Telecom. Er ist mit Doppel-A minus benotet und gehört zu den Unternehmensadressen mit dem besten Rating weltweit. Die Cash-flows des Unternehmens sind international diversifiziert und kommen aus afrikanischen Ländern, Pakistan et cetera. Das Unternehmen verfügt auch über Bonds in Euro.—-Das Interview führte Kai Johannsen.