Sorgen um die Erlöse von Facebook
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Facebook gehört zu den wenigen Konzernen weltweit, deren Marktkapitalisierung fast an die 1 Bill. Dollar herankommt oder sie überschreitet. Aktuell weist der Konzern einen Börsenwert von rund 929 Mrd. Dollar auf. Wie viele der US-Technologiekonzerne ist Facebook einer der großen Krisengewinner. Binnen eines Jahres hat sich der Börsenwert um 47% erhöht, im bisherigen Jahresverlauf um etwa 21%. Damit lässt Facebook den amerikanischen Benchmark-Index S&P 500 deutlich hinter sich, hinsichtlich der Wertentwicklung 2021 aber auch den technologielastigen Nasdaq Composite, der lediglich auf einen Anstieg seit Anfang Januar von 7% kommt.
Whatsapp im Fokus
Anleger scheinen die negativen Schlagzeilen, die der Konzern derzeit mit seiner Messenger-Tochter Whatsapp macht, nicht zu stören. Dabei geht es um eine Lockerung der Datenschutzbestimmungen, die es dem Konzern nach Ansicht von Kritikern erlauben würde, die Daten seiner Nutzer besser geschäftlich zu nutzen. So bemängelt der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, dass künftig die Daten von Whatsapp-Nutzern innerhalb des Konzerns weitgehend unbeschränkt weitergegeben werden. Was Datenschützer entsetzt und bei vielen Benutzern ein Stirnrunzeln hervorruft, dürfte von den Aktionären begrüßt werden, denn es könnte sich dadurch das Ertragspotenzial des Konzerns verbessern.
Die Analysten sind jedenfalls angetan von dem Konzern. Gemäß den Angaben von Bloomberg raten nicht weniger als 49 von 58 erfassten Analysten zum Kauf der Aktie. Sechs Häuser stufen die Aktie mit „Hold“ ein und nur drei empfehlen ihren Kunden, den Titel zu verkaufen. Zumindest aus Sicht von Facebook ist also von einer Rotation des Marktes heraus aus den Technologiewerten nichts zu erkennen.
Die kollektive Weisheit der Wall-Street-Analysten veranschlagt das durchschnittliche Kursziel für die kommenden zwölf Monate mit knapp 383 Dollar. Gegenüber dem aktuellen Kursniveau wäre das ein weiterer Anstieg von rund 16%. Damit gelingt es Facebook wie auch den anderen FAANG-Konzernen, sich von der weltweit auf der Realwirtschaft nach wie vor lastenden Pandemie vollständig abzukoppeln.
Besser als erwartet
Die Ergebnisse des ersten Quartals fielen jedenfalls besser als erwartet aus. Von Januar bis März konnte der Konzern die Erlöse um fast die Hälfte auf 26,2 Mrd. Dollar steigern. Der Gewinn hat sich von 4,9 Mrd. Dollar im gleichen Vorjahreszeitraum auf 9,5 Mrd. Dollar fast verdoppelt. Auch bei der Entwicklung der Nutzerzahlen kann Facebook glänzen: Binnen drei Monaten stieg die Zahl der Nutzer, die Facebook mindestens einmal im Monat nutzen, um gut 50 Millionen auf 2,85 Milliarden. Knapp 1,9 Milliarden Menschen nutzen die Plattform täglich. Auf mindestens eine App des Konzerns, dazu gehört neben Whatsapp auch Instagram, greifen jeden Tag 2,72 Milliarden Nutzer zu. Dies seien 120 Millionen mehr als noch vor drei Monaten.
Die Pandemie zahlt sich für Facebook nicht nur in einer höheren Nutzerzahl und einer längeren Nutzungsdauer aus. Es gelang dem Konzern auch, die Durchschnittspreise im Berichtsquartal um 30% zu steigern. Die Lockerung der Datenschutzregeln in Whatsapp dürfte dazu beitragen, die Nutzerdaten noch besser zu vermarkten. Dass es dem Konzern gelingen wird, die Lockerung der Datenschutzbestimmungen gegenüber den Benutzern durchzusetzen, daran herrscht kaum Zweifel.
Streit mit Apple
Umso mehr ärgert es den Konzern, dass Apple für ihre Geräte den Schutz der Benutzerdaten verbessert hat. Apps müssen sich nun die ausdrückliche Genehmigung durch den Benutzer einholen, wenn sie das Nutzerverhalten über verschiedene Dienste und Websites ausspionieren wollen. Facebook-Finanzchef Dave Wehner ließ sich jedenfalls bei der Vorlage des Quartalsergebnisses vernehmen, er sei wegen der Verbesserung des Datenschutzes „besorgt“ – aber nicht etwa wegen des Großkonzerns Facebook, sondern „für kleinere und mittlere Unternehmen“. Für die Anleger und Analysten hatte er indes in dieser Hinsicht eine positive Nachricht: Die Auswirkungen der Verschärfung der Bestimmungen für das eigene Geschäft werde Facebook managen können. Facebook baue Systeme zur Verwaltung von Werbung so um, dass sie auch mit weniger Daten auskommen könnten. Es wird allgemein erwartet, dass ein Großteil der iPhone-Nutzer das App-übergreifende Tracking ablehnt.
Eine gute Nachricht für die Anleger ist es auch, dass es dem Konzern zunehmend gelingt, sein werbeunabhängiges Geschäft anzukurbeln. So kletterten die sonstigen Erlöse, die auch die Einnahmen aus dem Verkauf der Virtual-Reality-Brille Quest2 beinhalten, im ersten Quartal von zuvor 297 Mill. Dollar auf 732 Mill. Dollar.
Die Analysten der Deutschen Bank nahmen das jüngste Quartalsergebnis zum Anlass, die Kaufempfehlung für die Aktie zu bestätigen. Das Kursziel haben die Experten der Bank von 385 Dollar auf 425 Dollar angehoben. Sie halten die Aktie für erheblich unterbewertet. Auf Basis ihrer Schätzung für das Ergebnis je Aktie des Jahres 2022 betrage das Kurs-Gewinn-Verhältnis gerade einmal 19, was ein Abschlag von 9% gegenüber dem historischen Durchschnitt des S&P 500 sei. Facebook setze ihren Trend eines starken Anzeigenwachstums und auskömmlicher Margen fort, und es gebe Gründe für Optimismus hinsichtlich des langfristigen Wachstums.
Nur „Hold“-Empfehlung
Zurückhaltender sind die Analysten von Needham. Sie sorgen sich um die Erlöse von Facebook über die kommenden sechs Monate, mit Blick auf das Update des iPhone-Betriebssystems, das den Nutzern die Möglichkeit gibt, sich der digitalen Ausforschung zu entziehen. Needham stuft die Aktie daher nur mit „Hold“ ein.
Valens Research hält zwar kurzfristige Sorgen hinsichtlich der Entwicklung der Erlöse für berechtigt, glaubt aber, dass die Markterwartungen derzeit zu negativ sind. Langfristig bestehe die Chance, dass es Facebook gelinge, die Erwartungen der Marktteilnehmer zu übertreffen.