Stillstand am US-Anleihemarkt befürchtet
det Washington
Bisher weitgehend unbekannte Modifikationen einer 50 Jahre alten Regel der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) schüren Ängste davor, dass der Handel am US-Anleihemarkt Ende dieses Monats zum Erliegen kommen könnte.
Die Regel, die bisher dazu diente, Kleinanleger vor Pyramidenspielen, Ponzi-Schemen und Betrug mit Penny Stocks zu schützen, wurde bisher nur auf Dividendentitel angewandt, soll nun aber auch bei festverzinslichen Wertpapieren eingesetzt werden und könnte nach Auffassung von Experten bereits in wenigen Tagen Chaos an den Anleihemärkten auslösen.
Die Regel aus dem Jahr 1971 verlangt von Banken und Investmentunternehmen, dass sie detaillierte Information über die Emittenten von Anleihen einholen, unter anderem Quartals- und Jahresberichte. Vergangenes Jahr erweiterte der frühere SEC-Chef Jay Clayton die Regel und verlangte, dass sämtliche Informationen nicht bei den Brokerage-Häusern bleiben, sondern vielmehr für die Öffentlichkeit und somit auch Kleinanleger zugänglich gemacht werden. Es sei „längst überfällig, dass die SEC-Regel 15C2-11 ausgedehnt wird, um auch die Interessen der Kleinanleger zu berücksichtigen“, hatte Clayton seinerzeit die Entscheidung begründet.
Drohender Stillstand
Dem neuen SEC-Direktor Gary Gensler ist es ebenfalls ein Anliegen, auch auf den Anleihemärkten mehr Transparenz sicherzustellen. Das wiederum beunruhigt Händler und institutionelle Investoren. Sie fürchten, ohne exakte Einhaltung der neuen Compliance-Regeln bereits im Oktober ins Fadenkreuz der Finanzregulatoren geraten zu können. Broker befinden sich daher in einem hektischen Wettlauf um die Beschaffung von zusätzlichen Informationen über Unternehmen, mit deren Anleihen sie handeln.
Folglich warnen Experten, dass sich die Wertpapierhäuser zurückhalten und der Handel am Anleihemarkt binnen kurzer Zeit praktisch zum Stillstand kommen könnte. Verbände und Lobbyisten für die Broker plädieren daher für eine sofortige Freistellung von den verschärften Vorschriften. Sie warnen ansonsten vor „substanziellen, schädlichen Folgen“, und zwar sowohl für den Handel mit staatlichen als auch Unternehmensanleihen.
Die Organisation Bond Dealers of America (BDA) schrieb, dass sie die einschlägige Anwendung der 50 Jahre alten Regel für „überzogen und unnötig“ halte. Michael Decker, Vizepräsident bei der BDA, kritisiert, dass „die Deadline nur wenige Tage entfernt ist und die SEC diesen Sachverhalt offenbar nicht sorgfältig genug durchdacht hat“.