IM GESPRÄCH: PATRICK HUSSY

"Steigender Zins strahlt auf alles aus"

Der Geschäftsführer von Sentix Asset Management zu Folgen von Corona - Erholung bei Aktien nur kurz

"Steigender Zins strahlt auf alles aus"

Die Coronakrise wird weltweit zu mehr Inflation und höheren Zinsen führen, erklärt Patrick Hussy von Sentix Asset Management. Der steigende Zins werde auf alle Assetklassen ausstrahlen. Anleger sollten Bundesanleihen meiden. Am Aktienmarkt erwartet der Experte eine Erholungsrally im April, die aber nicht anhalte.Von Werner Rüppel, FrankfurtDie Ausbreitung des Coronavirus hat zu einem ungewöhnlich schnellen und massiven Einbruch an den Aktienmärkten geführt, der Erinnerungen an 1987 und 1929 weckt. Aber auch andere Assetklassen wurden schlagartig verkauft. Doch wie verändert sich durch den Crash und durch das sich ausbreitende Virus die Situation an den Märkten? “Corona ist ein gravierendes, globales Ereignis ohne Vorbild”, sagt Patrick Hussy, Geschäftsführer der Frankfurter Sentix Asset Management, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Durch die Coronakrise werden alle Unzulänglichkeiten unserer Zeit simultan aufgedeckt. Die Folgen durch Corona sind immens.” Der Behavioral-Finance-Spezialist geht davon aus, dass die Pandemie kein kurzfristiges, singuläres Ereignis ist, sondern dass sich vieles durch Corona ändern wird: “Die Welt ist danach nicht mehr die gleiche.”Natürlich tue man nun weltweit alles, koste es, was es wolle, um die aus dem Shutdown resultierenden wirtschaftlichen Folgen zu begrenzen. “Die Notenbanken und Staaten pumpen jetzt immens Geld ins System”, erklärt Hussy. “Und die Globalisierung wird nach der Krise sicher ein Stück zurückgedreht.” Denn die Folgen einer allzu starken Globalisierung ohne Sicherheitspuffer würden jetzt sichtbar. Gewisse Güter seien durch die Coronakrise inzwischen nicht mehr hierzulande verfügbar, weil sie im Ausland produziert würden. Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten werde derzeit offensichtlich. Nur bedeute weniger Globalisierung auch höhere Kosten und höhere Preise. Da darüber hinaus noch massiv wie kaum jemals zuvor Geld ins System gepumpt werde, ist sich Hussy sicher: “Das Thema Inflation wird uns wieder beschäftigen.” Steigende Teuerungsraten seien zu erwarten. “Bundesanleihen meiden””Anleger sollten daher langlaufende Bundesanleihen oder Corporate Bonds meiden”, rät Hussy. Die Party an den Anleihemärkten sei vorbei. Insbesondere werde die Zinskurve wesentlich steiler werden. Bei Bunds komme noch hinzu, dass die Coronakrise zu einheitlichen Euro-Bonds führen dürfte, so dass sich die Spreads angleichen würden. Das andere Szenario sei, dass Europa auseinanderfallen werde, was auch nicht gänzlich auszuschließen sei. “Bonds werden auch nicht mehr gut zur Diversifikation funktionieren”, so Hussy weiter. Denn in schwierigen Situationen böten Anleihen inzwischen keine Sicherheit mehr. So seien zum Beispiel im Corona-Crash nicht nur Aktien, sondern auch Anleihen verkauft worden.”Nach dem Ausverkauf erwarten wir in den kommenden Tagen und Wochen bei Aktien eine volatil verlaufende Erholungsrally”, erklärt Hussy. “Danach ist aber ein weiterer Einbruch aufgrund der immensen wirtschaftlichen Probleme durch Corona wahrscheinlich.” Die Anleger, die durch Stop-Losses ihre Risiken begrenzten, seien natürlich inzwischen aus Aktien draußen. Andere, die bisher durchhielten, warteten erst einmal ab, wollten aber, wenn die Kurse sich etwas erholen würden, ebenfalls noch Aktien abbauen.Bei jedem Crash setze nach einer gewissen Zeit dann ein Gewöhnungseffekt ein, der zu einer gewissen Stabilisierung beitrage. Allerdings geht Hussy davon aus, dass die Erholung sehr volatil verlaufen werde. Ein zwischenzeitlicher Anstieg des Dax bis auf 10 000 oder 10 500 Punkte sei dabei durchaus möglich. Doch sei dies nur eine Hoffnungsrally. Denn die Auswirkungen von Corona seien so erheblich, dass die Dividenden nicht mehr sicher seien und die Unternehmen ihr Geld zusammenhielten. “Die Arbeitslosigkeit wird weltweit hochschnellen, dies wird sich auch auf den privaten Konsum auswirken”, erwartet Hussy. Corona wirke auf viele Branchen disruptiv. Daher geht Hussy nach einer zwischenzeitlichen Erholung von einem erneuten Einbruch am Aktienmarkt aus (siehe Grafik).Bei Investoren bröckele langsam der strategische Bias gegenüber Aktien, dies zeige die wöchentliche Sentix-Umfrage. Zudem seien viele Anleger noch immer für die Krise falsch positioniert, zum Beispiel auch in Produkten, die auf fallende Volatilitäten setzen. “Der steigende Zins wird auf alles ausstrahlen, dieses Risiko ist den wenigsten bewusst”, sagt Hussy. Die Kapitulation der Anleger sei noch keineswegs erfolgt. Aktienquote erhöhtDoch was macht der Assetmanager jetzt in den von ihm gesteuerten Produkten? “Wir haben zuletzt in der Schwäche die Aktienquote in unseren Fonds aufgebaut, werden diese aber in der erwarteten Erholung wieder reduzieren”, erklärt der Sentix-Geschäftsführer. “Bei Bonds sind wir aktuell short, das heißt, wir profitieren von steigenden Zinsen.”Auch in Gold hält Sentix Positionen. “Strategisch investieren wir breit diversifiziert über viele Assetklassen und bleiben flexibel”, erläutert Hussy. Aber warum geht er nicht vollständig in Liquidität? “Cash ist bei steigender Inflation nicht die passende Antwort”, so der Experte. Wer 1929 langfristig allein in Cash investiert habe, habe dadurch den Großteil seines Geldes verloren.Wichtig sei zudem, die Risiken im Griff zu haben und auch einen Missmatch zu vermeiden. Hussy wörtlich: “Wir haben unsere Basisinvestments klar strukturiert, so dass wir diese über liquide Futures effektiv absichern können.”