Smart Cities als Kurstreiber
Innovative Mobilitäts- und Verkehrssysteme, Wohnen in “Active Houses”, Online-Klicks statt Behördengängen: An vielen Orten der Welt wird derzeit an Smart-City-Konzepten gefeilt. Die DZ Bank hat in einer Studie untersucht, wer von den europäischen Investitionsgüterkonzernen in Bezug auf Smart Cities besonders gut dasteht.amb Frankfurt – Die Städte der Zukunft werden smart sein – effizienter, fortschrittlicher und nachhaltiger, und zwar dank intelligenter Energiekonzepte, Bauweisen, Mobilität und Infrastruktur. Die DZ Bank hat in einer Studie analysiert, welche europäischen Investitionsgüterkonzerne von diesem Trend profitieren werden, und rät insbesondere zu Siemens, aber auch zu Schneider Electric, Schaltbau, Norma Group und neuerdings auch zum Softwareentwickler PSI.Die Bank geht davon aus, dass das Thema Smart City in den kommenden Jahren immer wichtiger werden wird, und empfiehlt eine frühzeitige Auseinandersetzung damit. Die Analysten sind überzeugt: Selbst wenn es 2019/2020 zu einer temporären globalen Marktabschwächung komme, werde sich der Smart-City-Bezug für die Unternehmen günstig auswirken, da er ein überdurchschnittliches Wachstum und steigende Margen verspreche. Das sich eintrübende Makroumfeld wird dennoch berücksichtigt: Die Experten reduzieren die Kursziele für die meisten Unternehmen etwas, diese liegen aber zum Teil immer noch weit über den derzeitigen Notierungen.Die Bank hat für die Studie umfangreiches Research betrieben, Expertengespräche geführt und Messen besucht. Sie schätzt den Gesamtmarkt Smart City 2017 in einer weiten Definition auf 1 Billion US-Dollar und erwartet global im Schnitt in den nächsten acht Jahren ein Wachstum von 10 % p. a. – über 15 % in den nächsten drei und über 5 % in den darauffolgenden fünf Jahren. “Smart Energy und Smart Mobility sollten kurz- und mittelfristig stark wachsen, Smart Building und Smart IT Infrastructure werden vermutlich einen weiteren Schub 2018 bis 2020 bekommen, bevor sich das Wachstum mittelfristig, das heißt ab 2020, verlangsamen könnte”, schreiben die Analysten. Den stärksten Rückenwind erwarten sie für die Jahre 2020 und 2021.Top-Pick ist Siemens, die Aktie wird unverändert auf “Kaufen” gestuft, der faire Wert wird allerdings etwas reduziert auf 123 Euro (zuvor 140 Euro), liegt damit aber immer noch deutlich über der aktuellen Notierung (102,40 Euro). Siemens ist der Studie zufolge mit ihren Segmenten Building Technologies, Energy Management (zukünftig zusammen unter “Smart Infrastructure”) und Mobility (nach der Fusion mit Alstom) bestens aufgestellt, um noch stärker als erwartet von mehreren Smart-City-Themen profitieren zu können. Die im Segment “Digital Factory” entwickelte Cloud-basierte industrielle IoT-Plattform “MindSphere” biete einen signifikanten Wettbewerbsvorteil für einen holistischen Ansatz für Städteinfrastrukturentwicklung (“Digital Twin”). Die Analysten schätzen den Umsatzanteil mit Smart-City-Bezug für 2017 auf etwa 26 %, bei einem Wachstum von 4 % im Jahr könne die Marge von 10,8 % auf bis zu 13,5 % 2023 steigen. “Smart Cities könnten zum wesentlichen Kurstreiber werden”, heißt es in der Studie. TransformationsprozessAbgesehen davon durchlaufe Siemens derzeit einen Transformationsprozess. Im Zuge dessen gehen die Analysten davon aus, dass die operative Gewinndynamik wieder anzieht, da Verlustbringer über die Zeit hinweg profitabel gemacht würden, und rechnen mit einem Anstieg der operativen Marge. Außerdem stützten das Aktienrückkaufprogramm und die attraktive Ausschüttungsquote die Aktie. Die Schätzungen für den Gewinn je Aktie werden für die Jahre 2018/2019 und 2019/2020 aber leicht reduziert auf jetzt 8,28 (zuvor 8,37) und 8,81 (9 Euro).Ebenfalls zum Kauf empfiehlt die Bank den französischen Konzern Schneider Electric, hier bleibt das Kursziel bei 74 (derzeit 64,28 Euro) Euro. Schneider wird als relativ reiner Smart-City-Anbieter gesehen mit einem Anteil von 75 % am Gesamtumsatz, der Trend werde dem Unternehmen somit sehr zugutekommen. Die Analysten gehen davon aus, dass die IoT-Plattform “EcoStruxure” zum wichtigsten Wachstumstreiber wird. Diese biete einen signifikanten Wettbewerbsvorteil und könne dazu beitragen, dass der margenstärkste und größte Bereich Low Voltage, aber auch Wachstumsbereiche bei Medium Voltage (Energieübertragung, Netztechnik und Smart-Grid-Anwendungen als Basis für Ausbau von Elektromobilitätsinfrastruktur) sowie Secure Power (Energie- und Kühltechnik-Datenzentren) die Gruppenprofitabilität von derzeit ca. 15 % weiter anheben werden. Die Gewinnprognosen je Aktie bleiben bei 4,48 für 2018, 4,84 für 2019 und 5,09 Euro für 2020.Auch für das Münchner Verkehrstechnikunternehmen Schaltbau Holding lautet das Votum “Kaufen”, der Aktie werden aber jetzt nur noch 29 nach bislang 35 (aktuell 22) Euro zugetraut. Schaltbau ist für die DZ Bank eine Turnaround Story, das Unternehmen profitiere von strukturell steigender Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln im Allgemeinen und Smart Cities im Speziellen. Prinzipiell könne das gesamte Produktportfolio im weiteren Sinne dem Thema smarte Mobilität zugeordnet werden, heißt es, die Experten schätzen, dass der Anteil im engeren Sinne derzeit etwa 15 % beträgt. Durch die Einführung europaweiter digitaler Standards wie ETCS (European Train Control System) könne sich der entsprechende Umsatz mehr als verdoppeln. Die Ergebnisschätzung für 2018 bleibt bei 0,67, für 2019 wird sie von 1,93 auf 1,73 und für 2020 von 2,24 auf 2,08 Euro je Aktie gesenkt.Das Kursziel für die Norma Group (“Kaufen”) wird ebenfalls etwas nach unten gesetzt, und zwar von 69 auf 61 (aktuell 51,15 Euro). Das Unternehmen für Verbindungstechnik aus dem hessischen Maintal sei mit seinen Produkten im Bereich Landschaftsbewässerung sehr gut aufgestellt, um verstärkt vom Trend zu Smart Cities profitieren zu können. Der entsprechende Ebit-Anteil werde organisch von 5 % 2017 auf 8 % 2023 steigen. Insgesamt sei das Thema Wasser ein interessanter mittelfristiger Wachstumstreiber für das Unternehmen, auch mittelgroße Akquisitionen seien möglich. Für den Gewinn je Aktie rechnet die Bank jetzt mit 3,46 statt 3,49 für 2018, 3,81 statt 3,91 für 2019 und 4,09 statt 4,20 Euro für 2020. PSI hochgestuftVon “Halten” auf “Kaufen” hochgestuft wird die Berliner PSI, die Software für Energieversorger, Industrieunternehmen und Infrastrukturbetreiber entwickelt. PSI ist der Small-Cap-Favorit der DZ Bank, die das Kursziel außerdem von 17,30 auf 20 (aktuell 16,15 Euro) anhebt. PSI sei mit einem Smart-City-Umsatzanteil von derzeit etwa 14 % gut aufgestellt, um aus dem Trend als einer der Gewinner hervorzugehen, heißt es. Die Analysten schätzen, dass der entsprechende Ebit-Anteil von 13 % 2017 auf 16 % 2023 steigen wird. Außerdem gehen sie davon aus, dass sich der Transformationsprozess vom Projekthaus zum Produktanbieter 2018 weiter fortsetzen wird. PSI werde künftig stärker wachsen und das Margenniveau durch die Migration weiterer Produkte auf die neue Softwareplattform kontinuierlich steigern. Als kurzfristige Trigger sehen sie die mögliche Anhebung des Umsatzausblicks bis 2022 und eine eventuelle Sonderdividende 2019 angesichts des 50-jährigen Firmenjubiläums. Die Gewinnprognosen je Aktie werden aber auch hier reduziert, und zwar von 0,77 auf 0,73 für 2018, von 0,90 auf 0,87 für 2019 und von 1,07 auf 1,03 Euro für 2020.