Spaniens Aktienmarkt lahmt

Mit einem Plus des Ibex 35 von knapp 8 Prozent Schlusslicht in Europa - IPO-Geschäft liegt am Boden

Spaniens Aktienmarkt lahmt

Der spanische Aktienmarkt gehört im laufenden Jahr zu den Schlusslichtern in Europa. Zur Ertragsschwäche der Banken gesellen sich politische Bedenken über die Pläne einer neuen Linksregierung für neue Steuern für die Finanzbranche. Wirtschaftlich läuft es in Spanien dagegen besser als anderswo in Europa.Von Thilo Schäfer, Madrid Nach einer langen Flaute am spanischen Markt hat ausgerechnet die Börse selbst für Belebung gesorgt. Das Übernahmeangebot von 2,8 Mrd. Euro des Schweizer Börsenbetreibers Six für die spanische Bolsas y Mercados Españoles (BME) ist ohne Zweifel das Ereignis auf dem Madrider Parkett in einem erneut schwachen Jahr. Unter Analysten und Anlegern hat ein möglicher Bieterkampf um BME – die französische Euronext hat Interesse bekundet, und es werden auch andere Kandidaten gehandelt- wahre Begeisterung ausgelöst. Dabei geht es nicht so sehr um die Größe der Operation – die BME-Aktie gehört seit Jahren nicht mehr zum eigenen Leitindex Ibex 35. Es wird vielmehr die Tatsache gefeiert, dass sich endlich wieder ein großer Investor aus dem Ausland für einen spanischen Konzern interessiert. Und noch dazu die Holding der Börsen von Madrid, Barcelona, Valencia und Bilbao, die zuletzt unter dem stark rückläufigen Aktienhandel gelitten hat.Nach einem schwachen Jahr 2018 ist der Ibex 35 auch in diesem Jahr nicht richtig in Fahrt gekommen. Bis Donnerstag hatte der Index um knapp 8 % zugelegt, weit hinter allen anderen westeuropäischen Börsen und dem Euro Stoxx 50. Der Jahreshöchstwert von gut 9 500 Punkten im April ist seitdem nicht mehr geknackt worden, und derzeit pendelt sich der Index bei 9 200 Punkten ein. Neben den globalen Faktoren – der Brexit ist für Spaniens Wirtschaft besonders problematisch – gibt es auch hausgemachte Probleme für die heimischen Aktienmärkte.Einer der Gründe für die schwache Performance der spanischen Börse ist das große Gewicht des Finanzsektors. Die sechs wichtigsten Banken des Landes machen fast 30 % des Ibex 35 aus. Spaniens Kreditinstitute leiden mehr als die Konkurrenz in anderen Ländern unter den Negativzinsen, da sie vor allem auf das klassische Retailgeschäft ausgerichtet sind. Die Bemühungen um Kostensenkungen, mit massivem Stellenabbau und Schließung von Filialen, reichen nicht aus, um die Ertragslage zu normalisieren. An der Börse kursieren daher seit Monaten Fusionsgerüchte in der Bankbranche. “In einem Umfeld zaghaften (wenn überhaupt) Wachstums der Volumen von Krediten und Einlagen und der Aussicht auf eine längere Zeit niedriger Zinsen bekommt das Argument für Fusionen und Übernahmen wieder mehr Gewicht”, kommentierten die Analysten von Caixabank in einer jüngsten Studie. Sie setzen auf einen Zusammenschluss des Banco Sabadell mit der verstaatlichten Bankia, der jeweils viert- und fünftgrößten Kreditinstitute des Landes, sowie der kleineren, ebenfalls börsennotierten Unicaja mit der Liberbank.Die Banken zählen auch zu den Opfern der politischen Lage in Spanien. Als nach den Parlamentswahlen vom 10. November die Sozialisten des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez ein Abkommen mit der Linkskoalition Unidas Podemos für eine Minderheitsregierung schlossen, gingen die Kurse der Banken in den Keller. Die beiden linken Parteien planen nämlich eine Sonderabgabe für Banken, mit der die staatlichen Hilfsgelder für die Branche nach dem Platzen der Immobilienblase 2008 wieder reingeholt werden sollen. Besonders hart traf es Bankia, die nach der Rettung 2012 immer noch zu mehr als 60 % in Staatsbesitz ist. Unidas Podemos will Bankia ganz verstaatlichen, statt sie wie mit Brüssel vereinbart wieder an private Anleger zu verkaufen. Nicht überraschend gehört Bankia mit Kursverlusten von fast 30 % im laufenden Jahr zu den großen Verlierern des spanischen Aktienmarktes. Transaktionssteuer befürchtetAnleger und Unternehmen fürchten auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, welche die Sozialisten und Unidas Podemos verfolgen. Demnach soll der Handel mit Aktien in Spanien gelisteter Werte mit einer Börsenkapitalisierung von mindestens 1 Mrd. Euro mit 0,2 % besteuert werden, ähnlich wie es bereits in anderen Ländern wie Frankreich geschieht. Nach Berechnungen der Analysten von Bankinter würde dies 73 % der Werte an der spanischen Börse betreffen. Die geplante spanische Version einer “Tobin Tax” war aber offenbar kein Hindernis für die Offerte der Schweizer Six für BME. In Madrid wurde es generell als gutes Zeichen gewertet, dass die politischen Ungewissheiten – Sánchez ringt derzeit noch um die nötigen Stimmen anderer kleinerer Parteien – einen Investor wie Six nicht verschreckt haben.Wirtschaftlich läuft es trotz einer spürbaren Abkühlung gar nicht schlecht. Die meisten Volkswirte erwarten für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum um die 2 %. Die OECD geht in ihrem Economic Outlook vom Donnerstag von 2 % Wachstum für Spanien aus. Sie warnt aber vor der anhaltenden politischen Instabilität.Neben den Banken sind auch die Kurse der Energiebranche seit den Wahlen unter Druck geraten, da die Linken die Tarifstruktur zugunsten der Verbraucher ändern könnten. Einige weitere Schwergewichte kommen nicht in den Tritt, wie Telefónica. Der Telekomkonzern liegt 2019 mit gut 6 % im Minus, da die Ergebnisse zuletzt hinter den Erwartungen zurückblieben. Großer Beliebtheit bei den Anlegern erfreuen sich dagegen Infrastrukturbetreiber wie Cellnex. Das Unternehmen kauft seit Monaten massiv Mobilfunkstationen in Europa auf, und der Kurs hat sich seit Januar fast verdoppelt.Vor diesem Hintergrund ist das Geschäft mit Börsengängen vollständig erlahmt, von kleinen Werten abgesehen, hauptsächlich Immobilienfonds. Diese Woche wurde das Debüt von Balboa, einem Investitionsvehikel in Technologieunternehmen, das einen Marktwert von 150 Mill. Euro anstrebte, mangels Nachfrage abgesagt.