IM GESPRÄCH: LEEF DIERKS, MORGAN STANLEY

Spanien wird als Einstiegsgelegenheit angesehen

Bondexperte: Investoren positionieren sich für den großen Stimmungsumschwung - Land wird nicht als Rettungskandidat im Stile Griechenlands eingeordnet

Spanien wird als Einstiegsgelegenheit angesehen

Von Kai Johannsen, FrankfurtMarktteilnehmer bereiten sich derzeit auf den Big Squeeze, den großen Stimmungsumschwung und eine damit einhergehende Rally bei Spanien-Assets vor. Sie warten nur auf den Katalysator. Die Vorlage von Details für das Rettungspaket der spanischen Banken könnte ein solcher sein. Das Risiko für ein derartiges Szenario ist, dass der Zentralstaat Spanien unter die Räder kommt und Hilfen bei der EU anfragen muss. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung geht Leef Dierks, der als Anleiheexperte bei Morgan Stanley in London den europäischen Fixed-Income-Markt und schwerpunktmäßig auch Spanien analysiert, auf die gegenwärtige Marktverfassung und die Positionierungen von Investoren ein. Verheerende RenditeViele Real Money Accounts, wozu in erster Linie Versicherungen und Pensionsfonds gerechnet werden, gehen davon aus, dass Spanien nicht der nächste Rettungskandidat im Stile Griechenlands, Irlands oder Portugals wird. Diese Investorenadressen sind traditionell in risikoaversen Assets wie etwa Covered Bonds engagiert. Die Rendite ist in sehr weiten Teilen des Fixed-Income-Universums aber verheerend. Der Bund handelt in Teilen der Kurve nahe Rekordtiefs.”Viele Investoren sitzen deshalb auf hohen Cash-Beständen oder Geldmarktpositionen, damit sie auf Gelegenheiten reagieren können”, sagt Dierks. “Viele haben gedacht, das bis zu 100 Mrd. Euro schwere Rettungspaket für die spanischen Banken könnte ein entsprechender Katalysator sein, was sich aber nicht bewahrheitet hat. Derzeit handelt der Markt auf noch weiteren Spread-Niveaus als bei der Bekanntgabe der Bankenhilfen.” Details fehlen nochFundamental habe sich die Lage aber nicht verschlechtert. Es fehlten nur die Details, wie etwa Kupon, Laufzeit oder das tatsächlich benötigte Volumen. Positiv stimmt Dierks auch, dass beispielsweise auf die Verschiebung des institutsspezifischen Stresstests der spanischen Banken in den September keine negative Marktreaktion erfolgte. Die auftretenden Verluste wurden schnell wieder ausgeglichen. Viele warteten nun auf den Stimmungsumschwung, aber allmählich laufe ihnen die Zeit davon, denn Juli und August sind traditionell eher ruhige Monate an den Märkten.Versicherungen stehen in dem derzeitigen Niedrigrenditeumfeld vor ganz besonderen Problemen. Angesichts der niedrigen Renditen können sie ihre Zusagen gegenüber Kunden oft nicht mehr einhalten. “Garantiesätze wurden oder werden noch gesenkt. Diese Investoren mussten in riskantere Assets gehen, um überhaupt noch Rendite zu erwirtschaften. Ihre Geschäftsmodelle sind in Bezug auf derartig niedrige Renditen offenbar niemals richtig hinterfragt worden”, sagt Dierks. Das Problem bestehe nun darin, dass in der gegenwärtigen Verfassung die Verfügbarkeit von Assets, die für diese Adressen in Frage kommen, abnimmt. Dierks rechnet damit, dass die Neuemissionen von Covered Bonds in Europa, für die er ursprünglich für dieses Jahr 190 Mrd. Euro veranschlagt hatte, wohl nur noch 100 Mrd. Euro erreichen werden. Sinken die Neuemissionsvolumina sogar unter 100 Mrd. Euro, würde der Markt schrumpfen, da dann die Emissionsvolumina unter den Fälligkeiten liegen. Dieser Umstand treffe aber auf eine stabile Nachfrage. Die Refinanzierungsniveaus, d. h. die Spreads, würden damit noch enger werden. Für viele Real Money Accounts spiele Rendite aber keine Rolle mehr, sondern nur noch der Aspekt der Kapitalerhaltung. Auch beim deutschen Pfandbrief sei zu beobachten, dass eine gleich bleibende Nachfrage seitens heimischer Investoren auf ein rückläufiges Angebot treffe. Die Spreads engten sich deshalb weiter ein. “Aus den Händen gerissen”Versicherer gingen in dieser Situation in benachbarte Märkte. Bei deutschen Adressen sei zu registrieren, dass sie insbesondere in