Seoul knöpft sich die Börse vor

Regierung will Firmen zu höheren Dividenden zwingen - Kospi schwächer als andere Indizes der Region

Seoul knöpft sich die Börse vor

Südkorea will die Konjunktur und den Aktienmarkt ankurbeln. Ein Teil des Maßnahmenpakets zielt auf höhere Dividenden, die über eine Strafsteuer realisiert werden sollen.Von Ernst Herb, HongkongDer südkoreanische Aktienmarkt gehört seit längerem zu den schwächsten Börsen Asiens. Seit Anfang des Jahres hat er gerade 3 % hinzugewonnen. Zum Vergleich: Die Börse in Taiwan legte um 10 % zu, der indische BSE Sensex gar um 26 %, Jakarta um 21 % und Thailand um 20 %.Zuletzt litt der Markt auch unter dem Säbelrasseln des verfeindeten Nordens, der damit in den internationalen Medien für Schlagzeilen sorgte. Die Börse Seoul reagierte auf die einmal mehr in Erinnerung gerufenen politischen Risiken auf der ostasiatischen Halbinsel mit Abgaben. Doch schlussendlich hat die Mitte August von der Bank of Korea angekündigte Senkung des Leitzinses von 2,5 auf 2,25 % die Marschrichtung vorgegeben. Die Notenbank der viertgrößten asiatischen Volkswirtschaft stellte sich mit ihrem geldpolitischen Entscheid hinter das von der Regierung am 23. Juli lancierte 40 Bill. Won (40 Mrd. Dollar) schwere Wachstumsprogramm. Die Ankurbelung der Konsumfreude ist neben der Modernisierung der Unternehmenslandschaft der Kernpunkt des Wachstumspaketes. Die Maßnahmen sind auch eine Reaktion auf den Untergang des Fährschiffes Sewol, bei dem Mitte April beinahe 300 Menschen das Leben verloren haben – die Mehrheit von ihnen Kinder. Durch diesen Schock war der Privatkonsum landesweit deutlich zurückgegangen. Das Finanzministerium hat das Wachstumsziel für das laufende Jahr von 4,1 auf 3,7 % gesenkt.Die Stimmung im Land wird auch durch den hohen Verschuldungsgrad und schlechte Unternehmensnachrichten getrübt. Nirgends anders in Fernost haben die Privathaushalte so hohe Schulden angehäuft wie in Südkorea. Darüber hinaus hat der vor allem durch seine Smartphones weltweit bekannte Mischkonzern Samsung Anfang Juli für das zweite Quartal erstmals in neun Jahren angesichts einer verschärften globalen Wettbewerbslage einen fallenden Umsatz wie auch einen rückläufigen Gewinn angekündigt. Beitrag zur KonjunkturWenn es nach dem Willen von Finanzminister Choi Kyung-hwan geht, sollen insbesondere auch die börsennotierten Gesellschaften durch höhere Dividendenausschüttungen und Löhne einen Beitrag zur Konjunkturankurbelung leisten. Das soll durch eine Strafsteuer erreicht werden, die jene Unternehmen zu entrichten haben, die weniger als 70 bis 75 % ihres Profites an ihre Teilhaber auszahlen oder als Bonus mit den Angestellten teilen. Obwohl die Vorlage erst noch vom Parlament abgesegnet werden muss und frühestens Anfang 2015 in Kraft treten wird, hat sie schon einmal Bewegung in die Börse gebracht.Der Kospi-Index, der sich in den vergangenen zwei Jahren weitgehend seitwärts bewegte, hat seit der Ankündigung des Wachstumsprogramms rund 5 % gewonnen. Die südkoreanische Börse bleibt damit trotz der Kursrally der vergangenen Tage mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Gewinnschätzungen der kommenden zwölf Monate von unter 10 deutlich tiefer bewertet als die andern regionalen Aktienmärkte. Zum Vergleich: Selbst der philippinische Markt kommt auf ein KGV von über 18.Dass Südkorea mit seinem zehnmal höheren Pro-Kopf-Einkommen als die Philippinen ein mittlerweile reifer Markt ist und vor allem wegen seiner starken Exportindustrie andere Wachstumszyklen durchläuft als das südostasiatische Schwellenland, erklärt die Diskrepanz nur teilweise. Die extrem unterschiedliche Bewertung ist vor allem auch darauf zurückzuführen, dass südkoreanische Unternehmen, was die Dividendenausschüttung angeht, wenig großzügig sind. Der Korea Stock Exchange Index bringt es gerade einmal auf eine Dividendenrendite von 1,2 % und schließt mit diesem Wert weltweit am schlechtesten ab. Hohe Reserven angehäuftDie 781 im Kospi vertretenen Unternehmen haben dagegen liquide Mittel in Höhe von 174 Mrd. Dollar angehäuft. Besonders hoch sind die Reserven der Großkonzerne wie etwa Samsung Electronics oder auch Hyundai Motors. Das ist auch ein Hauptgrund dafür, dass ausländische Anleger in den vergangenen Monaten einen Bogen um koreanische Aktien gemacht haben und lokale institutionelle Investoren, die lange fast ausschließlich nur einheimische Titel in ihrem Portfolio hielten, jetzt vermehrt ins Ausland diversifizieren.Die Regierung von Präsidentin Park Geun-hye will mit der geplanten Strafsteuer auf dividendenknausrige Unternehmen die Liquidität am Finanzmarkt erhöhen und mit den höheren Einkommen den Binnenkonsum beleben. In ähnliche Richtung zielt auch die Liberalisierung des Hypothekenwesens. So ist etwa vorgesehen, die für den Immobilienerwerb vorgeschriebenen Eigenmittelvorgaben deutlich zu senken.Von weitreichender Tragweite dürfte aber die von Park kurz nach ihrem Amtsantritt vor 18 Monaten angekündigte Reform der Unternehmenslandschaft sein. Mittel- und langfristig dürfte das auch die lokale Börse, die bis heute von den mächtigen Industriekonglomeraten – den Cheobols – dominiert wird, grundlegend verändern. Zukünftig sollen kleine und mittelgroße Unternehmen, die das Rückgrat von modernen Volkswirtschaften sind, eine größere Rolle spielen. Sie glänzen dank ihrem großen Wachstumspotenzial am Aktienmarkt meist auch besonders stark. Durch die laufende Restrukturierung der Schiffsbauindustrie ist das teilweise bereits Wirklichkeit geworden. Doch es wird Zeit kosten, bis all die makroökonomischen Maßnahmen und unternehmerischen Reformen auch Wirkung zeigen. Die Großbank HSBC empfiehlt denn auch vorerst weiter eine Untergewichtung koreanischer Aktien.