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Totgesagte leben länger

Von Jörg Rohmann *) Börsen-Zeitung, 8.4.2014 Der austr. Dollar verzeichnete im vergangenen Jahr die miserabelste Kursentwicklung zum US-Dollar unter allen Währungen der Industrieländer. Gegenüber dem US-Dollar verbuchte er ein Minus von 12,6 %. Zum...

Totgesagte leben länger

Von Jörg Rohmann *)Der austr. Dollar verzeichnete im vergangenen Jahr die miserabelste Kursentwicklung zum US-Dollar unter allen Währungen der Industrieländer. Gegenüber dem US-Dollar verbuchte er ein Minus von 12,6 %. Zum Verhängnis wurde dem “Aussie” seine Beliebtheit, die er aufgrund der hohen Realzinsdifferenz gegenüber Niedrigzinsräumen wie dem Euro- oder US-Dollarraum genoss. Die starken Kapitalzuflüsse sorgten dabei für einen künstlichen Höhenflug. Auch die Leitzinssenkungen der australischen Notenbank (RBA) seit dem Jahr 2011 sowie die Abschwächung des chinesischen Wirtschaftswachstums änderten daran nichts.Dies drehte sich sprunghaft im Mai 2013 mit der Ankündigung der US-Notenbank, die expansive Geldpolitik zurückzufahren. Mit den darauf folgenden Verwerfungen in den Schwellenländern wurden ebenfalls die immanenten Risiken des Rohstofflandes Australien offensichtlich. Die Folge war eine dynamische Abwärtsbewegung. Zu Beginn des Jahres 2014 war es daher auch Marktkonsens, dass weiter fallende Kurse bis in den Bereich von 0,80 Dollar zu erwarten seien. Dann passierte aber etwas Erstaunliches: Die australische Währung legte zu, seit Jahresanfang um 3,6 %. Dafür verantwortlich sind drei ganz entscheidende Entwicklungen, die auch das Potenzial haben, den australischen Dollar nachhaltig aufzuwerten.Alle wichtigen Wirtschaftsregionen wachsen das erste Mal seit 2010 wieder synchron. Das ist insbesondere vor der Tatsache ausschlaggebend, dass Australien wie kaum kein anderes Land auf den Rohstoffboom gesetzt hat. Bei Industriemetallen ist Australien einer der führenden Exporteure, bei Eisenerz belegt “Down Under” sogar Platz 1. Wichtigster Abnehmer ist China. Das schwächere Wirtschaftswachstum in China und die Gefahr einer unkontrollierten Deflationierung der chinesischen Kreditblase haben die Befürchtung genährt, dass die Rohstoffnachfrage aus China einbrechen könnte. Belege dafür sahen einige Analysten in dem unlängst stattgefundenen Abverkauf bei Kupfer und Eisenerz. Unverminderte NachfrageBei genauerer Betrachtung verliert dieser Zusammenhang jedoch an Substanz. Denn erst im Januar waren die chinesischen Kupferimporte auf den höchsten jemals verzeichneten Stand geklettert. Im Jahresvergleich war ein Zuwachs von über 50 % zu beobachten und auch die Eisenerzimporte stiegen um 33 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die unverminderte Nachfrage aus China hat sich damit mittelfristig sogar stärkend auf die australischen Exporte ausgewirkt. Diese zogen von 73 Mrd. 2012 auf 95 Mrd. austr. Dollar im Jahr 2013 an. Die Handelsbilanz ist damit Ende 2013 erstmalig seit 2011 wieder positiv. Und China sendet weiter positive Signale an Australien: Es wurden partielle Konjunkturmaßnahmen ergriffen, um das diesjährige Wachstumsziel von 7,5 % zu erreichen. Beispielsweise wurde der Bau von fünf Eisenbahnstrecken in China im Wert von 24 Mrd. US-Dollar beschlossen und chinesische Elektrizitätsunternehmen haben ihre Investitionen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um 