Start mit nüchternen Aussichten

US-Aktien werden nach Trump-Rally nur moderate Zuwächse zugetraut - S&P 500 soll gut 5 Prozent zulegen

Start mit nüchternen Aussichten

Der Jahreswechsel ist an der Börse die Zeit der Auguren. Für US-Aktien fallen die Erwartungen an 2017 nach dem Rausch zum Jahresschluss betont nüchtern aus. Einzelne trauen der Wall Street aber eine beschleunigte Fortsetzung der Rally zu.sp New York – Die US-Börsen haben zum Wochenauftakt den Feiertag zu Neujahr nachgeholt und ihren Handelsstart in das gerade begonnene Jahr auf den Dienstag vertagt. Keine Eile mit dem Handel von US-Aktien hatten die Marktakteure vielleicht auch deshalb, weil die Auguren nach dem Börsenrausch im Schlussquartal 2016 für den neuen Turnus eine eher moderate Entwicklung in Aussicht stellen. Dem breit angelegten Leitindex S & P 500 trauen die von Bloomberg befragten Analysten im Schnitt ein Plus von 5,2 % zu.Vor einem Jahr waren die Marktbeobachter noch deutlich optimistischer und stellten dem Börsenbarometer im Mittel einen Zuwachs von 9,5 % in Aussicht. Eine Prognose, mit der sich die Zunft zum Jahresende sehen lassen konnte, lagen die Analysten mit ihrer durchschnittlichen Schätzung laut Bloomberg doch so nahe an der tatsächlichen Entwicklung wie noch nie in den vergangenen 16 Jahren.Einschränkend sei erwähnt, dass die meisten Beobachter nach dem miserablen Start in das Börsenjahr 2016 ihre Prognosen bereits im Februar nach unten korrigiert hatten und viele Analysten für den Fall einer Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten einen Einbruch der Märkte vorhergesagt hatten. Tatsächlich waren es der Wahlsieg von Trump im November und die anschließende Rally, die die Prognosen vom Jahresanfang erst in ein so vorteilhaftes Licht rückten.Nach dem Börsenrausch präsentieren sich die Marktbeobachter jetzt deutlich nüchterner. Die wachsende Vorsicht kommt nicht nur in den geringeren Erwartungen, sondern auch in der größeren Homogenität der Prognosen für 2017 zum Ausdruck. Die höchsten und niedrigsten Festlegungen für den S & P 500 zum Jahresschluss liegen nach Angaben von Bloomberg so nahe beisammen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Nur Savita Subramanian von Merrill Lynch wagt sich aus der Deckung und traut US-Aktien Kursgewinne von 20 % zu. Würden sich die wichtigsten US-Indizes dieser Prognose entsprechend entwickeln, stünde der S & P 500 zum Jahresultimo bei 2 700 Punkten, der stärker an mittelständischen Unternehmen ausgerichtete Russell 2000 würde auf 1 650 Punkte klettern, und der Dow Jones Industrial Average, der seit Wochen mit 20 000 Punkten flirtet, wäre bei 24 000 Punkten angekommen.Die Argumentation von furchtlosen Bullen wie Subramanian fußt nicht nur auf den Versprechen des designierten US-Präsidenten, der mit den in Aussicht gestellten Steuererleichterungen, Deregulierungsmaßnahmen und Investitionen in Infrastruktur US-Aktien in den vergangenen Wochen quer durch fast alle Branchen Auftrieb verliehen hatte. Sie verweisen vielmehr darauf, dass US-Unternehmen nach fünf Quartalen mit rückläufigen Gewinnen in Serie zuletzt wieder Ergebnissteigerungen vorweisen konnten.Im neuen Turnus rechnen die Firmen im S & P 500 mit Ergebniszuwächsen von knapp 12 % und sind damit so optimistisch wie seit 2013 nicht mehr. Besonders zuversichtlich sind Energiekonzerne wie Chevron, die sich fast eine Vervierfachung des Ergebnisses zutraut. Halten die Konzerne Wort, würde das die aktuell über dem historischen Mittel liegenden Bewertungen dämpfen. Optimisten weisen außerdem darauf hin, dass sich die US-Börsen unabhängig von Donald Trump im ersten Jahr einer Präsidentschaft zuletzt immer überdurchschnittlich stark entwickelt haben. Von den drei Jahren seit 2000, in denen US-Aktien laut Marktbeobachtern im Schnitt um mehr als 20 % zugelegt haben – 2003, 2009 und 2013 – fielen zwei mit dem Auftakt einer neuen Amtsperiode zusammen. Alles blickt nach WashingtonDie Schlüsselübergabe im Weißen Haus in etwas mehr als zwei Wochen treibt derzeit aber auch die Bären um. Trump will den Wirtschaftsaufschwung mit Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur, Steuersenkungen und weniger Regulierung schaffen. Entscheidend für weitere positive Auswirkungen auf den Aktienmarkt seien die Details, sagen Analysten. Groß ist dabei die Sorge, dass die neue US-Regierung Verwerfungen im internationalen Handel hervorrufen wird. Trump hatte sich im Wahlkampf und auch nach seinem Sieg immer wieder für einen stärkeren Schutz der US-Wirtschaft etwa durch Einfuhrzölle ausgesprochen.Darüber hinaus bestehen nach Einschätzung von Marktbeobachtern Risiken für das weltweite Wachstum und letztlich auf für Aktien von global orientierten US-Unternehmen durch eine mögliche Abkühlung der chinesischen Wirtschaft, durch politische Verwerfungen etwa im Zusammenhang mit den 2017 anstehenden Wahlen in Frankreich sowie durch die denkbaren Belastungen eines starken US-Dollar.Aber auch ein zu starker Aufschwung der ohnehin schon gut laufenden US-Wirtschaft könnte zum Problem werden. Der Arbeitskräftemangel könnte die Löhne nach oben treiben und damit die Inflation stärker anheizen als gewünscht. Die Arbeitslosenquote war erst im November auf den tiefsten Stand seit mehr als neun Jahren gesunken. Die Renditen an den Anleihemärkten erhielten von der Aussicht auf höhere Staatsausgaben bereits Rückenwind. Die US-Notenbank Fed reagierte auf mögliche Auswirkungen einer geänderten Fiskalpolitik und stellte für 2017 eine schnellere – wenn auch immer noch moderate – geldpolitische Straffung in Aussicht als zuvor.Noch sehen Experten zwar keinen Grund zur Sorge. Zuletzt hatten die langsam wieder nach oben drehenden Zinserwartungen vor allem die Anleihekurse unter Druck gesetzt und große Investoren zu Umschichtungen in Aktien bewogen. Mittelfristig könnte die Zinsentwicklung aber auch Probleme für US-Aktien aufwerfen, wenn Trumps Politik die Inflation antreiben sollte und die Fed 2017 schneller an der Zinsschraube drehen würde als erwartet.