Starkes Pfund belastet Footsie

FTSE-100-Gesellschaften machen Rohstoffpreisverfall und Abhängigkeit von Schwellenländern zu schaffen

Starkes Pfund belastet Footsie

Die schwer gewichteten Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen haben den britischen Leitindex FTSE 100 am Boden gehalten, seit die europäischen Börsen zum Höhenflug angesetzt haben. Während der Dax vom Quantitative Easing der Europäischen Zentralbank profitiert, drückt das starke Pfund die Gewinne der UK plc. Analysten rechnen nicht mit einer schnellen Wende zum Besseren.Von Andreas Hippin, LondonEin Großteil der Händler hat die Londoner City bereits verlassen. In der U-Bahn gibt es freie Sitzplätze. Analysten und Investoren twittern lieber Urlaubsfotos als Einschätzungen zum Marktgeschehen. Das tägliche Volumen im Aktienhandel halbiert sich. Es lohnt sich dennoch, das Geschehen aufmerksam zu verfolgen, denn der Ausblick für den FTSE 100 trübt sich ein, obwohl die britische Wirtschaft brummt wie lange nicht. Die Bank of England erhöhte zuletzt ihre Wachstumsprognose von 2,5 auf 2,8 %.Das starke Pfund entwickelt sich aber zunehmend zum Belastungsfaktor, denn lediglich ein Fünftel der Gewinne der Standardwerte wird innerhalb Großbritanniens erwirtschaftet. Die Geschäfte der FTSE-100-Gesellschaften sind viel mehr ein Spiegelbild der Weltwirtschaft als der Konjunkturentwicklung auf dem Heimatmarkt. Damit werden Wechselkursschwankungen zu einem wesentlichen Einflussfaktor. Zudem haben Ölproduzenten und Bergbaukonzerne, denen die schwache Konjunkturentwicklung in China zunehmend zu schaffen macht, im Index großes Gewicht. Wetten auf ZinserhöhungBloomberg-Daten zufolge stieg das Pfund in den vergangenen drei Monaten um 7,7 % gegen einen von dem Finanzdienstleister zusammengestellten G10-Währungskorb. Gegen den Euro erreichte es im Juli den höchsten Stand seit 2007. Die Kursentwicklung hängt stark von der erwarteten Zinsentwicklung ab. Sonia, die Sterling Overnight Interbank Average Curve, deutete nach der jüngsten Zinsentscheidung der Bank of England darauf hin, dass Marktteilnehmer auf eine Zinserhöhung von 25 Basispunkten im Mai 2016 setzen – noch vor einem Monat hatten sie Juli auf der Rechnung. Die Strategen von Credit Suisse nahmen ihre Schätzung für den Jahresendstand des Börsenbarometers jüngst unter anderem mit Blick auf die Währungsproblematik von 7 450 auf 7 000 zurück. Sie verweisen zudem darauf, dass rund zwei Fünftel der Gewinne der FTSE-100-Gesellschaften Bezug zur Entwicklung der Schwellenländer haben, Öl- und Bergbauunternehmen eingeschlossen. Das Wachstum der einstigen Wirtschaftswunderländer hat sich verlangsamt. Der in Erwartung eines ersten Zinsschritts der US-Notenbank Fed aufwertende Dollar führt unterdessen zum Abfluss ausländischer Gelder aus den Schwellenländern und verteuert die Auslandsverschuldung in der US-Währung. Vor allem Unternehmen hatten von den guten Bedingungen für Emittenten am Bondmarkt reichlich Gebrauch gemacht.Die Öl- und Gasbranche kam zuletzt auf ein Indexgewicht von 13,25 %. BP und Royal Dutch Shell gehören zu den fünf schwersten Werten. Den Energiekonzernen macht nicht nur der Verfall des Ölpreises zu schaffen, Firmen wie BP sind zudem stark in Russland engagiert und haben unter der Abwertung des Rubel zu leiden. Die russische Währung verlor binnen zwölf Monaten mehr als zwei Fünftel gegen den Dollar. Der ebenfalls angeschlagene Rohstoffsektor kommt auf 5,92 %. Für das laufende Jahr erwarten die Analysten der Citigroup, dass der Gewinn pro Aktie (EPS) von FTSE-250-Unternehmen der Öl- und Gasbranche um 41 % niedriger ausfällt als im Jahr zuvor. Bei den Bergwerksbetreibern rechnen sie mit einem Rückgang von 28 %. Schrumpfende GewinneDrei Jahre in Folge ist das EPS der UK plc geschrumpft. Kein Wunder also, dass die Performance des britischen Leitindex weit hinter der Kursentwicklung von Eurozonenindizes wie dem Dax zurückgeblieben ist, die zudem noch vom Quantitative Easing der EZB befeuert wurden. Anders als der Dax ist das meist “Footsie” genannte Börsenbarometer ein Kurs- und kein Performanceindex, d.h. er bekommt keine zusätzliche Schubkraft durch die von den Mitgliedsunternehmen gezahlten Dividenden.Die Strategen von Liberum Capital gehen davon aus, dass sich die Papiere von Banken, Finanzdienstleistern, Unternehmen der Freizeitindustrie und Einzelhändlern bei zunehmendem Preisauftrieb und in Erwartung steigender Zinsen in Großbritannien am besten entwickeln dürften. Credit Suisse argumentiert dagegen, dass das verfügbare Einkommen sinkt, wenn die Zinsen steigen, was dem Einzelhandel nicht gut bekommen dürfte. Die Finanzbranche hat im FTSE 100 allen Kursverlusten während der Krisenjahre zum Trotz das größte Gewicht. Banken für sich genommen waren zuletzt mit 13,89 % gewichtet. Sie profitieren von steigenden Zinsen, indem sie nur einen Teil davon an Sparer weitergeben. Die Top Picks von Liberum für das Reflationierungsszenario sind der schottische Vermögensverwalter Aberdeen Asset Management, der Fahrradhändler Halfords, die British-Airways-Mutter International Consolidated Airlines Group und die Intermediate Capital Group. Bei Hausbaugesellschaften raten sie dagegen zur Vorsicht. Hier gebe es zwar angesichts der steigenden Zahl bewilligter Hypotheken seit dem Wahlsieg der Konservativen im Mai noch kurzfristig Aufwärtspotenzial, allerdings sei das zugrundeliegende Geschäft sehr zinsempfindlich. Die Preisgestaltung von Immobiliendarlehen orientiert sich an zwei- bzw. fünfjährigen Swaps.Alles in allem sehen die meisten Analysten keinen Grund, aus dem der FTSE 100 auf kurze Sicht zu einem Höhenflug ansetzen sollte. Relative Zuversicht herrscht dagegen für die Staatsanleihen, denn die Sparpolitik der konservativen Regierung dürfte das Angebot verknappen. Zudem reifen zahlreiche Versorgungswerke heran und dürften ihre Aktienbestände deshalb schrittweise in Anleihen tauschen.