österreichische, niederländische, skandinavische sowie französische Papiere gehen. In der Peripherie seien weitere Spread-Ausweitungen zu konstatieren. Es komme zu einem Auseinanderdriften zwischen Papieren aus den Kern- und den Nichtkernländern. Zu beobachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass die Investoren gerade auf eurodenominierte Bonds von Emittenten außerhalb der Eurozone ein besonderes Augenmerk hätten, so zum Beispiel Schweizer oder australische Emittenten, die Euro-Papiere emittieren. “Das wird uns geradezu aus den Händen gerissen, denn hierüber bauen die Investoren kein zusätzliches Exposure gegenüber der Eurozone auf, aber sie haben Euro-Titel im Portfolio”, so Dierks.Angesichts hoher Cash-Bestände und der niedrigen Renditen in weiten Teilen des europäischen Fixed-Income-Universums hielten weite Anlegerkreise aber auch nach anderen Alternativen Ausschau. “Investoren kaufen vermeintlich unsichere, aber höher verzinsliche Papiere. Immer wieder fällt der Blick dabei auf Spanien. Denn es wird vielfach davon ausgegangen, dass der Bail-out des Zentralstaates Spanien nicht Realität wird. Multi-Cédulas, also Covered Bonds auf der Grundlage eines Deckungsstocks mehrere spanischer Adressen, aber auch Bonds der spanischen Provinzen sind derzeit stark gefragt”, sagt Dierks. Keiner verkauftDie Spread-Niveaus dieser Papiere seien zwar weit, aber eine weitere Verschlechterung der Spreads wird nicht erwartet. Viele würden durchaus in Kauf nehmen, vielleicht 10 % der Rally zu verpassen, deckten sich bereits jetzt aber schon rein spekulativ ein. “Die Liquidität in diesen Papieren nimmt immer weiter ab, weil keiner mehr bereit ist zu verkaufen”, so der Experte. Weite Anlegerkreise sähen den gegenwärtigen Zeitpunkt als Einstiegsgelegenheit in den Markt an.Die größte Gefahr zum jetzigen Zeitpunkt sei allerdings, dass die vom Finanzsektor und den spanischen Provinzen ausgehenden Risiken immer mehr auch den Zentralstaat in Bedrängnis bringen könnten. Damit könnte sich im Extremfall auch die Schuld des Zentralstaates Spanien deutlich erhöhen, wenn er immer mehr über den Bankensektor und die Provinzen in Anspruch genommen wird. Die Handlungsmöglichkeiten für die Spanier bei weiter ausufernden Schuldenbelastungen in dieser Kettenreaktion würden immer geringer werden. “Entsprechend groß wird dann der Druck auf die EU. Genau an dieser Stelle muss die Kette durchbrochen werden”, sagt Dierks.Die EU habe seiner Einschätzung nach ein großes Interesse daran, genau dieses Szenario nicht eintreten zu lassen. Sollte es doch eintreten, werde am Markt die immer wieder diskutierte Frage hochkommen, ob der Rettungsschirm bei einem Kollaps von Spanien überhaupt groß genug ist. Das werde von vielen bezweifelt. Vor allem werde im zweiten Schritt wieder die “Wer-ist-der-Nächste-Diskussion” entfacht. “Investoren werden sich dann fragen, ob dann Italien und anschließend Belgien und womöglich auch noch Frankreich folgen werden. “Und für ein Auffangen dieser Staaten ist der Schirm definitiv nicht groß genug”, sagt Dierks. “Schier unlösbare Probleme”Mit Blick auf Spanien verweist er auch auf die Tatsache, dass die spanischen Banken unter dem eingebrochenen Immobilienmarkt leiden und nicht unter der Verschuldung des Zentralstaates, wie es etwa in Italien der Fall sei. In Bezug auf eine Lösung dränge nun aber die Zeit. “Wir können in der Frage der Lösung nicht ewig weiter hin und her dümpeln. Es ist eine schnelle und umfangreiche Lösung der Krise gefragt, damit es zu einem Stimmungsumschwung an den Märken kommen kann. Anleger haben sich für eine derartige Lösung und den entsprechenden Stimmungsumschwung positioniert, schlichtweg weil sie wissen, dass ein Kippen von Spanien schier unlösbare Probleme mit sich bringen wird”, sagt er. Entsprechende Neuverhandlungen in Griechenland beurteilt Dierks als richtig. Ein Durchhalten der Sparmaßnahmen sei zu bejahen, aber der Zeitraum müsste gestreckt und Zinskonditionen nach unten angepasst werden. Auf diese Weise ließe sich den Märkten eine glaubwürdige Lösung vermitteln.