IM INTERVIEW: JOCHEN SCHMITT, BANKHAUS METZLER

"Strengere Mietregulierung möglich"

Analyst: Deutsche-Wohnen-Aktie enthält bereits viel Negatives - Unsicherheit wird eine Zeit lang anhalten

"Strengere Mietregulierung möglich"

Auch wenn die Kurse der Wohnimmobilienakten durch die Mietregulierungsdiskussion bereits deutlich gedrückt worden sind, ist Jochen Schmitt, Analyst des Bankhauses Metzler, für die Aktien der Branche zurückhaltend. Er rechnet damit, dass die Unsicherheit über die Mietrechtsentwicklung über einen langen Zeitraum Bestand haben wird. Herr Schmitt, die Wohnimmobilienaktien haben auf die Eckpunkte des geplanten Berliner Mietendeckels sehr negativ reagiert. Wie beurteilen Sie die Vorstellungen der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher?Nach unserem Verständnis handelt es sich bislang um ein internes Positionspapier der Linkspartei. Es erscheint uns derzeit fraglich, ob die Vorstellungen so umgesetzt werden. Es wäre schon ein Unterschied, ob die Mieten eingefroren würden oder ob eine breit angelegte Mietensenkung durchgeführt würde. Zudem wirft eine Absenkung nach unserem Dafürhalten wahrscheinlich noch größere juristische Fragen auf als das Einfrieren, auch wenn wir das juristisch nicht abschließend beurteilen können. Kürzlich wurden die Aktien der Branche auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, laut dem die Mietpreisbremse rechtens ist, gedrückt. Bedeutet das Urteil angesichts der Tatsache, dass es die Mietpreisbremse bereits seit dem Jahr 2015 gibt, wirklich eine Veränderung?Die Mietpreisbremse war bereits vor dem Urteil in bestimmtem Orten und Städten in Kraft. Es hat sich also vordergründig nicht viel verändert. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in der Urteilsbegründung unter anderem mit der sozialpolitischen Bedeutung des Mietrechts argumentiert, aufgrund dessen Vermieter damit rechnen müssten, dass es häufiger zu Veränderungen im Mietrecht kommen kann. Zudem hat das Gericht darauf verwiesen, dass es im öffentlichen Interesse sei, dass weniger vermögende Bevölkerungsgruppen nicht aus nachgefragten Stadtteilen verdrängt werden. Ohne, dass wir dieses Urteil hier juristisch bewerten können: Der Wortlaut des Urteils könnte unseres Erachtens manche Politiker veranlassen, sich zum Thema Mietenregulierung stärker zu positionieren. Was bedeuten die Rekordtiefen, die die Zinsen erreicht haben, für die Wohnimmobilienunternehmen?Die niedrigen Zinsen sind seit Jahren ein unterstützender Faktor. Ihr deutlicher Rückgang hat die Cash-flows beflügelt, weil viele Unternehmen heute deutlich weniger für ihre Finanzverbindlichkeiten zahlen als vor einigen Jahren. Hinzu kommt aus Sicht von einigen Anlegern, dass die Cash-flow-Rendite der Branche relativ zu anderen Asset-Klassen im Niedrigzinsumfeld an Attraktivität gewonnen hat. Deutsche Wohnen beispielsweise hat im Jahr 2011 nach unseren Berechnungen noch mehr als 4 % an Zinsen gezahlt, im zurückliegenden Jahr aber nur rund 1,3 %. Allerdings dürfte der größte Teil des Potenzials zur Verringerung der Fremdkapitalkosten bei Deutsche Wohnen mittlerweile wohl gehoben sein. Nach wie vor steigen die Preise für Wohnimmobilien. Wie wirkt sich das aus?Durch den deutlichen Wertzuwachs der Vergangenheit ist der Nettovermögenswert einiger Unternehmen in den letzten Jahren stark gestiegen. Es hat zahlreiche Hochschreibungen gegeben – bislang zumindest. Auch in dieser Hinsicht hat die Branche ein Stück weit vom Niedrigzinsumfeld profitiert. Die Entwicklung in Berlin hat die Aktie der stark auf die Stadt fokussierten Deutsche Wohnen stark gedrückt. Was denken Sie über diesen Kursrückgang?In der Aktie ist wahrscheinlich schon viel von dem negativen Nachrichtenfluss enthalten. Allerdings wird die Unsicherheit bezüglich der Mietenentwicklung unseres Erachtens noch eine ganze Zeit lang anhalten, weswegen wir aktuell eine abwartende Haltung einnehmen. Hat der Mietendeckel auch Implikationen für andere Städte beziehungsweise Regionen?Derzeit ist das eine berlinspezifische Debatte. Mittelfristig halten wir aber indirekt ein Szenario einer graduell strengeren Mietenregulierung in ganz Deutschland für möglich, unabhängig davon, wie diese dann im Einzelnen gestaltet würde. Auch eine Vonovia könnte es damit unserer Meinung nach auf längere Sicht mit zunehmender Regulierung zu tun bekommen. Wie stehen Sie zu dieser Aktie?Die Vonovia-Aktie hat sich angesichts der Nachrichten der letzten Zeit und verglichen mit ihrer Bewertung unseres Erachtens relativ stabil gehalten. Für sie sehen wir derzeit noch etwas Rückschlagpotenzial und geben uns ein wenig vorsichtig, auch wenn Vonovia im Vergleich zu Deutsche Wohnen deutlich weniger stark in Berlin engagiert ist. Gemessen etwa am EPX-Index ziehen die Preise von Wohnimmobilien immer noch an. Erwarten Sie eine Fortsetzung des Anstiegs?Es ist schwer, das pauschal zu beantworten. Denn es gibt große Unterschiede in den einzelnen Marktsegmenten. Zudem hängt die Preisentwicklung von vielfältigen Faktoren ab. Dazu zählen die Zinsen. Wir erwarten aus heutiger Sicht in Deutschland keine signifikante Zinswende in absehbarer Zeit, aber sicher prognostizieren kann man das nicht. Wichtig ist auch das Makroumfeld. Eine weitere Eintrübung der deutschen Konjunktur könnte auch die Aussichten der Immobilienpreise eintrüben. Allerdings gibt es wahrscheinlich in Städten mit einem knappen Angebot immer noch viele Interessenten für Eigentumswohnungen. Insgesamt gesehen halten wir einen deutlichen Rückschlag der Preise in der Breite des Marktes für derzeit eher unwahrscheinlich. Bei einigen Immobilien, die überteuert den Besitzer gewechselt haben, können wir uns hingegen schon eher eine Korrektur vorstellen. Umgekehrt erscheint uns das Potenzial für weitere Preisanstiege in der Breite des deutschen Wohnungsmarktes zumindest temporär für etwas begrenzt, beispielsweise weil für einige Kaufwillige vorerst die Grenze dessen erreicht sein dürfte, was sie sich leisten können. Könnte nicht auch die aktuelle Mietrechtsentwicklung negative Folgen haben?Wir halten es durchaus für vorstellbar, dass die Mietrechtsdiskussion dazu führen könnte, dass einige Investoren die Lust am deutschen Wohnungsmarkt verlieren. In einem Markt, der jahrelang fast nur eine Richtung kannte, könnte daher unserer Meinung nach das Risiko einer Korrektur etwas zunehmen, beispielsweise in Berlin. Wie zuvor geschildert spielen hier aber viele Faktoren eine Rolle. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.