Schwellenländerwährungen

Sind Carry Trades das Gebot der Stunde?

Im aktuellen Umfeld könnten Carry Trades für Investoren ein geeignetes Mittel sein, um ansprechende Renditen zu erzielen.

Sind Carry Trades das Gebot der Stunde?

Von Xueming Song*)

Der Dollar hat seit dem letzten Sommer stark gegen Euro und andere Währungen aufgewertet, nun scheint er eine Pause einzulegen. Sehen wir jetzt das Comeback des Euro? Für einen stärkeren Euro scheint es noch etwas zu früh, denn es gibt immer noch viele Faktoren, die belastend wirken, wie z.B. der Ukraine-Krieg, die hohen Energiepreise und das schwache Wachstum. Was können Investoren nun tun, um eine befriedigende Rendite zu erzielen? Es ist naheliegend, dass das Augenmerk der Investoren sich wieder auf Währungen richtet, die eine hohe Rendite abwerfen. Sind Carry Trades also das Gebot der Stunde?

Niedrige Vola erforderlich

Carry Trades sind häufig eingesetzte Investitionsstrategien, nicht nur bei Währungen, sondern vor allem bei Anleihen. Um erfolgreich zu sein, setzt diese Strategie jedoch voraus, dass die Marktvolatilität für ausreichend lange Zeit niedrig bleibt, so dass die hohe Rendite zur Geltung kommen kann. Drei Aspekte müssen zusammenspielen: niedrige Volatilität, relativ langer Zeithorizont und hohe Rendite.

Die Marktvolatilität ist seit dem vergangenen Herbst gestiegen, nachdem die US-Notenbank Fed die Inflation nicht mehr als „transitorisch“ ansah und die Märkte deutliche Zinserhöhungen einpreisten. Durch den Ukraine-Krieg wurden die Inflationsaussichten zusätzlich befeuert, so dass die Zentralbanken in Europa und Amerika unter verstärkten Druck kamen, energisch zu handeln. Bei einer Inflationsrate um 8% jenseits des Atlantiks könnte man meinen, dass der Höhepunkt langsam erreicht ist. Schließlich könnte sich der Getreidepreis mit der neuen Ernte auf der nördlichen Halbkugel in den kommenden Monaten etwas stabilisieren. Zudem könnte Basiseffekte inflationsmildern wirken. Man könnte also erwarten, dass kein zusätzlicher Druck auf die Zentralbanken aufgebaut wird. Etwas Beruhigung auf dem Finanzmarkt wäre die Folge. Ein Risikofaktor bleibt die Entwicklung des Ölpreises. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass der Preis vom jetzigen Niveau aus noch weiter stark steigt.

Brasilianisches Problem

Hohe Renditen bei Staatsanleihen weisen momentan schon viele Länder auf, hauptsächlich jedoch Schwellenländer. Sie waren auch die Ersten, deren Zentralbanken mit Zinserhöhungen anfangen mussten. Als die Zentralbank Brasiliens im März 2021 den Zinssatz um 75 Basispunkte erhöhte, dachte die Finanzgemeinschaft noch, dass steigende Inflationszahlen nur ein brasilianisches Problem seien. Doch im Sommer folgten schon die ersten osteuropäischen Länder, allen voran Tschechien, und weitere lateinamerikanische Länder, die im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen erhöhten. Diese Länder haben schon eine weite Strecke im Zinserhöhungszyklus hinter sich. So hat Brasilien die Zinsen schon auf 12,75% angehoben und in Polen sind die Zinsen seit Oktober auf sechs Prozent gestiegen. Bei einigen ausgewählten Schwellenländern sieht das aktuelle Renditeniveau von zweijährigen Staatsanleihen attraktiv aus. Da die großen lateinamerikanischen und osteuropäischen Zentralbanken die Zinsen sehr früh und stark angehoben haben, ist der Bedarf für weitere starke Zinsanhebungen wahrscheinlich nicht mehr gegeben. Das könnten in den kommenden Monaten zu einer Beruhigung an den Finanzmärkten führen.

Faire Bewertung

Um eine Währungsposition aus Carry-Trade-Gründen einzugehen, ist ferner zu prüfen, ob die betreffende Währung auch fair bewertet ist. Dazu werden in der Regel die Parameter reale Wechselkurse und Kaufkraftparität herangezogen. Für die meisten Länder werden regelmäßig Daten von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und dem Internationale Währungsfonds veröffentlicht. Demnach sind die meisten Währungen aus Osteuropa und Lateinamerika fair bewertet, nur die tschechische Krone bildet eine Ausnahme: Sie ist stark überbewertet.

Heterogene Länder

Anders als die Industrieländer sind die Schwellenländer aber sehr heterogen, d.h., die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen ebenfalls besonders genau berücksichtigt werden. So liegt in Tschechien die Rendite zweijähriger Staatsanleihe nur bei 6%, obwohl die Inflation 16% erreicht hat. Demgegenüber liegt in Brasilien die Inflation bei 11,7%, die Rendite von zweijährigen Staatsanleihen jedoch bei 13,1%. Ist der Finanzmarkt nun völlig ignorant? Nein, die tschechische Zentralbank ist eine unabhängige und zuverlässige Institution, während man das von der brasilianischen Zentralbank nicht unbedingt behaupten kann. Anzumerken ist auch, dass der brasilianische Real relativ stark ist, da der Markt einen Wahlsieg Lulas im Oktober eingepreist hat, der dann den jetzigen Präsidenten Bolsonaro ersetzen könnte. Unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte ergeben sich fünf mögliche Kandidaten für Carry-Trades: Polen, Tschechien, Südafrika, Mexiko und Chile.

Was sind die möglichen Risiken für so eine Carry-Strategie? Auch wenn der Finanzmarkt aggressive Zinserhöhungen durch die US-Fed und die Europäische Zentralbank eingepreist hat, gibt es hohe Unsicherheiten bezüglich der Entwicklung der Renditen in den USA und in Euroland.

Kapitalabflüsse möglich

Bei einem unerwartet starken Anstieg der Renditen ist zu erwarten, dass vermehrt Kapital in Richtung USA oder Euroland fließen würde, was zu einer Abwertung der Währungen aus den Schwellenländern führen könnte. Nicht auszuschließen ist auch, dass der Aktienmarkt aus Angst vor einer möglichen Rezession stark korrigiert. Das wäre ebenfalls abträglich für eine Carry-Strategie.

*) Xueming Song ist Chief Currency Strategist der DWS.

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