Theresa May sagt Brexit-Abstimmung ab

Alternative Lösung für Nordirland gesucht - EuGH gesteht einseitiges Rücktrittsrecht vom Austritt zu

Theresa May sagt Brexit-Abstimmung ab

hip/ahe/ck London/Brüssel – Die britische Premierministerin Theresa May hat die für heute angesetzte Abstimmung über den in ihrem Namen ausgehandelten Austrittsvertrag abgesagt. Mehr als 100 Abgeordnete ihrer eigenen Partei hatten zuvor angekündigt, den Deal nicht mittragen zu können. Auch die nordirischen Unionisten, ohne die May über keine Mehrheit im Unterhaus verfügt, verweigerten ihr die Gefolgschaft. Teile ihres Kabinetts, die eine peinliche Abstimmungsniederlage vermeiden wollten, übten offenbar ausreichend Druck aus, um noch etwas Zeit für Nachbesserungen herauszuholen. Allerdings gibt es in Brüssel kein Interesse, beim umstrittenen Backstop nachzuverhandeln. Dabei handelt es sich um die Bestimmung, dass Großbritannien so lange in der Zollunion bleiben muss, bis sich beide Seiten auf eine bessere Lösung zur Ausgestaltung der neuen EU-Außengrenze auf der Grünen Insel geeinigt haben. Bis zum 21. Januar muss abgestimmt werden. “Die Frage ist: Wollen wir die richtige Entscheidung oder eine schnelle Entscheidung?”, sagte der für den internationalen Handel zuständige Staatssekretär Liam Fox. Er gebe May gerne den Spielraum, den sie benötige. So könne es nicht weitergehen, sagte dagegen der prominente Brexiteer Jacob Rees-Mogg. “Die Premierministerin muss entweder regieren oder gehen.”Derweil hat das oberste Gericht der EU der Regierung in London eine weitere Option eröffnet: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied nämlich, dass Großbritannien den Brexit-Prozess doch noch einseitig stoppen könnte und dafür nicht die Zustimmung der 27 EU-Partner benötigen würde. Das Gericht widersprach damit der Rechtsmeinung von EU-Kommission und den nationalen Regierungen. Dem Urteil zufolge könnte London mit einer “eindeutigen und bedingungslosen Entscheidung” zum Verbleib in der EU und einer entsprechenden schriftlichen Mitteilung unter unveränderten Bedingungen EU-Mitglied bleiben. Ein Rückzieher von der Absicht zum Austritt sei wie diese selbst ein souveräner Akt eines Staats.Das britische Pfund reagierte mit deutlich nachgebenden Notierungen. Es sank bis auf 1,2508 Dollar, was dem tiefsten Stand seit dem April 2017 entsprach, und lag zuletzt mit einem Minus von 1,3 % bei 1,2568 Dollar. Der britische Aktienmarkt zeigte sich erneut gespalten. Der FTSE 100, dessen Mitglieder den weit überwiegenden Teil ihrer Erlöse im Ausland generieren, hielt sich mit einem Minus von 0,8 % relativ stabil. Dagegen gab der von eher inlandsorientierten Firmen geprägte FTSE 250 mit einem Minus von 2 % deutlicher nach. Der Dax sank um 1,5 % auf 10 622 Zähler.—– Berichte Seiten 4, 13 und 14