GASTBEITRAG

Strukturelle Trends sind wichtiger als Konjunkturzyklen

Börsen-Zeitung, 26.5.2018 Viele Investoren fokussieren sich zu sehr auf das Auf und Ab der Konjunkturzyklen. Beispielsweise erhöhen oder reduzieren sie je nach Marktlage die Aktienquote ihres Portfolios. Diese Herangehensweise birgt allerdings die...

Strukturelle Trends sind wichtiger als Konjunkturzyklen

Viele Investoren fokussieren sich zu sehr auf das Auf und Ab der Konjunkturzyklen. Beispielsweise erhöhen oder reduzieren sie je nach Marktlage die Aktienquote ihres Portfolios. Diese Herangehensweise birgt allerdings die Gefahr, ständig zu spät zu sein und den Trend zu verpassen. Denn das Wirtschaftswachstum ist in den Aktienkursen in der Regel schon längst eingepreist. Anleger sollten sich stattdessen mehr auf strukturelle Veränderungen und nachhaltige Trends konzentrieren. Dazu gehören vor allem die Bereiche E-Commerce, mobiles Internet, Elektromobilität und Robotik (Automatisierung).Der strukturelle Wandel breitet sich weltweit aus. Es ist also naheliegend, global zu investieren. Ein bekannter, aber immer wiederkehrender Fehler ist die Neigung von Anlegern, ihr Geld eher in Aktien und Anleihen von Unternehmen ihrer Heimat zu investieren. Die ökonomische Verhaltensforschung spricht dabei vom “Home Bias”. Wozu dies hierzulande führen kann, zeigt die aktuelle Lage der Automobilindustrie.Ausgerechnet die drei Premiumhersteller BMW, Daimler und Volkswagen hängen dem E-Mobilitäts-Trend hinterher und könnten dadurch künftig ihre Vorreiterrolle einbüßen. Besser für den strukturellen Wandel positioniert ist China, das dabei ist, die Kraftverhältnisse im Automobilsektor neu zu ordnen. Dank staatlicher Förderung und einer damit einhergehenden fortschrittlichen Infrastruktur – in den vergangenen Jahren sind Hunderttausende neue Ladestationen entstanden – ist der Absatz von Elektrofahrzeugen im Reich der Mitte erheblich gestiegen.Wenn man bedenkt, dass der Dax mit einem Anteil von rund 15 % durch den Autosektor direkt bestimmt wird, bedeutet dies für Anleger, die sich auf diesen Index fokussieren, ein erhebliches Klumpenrisiko. Eine aktive Anlagestrategie hingegen kann frühzeitig auf Technologieführer setzen und potenzielle Verlierer gezielt außen vor lassen.Je mehr sich neue Technologien weiterentwickeln, desto stärker beeinflussen sie übliche makroökonomische Daten, die von den Kapitalmärkten für ihre Anlagestrategie bewertet werden. Zwei Musterbeispiele für zukunftsträchtige Geschäftsmodelle sind Amazon und Alibaba. Beide Konzerne erzielen große Teile ihrer Gewinne durch E-Commerce. In den vergangenen Jahren haben sie sich ein regelrechtes Imperium aufgebaut und damit den etablierten Einzelhandel nachhaltig verändert. Andere Technologie-Giganten wie Google (Alphabet) und Facebook haben durch ihre Online-Plattformen bei der Kommunikation und der Vernetzung der Menschen traditionelle Informationsstrukturen auf den Kopf gestellt. Dies hat auch die Kapitalmärkte verändert.Technologie- und Internetkonzerne dominieren die Börsen immer mehr. Nicht ohne Grund ist Apple heute das teuerste börsennotierte Unternehmen der Welt – gefolgt von Amazon, Microsoft und Alphabet. Aber auch kleinere Unternehmen holen mächtig auf. Hierzulande hat sich zum Beispiel Xing in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Das Karrierenetzwerk, das über mehr als 13 Millionen Mitglieder verfügt, überzeugte zuletzt durch zweistellige Zuwachsraten bei den Mitgliedern und ein Umsatzwachstum von über 20 %. Ein weiterer Game Changer an den Märkten ist die fortschreitende Automatisierung, mit deren Hilfe Unternehmen höhere Einnahmen erzielen. Die höhere Produktivität – bei niedrigeren Kosten – ermöglicht es, Gewinne zu steigern oder neue Geschäftsbereiche aufzubauen. Dies treibt insbesondere den Wert von innovativen Unternehmen. Langfristig denkenNicht nur bei Aktien, auch bei Anleihen sollten Investoren langfristig denken. Dabei sind vor allem die Geschäftsmodelle der Anleihe-Emittenten im Hinblick auf strukturelle Veränderungen und disruptive Technologien zu überprüfen. Beispielsweise galt Toys R Us vor zwei Jahrzehnten noch als Vorzeigeunternehmen im Kreditmarkt. Kürzlich musste der US-Konzern aufgrund des E-Commerce-Wettbewerbs Insolvenz anmelden. Solche Risiken gilt es frühzeitig zu erkennen.Anleger sollten bei ihren Investments stets die Zukunft im Blick haben. Sich auf den aktuellen Konjunkturaufschwung zu stützen, ist keine gute Idee. Frühindikatoren deuten darauf hin, dass sich das Wirtschaftsklima im Euroraum deutlich abkühlen könnte. So ist beispielsweise der Ifo-Geschäftsklimaindex von seinem Hoch im November bei 105,2 Punkten bis auf 102,1 Zähler im April abgesackt.Fazit: Anleger müssen ihr Anlageverhalten anpassen, um mittelfristig positive Renditen zu erwirtschaften. Früher konnten sie bei schwankungsintensiven Aktienmarktphasen relativ unkompliziert von Aktien in risikoarme Renteninvestments wie Unternehmens- und Staatsanleihen bonitätsstarker Emittenten umschichten. Angesichts des schwachen Zinsniveaus werfen solche Anlagen jedoch schon länger keine nennenswerten Renditen mehr ab. Zumal die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Europäische Zentralbank im Zuge der fallenden Frühindikatoren oder nachlassenden Wachstumsdynamik das Zeitfenster für Zinsanhebungen verpassen könnte.—-Adrian DanielFondsmanager des Mainfirst Absolute Return Multi Asset