DEVISENWOCHE

Spätzyklische Dollarschwäche

Von Martin Hochstein *) Börsen-Zeitung, 29.1.2019 40 %. Diese Wahrscheinlichkeit messen gängige Modelle auf Basis von Finanzmarktvariablen und strukturellen makroökonomischen Indikatoren einer Rezession in den Vereinigten Staaten auf Sicht der...

Spätzyklische Dollarschwäche

Von Martin Hochstein *)40 %. Diese Wahrscheinlichkeit messen gängige Modelle auf Basis von Finanzmarktvariablen und strukturellen makroökonomischen Indikatoren einer Rezession in den Vereinigten Staaten auf Sicht der kommenden zwölf Monate bei. Trotz des bis zuletzt robusten Wachstums der US-Wirtschaft haben die mittelfristigen Abwärtsrisiken vor dem Hintergrund eines nachlassenden Konjunkturmomentums, verschlechterter finanzieller und monetärer Rahmenbedingungen, eines abebbenden Fiskalimpulses und anhaltender (geo)politischer Belastungsfaktoren spürbar zugenommen. Die Perspektiven für die europäische und globale Wirtschaft sind keineswegs besser. Die Nervosität wächstKein Wunder also, dass Investoren und Analysten mit zunehmender Nervosität auf das aktuelle, spätzyklische Umfeld schauen. So dauert der Konjunkturaufschwung in den USA mit 114 Monaten bereits fast doppelt so lang wie die durchschnittliche Wachstumsphase seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Zur Jahresmitte könnte er sogar die zehnjährige Rekordexpansion der Jahre 1991 bis 2001 übertreffen. Zwar betonen viele Ökonomen und Notenbanker, dass Konjunkturzyklen typischerweise keines altersbedingten Todes sterben. Gleichwohl neigen sie im Zeitablauf zum Aufbau von Ungleichgewichten und werden dadurch anfälliger für exogene Schocks. Auch am aktuellen Rand mehren sich die Anzeichen für ein bevorstehendes Ende des “Fragiles-Goldlöckchen-Umfelds”, das in den letzten Jahren für robuste Wachstumsraten leicht über dem längerfristigen Trend bei gleichzeitig verhaltenem Inflationsdruck sorgte. Gegenwind geht vor allem von der weiterhin schwachen Produktivitätsentwicklung und nachlassenden Gewinndynamik, engen Arbeitsmärkten und zunehmendem Lohndruck, einer Zunahme protektionistischer Tendenzen sowie einer stetig steigenden Unternehmensverschuldung aus.Aus Anlegersicht ist eine Frage von besonderem Interesse: Wie entwickelten sich die Finanzmärkte in der Vergangenheit in der finalen Phase von Konjunkturzyklen? Ein Blick auf die USA zeigt ein ernüchterndes Bild. Seit Beginn der 1980er Jahre erzielten die wesentlichen Assetklassen – Aktien, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen (inklusive High Yields) – im letzten Jahr eines Aufschwungs durchschnittlich niedrigere Erträge als Geldmarktanlagen. Investoren wurden in dieser Phase nicht mehr für das Eingehen von Marktrisiken entlohnt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der gestiegenen mittelfristigen Rezessionsrisiken ist der in den letzten Monaten zu beobachtende Anstieg der Risikoaversion nachvollziehbar.Der US-Dollar verzeichnete demgegenüber in den vergangenen Jahrzehnten kein eindeutiges spätzyklisches Muster. Zwar wertete er seit 1970 auf handelsgewichteter realer Basis im letzten Jahr eines Konjunkturaufschwungs in den USA um durchschnittlich 2,5 % auf, in drei von sechs Episoden kam es allerdings zu Rücksetzern. Die Dollar-Entwicklung hing somit weniger von der jeweiligen Phase im Konjunkturaufschwung, sondern vielmehr von den tatsächlich vorherrschenden konjunkturellen, monetären, fiskalischen und strukturellen Trends in den USA relativ zum Rest der Welt ab.Für 2019 deuten diese fundamentalen Rahmenbedingungen – insbesondere das Auslaufen der zyklischen, geld- und fiskalpolitischen Ausnahmestellung der Vereinigten Staaten – auf eine zunehmende Anfälligkeit des Dollar hin. Nach der Wachstumsbeschleunigung im vergangenen Jahr zeigen die makroökonomischen Daten in den USA seit Beginn des vierten Quartals deutliche Ermüdungserscheinungen. Mit der nachlassenden Dynamik reiht sich die US-Wirtschaft in das insgesamt schwächere globale Konjunkturumfeld ein. Der Zinserhöhungszyklus der Federal Reserve ist bereits weit fortgeschritten, während eine Vielzahl anderer Notenbanken auf einen geldpolitischen Normalisierungskurs eingeschwenkt ist. Des Weiteren hat der kurzfristig dollarstützende Effekt der prozyklisch expansiven Fiskalpolitik der Trump-Regierung seinen Hochpunkt überschritten und sollte in den kommenden Monaten sukzessive abebben. “Fiskalische Klippe”In 2020 droht der Konjunktur mit dem Wegfall dieses Rückenwinds ein “Sturz von der fiskalischen Klippe”. Auch eine mögliche temporäre Beruhigung des Handelskonflikts mit China dürfte tendenziell dollarbelastend wirken. Abwärtsrisiken für den Greenback gehen darüber hinaus von der weiterhin bestehenden fundamentalen Überbewertung, schwelenden strukturellen Problemen (v.a. “Zwillingsdefizit” in Fiskal- und Leistungsbilanz) und einer Vielzahl innenpolitischer Belastungsfaktoren aus. Insgesamt droht dem Dollar auf Sicht der kommenden Monate somit eine Zunahme des spätzyklischen Gegenwinds. Und egal ob der amerikanische und globale Konjunkturaufschwung letztlich in einer harten oder sanften Landung mündet, der Anstieg der mittelfristigen Rezessionswahrscheinlichkeit dürfte ein bestimmendes Thema für die Finanzmärkte in 2019 bleiben.—- *) Martin Hochstein ist Senior Investment Strategist bei Allianz Global Investors.