22 % erhöht. Das teils diskontierte Szenario eines chinesischen Wirtschaftseinbruchs mit negativen Rückkopplungseffekten auf Australien erscheint stark überzogen.Die zweite Entwicklung, die für den “Aussie” spricht, liegt in der anziehenden australischen Binnenkonjunktur. Die RBA hat die Leitzinsen von 4,75 % im Jahr 2011 auf aktuell 2,5 % gesenkt, um andere Wirtschaftszweige außerhalb des Rohstoffsektors zu stimulieren und damit die Wachstumseinbußen zurückgehender Mineninvestitionen zu kompensieren. Diese Strategie trägt langsam, aber erkennbar Früchte. Das Wirtschaftswachstum fiel im vierten Quartal 2013 mit 2,8 % höher als erwartet aus und wurde neben dem starken Export insbesondere durch einen neuen Hausmarktboom angetrieben. Baugenehmigungen haben im Januar den höchsten Stand seit zehn Jahren erreicht. Auf dem Arbeitsmarkt sind ebenfalls die ersten positiven Entwicklungen zu beobachten. Zwar hat die Arbeitslosenquote mit 6 % den höchsten Stand seit 2003 erreicht, aber im Februar wurden 80 500 neue Vollzeitstellen geschaffen. Das ist der zweithöchste jemals gemessene Wert. Die Zahl der Beschäftigten stieg um 47 300 und schlug die Erwartungen von 15 000 als deutlich. Diese Entwicklung schlägt wiederum auf die den Binnenkonsum durch. Im Februar wurde mit 5,9 % der höchste Jahreszuwachs bei den Einzelhandelsumsätzen seit Januar 2008 verzeichnet. Damit verdichten sich die Hinweise, dass Australien die Transformation von einer investmentorientierten hin zu einer vom Privatkonsum getriebenen Wirtschaft erfolgreich vollzieht. Inflation zieht anLast, but not least sind durch die Abwertung des austr. Dollar die Importpreise deutlich gestiegen und haben die Inflation von ihrem Tiefpunkt im zweiten Quartal 2012 von 1,21 % auf 2,8 % im vierten Quartal 2013 anziehen lassen. Damit liegt der Wert am oberen Rand der angestrebten Spanne der Notenbank zwischen 2 und 3 %. Von Deflationssorgen wie in Europa oder den USA kann keine Rede sein. Perspektivisch könnte sogar eher der Inflationsdruck zunehmen. Vor diesem Hintergrund erscheinen weitere Leitzinssenkungen unwahrscheinlich. Die letzte Senkung erfolgte im August vergangenen Jahres. Danach folgten reine Verbalinterventionen der RBA und selbst diese wurden Anfang des Jahres fast vollständig eingestellt. An dieser Stelle bereits darüber zu spekulieren, ob noch dieses Jahr in Australien sogar eine Zinsanhebung stattfinden wird, mag auf den ersten Blick verfrüht erscheinen. Denn wie auch andere Notenbanken wird die RBA sicher sein wollen, dass die wirtschaftliche Transformation auf festen Füßen steht und solides Wachstum und Verbesserungen am Arbeitsmarkt nachhaltig sichtbar werden. Aber die Marktteilnehmer könnten aufgrund eines besseren Makroumfelds beginnen, diesen Umstand im Jahresverlauf einzupreisen.Der “Aussie” könnte dieses Jahr entgegen dem Marktkonsens für eine Überraschung sorgen. Dafür muss aber der Arbeitsmarkt einen nachhaltigen Umschwung einleiten und die graduelle Eindämmung der chinesischen Kreditblase ohne nennenswerte Wachstumseinbußen vollzogen werden. In diesem Szenario könnte die Inflationsrate über 3 % ansteigen und damit die RBA perspektivisch unter Druck setzen, die Leitzinsen anzuheben, was dem austr. Dollar Auftrieb verleihen würde. Ob mit oder ohne Leitzinsanhebung: Der austr. Dollar hat gute Chancen auf ein Comeback.—-*) Jörg Rohmann ist Chief Market Analyst bei Alpari.