Eine kalkulierte Wette auf den Hybridmotor
Geld oder Brief
Toyota ist eine Wette auf den Hybridmotor
Von Martin Fritz, Tokio
Beim Batterie-Elektroauto ist Toyota immer noch der Nachzügler unter den großen Fahrzeugherstellern. Dafür fahren die Japaner beim Hybridantrieb allen anderen weit voraus. Immer mehr Modelle mit einem Benzin-Elektro-Motor kommen ins Angebot. Toyota könnte der erste Hersteller werden, der in Europa und den USA in seiner Modellpalette gar keinen reinen Verbrennungsmotor mehr anbietet. Mit der Toyota-Aktie wettet man auf eine stärkere und längere Hybridnachfrage, während der Marktanteil von Batterieautos nur langsam wächst.
HEVs hui, BEVs pfui
Genau von diesem Szenario geht jedenfalls die Toyota-Gruppe (Toyota, Luxussparte Lexus, Daihatsu-Kleinwagen und Hino-Laster) in ihrer mittelfristigen Strategie aus. In der ersten Hälfte dieses Jahres verkaufte der Weltmarktführer aus Japan 73.000 BEVs, wie man die Batterieautos dort nennt. Im aktuellen Geschäftsjahr (bis März 2025) liegt das Absatzziel lediglich bei 117.000 Stück.
Das erste Batterieauto auf einer eigenen BEV-Plattform kommt erst 2026 und zwar von der Luxusmarke Lexus, also nicht als Massenmodell. Bis 2030 soll die Verkaufszahl der Batterieautos dann auf 3 Mill. Stück steigen, das wären rund 27% des Gesamtabsatzes von 11,1 Mill. Fahrzeugen im Jahr 2023.
Dagegen strebt Toyota für 2024 den Absatz von knapp 4,8 Mill. Fahrzeugen mit einem Hybridmotor an, in der Firmensprache HEVs genannt. Das wäre eine Steigerung um 25% zum Vorjahr auf einen Gesamtanteil von 44%. Diese Prognose beruht teilweise darauf, dass mehr Käufer wegen der hohen Preise und unsicheren Reichweite ein Hybrid- statt ein Batterieauto kaufen. Dadurch erhält Toyota mehr Zeit, eine kostengünstige Fertigung von BEV-Massenmodellen zu entwickeln und genug Fabrikkapazitäten aufzubauen.
Mehr Flexibilität in der Planung
Zugleich sorgt der Hybridboom bei den Japanern für sprudelnde Gewinne, mit denen sie die immensen Entwicklungs- und Kapitalausgaben für BEVs von allein 35 Mrd. Dollar in den USA leichter stemmen können. Nach eigenen Angaben verdient Toyota mit Hybridautos mehr als mit reinen Verbrennern, weil der Antrieb seit den 1990er Jahren kostenoptimiert wurde. Die starke Hybridnachfrage „verschafft Toyota die Flexibilität, wie viele Batterieautomodelle man wie schnell auf den Markt bringt“, formulierte es Katsuhiko Hirose, Chefingenieur für Antriebsstränge von 2001 bis 2019, gegenüber Reuters.
Die Verkaufszahlen in der ersten Jahreshälfte 2024 bestätigen den Hybrid-Siegeszug. In den USA wuchs der Absatz dieser Modelle um 66% zum Vorjahr auf rund 439.000 Fahrzeugen. Steigt der Anteil auf fast 100%, könnte Toyota die ab 2027 verschärften US-Emissionsvorgaben für seine Modellflotte sogar ohne Batterieautos einhalten. Der Hybridanteil am eigenen Gesamtabsatz in den USA kletterte auf über 38%.
In Europa hatten im ersten Halbjahr sogar 70% der knapp 627.000 verkauften Toyota- und Lexus-Modelle einen Hybridmotor unter der Haube, in Japan lag dieser Anteil über 50%. Dennoch gibt es noch Luft nach oben: Der Hybridanteil am gesamten Autoabsatz in den USA und Europa liegt noch jeweils unter 10%. Zudem plant Toyota angeblich, die neue BEV-Plattform für einen effizienteren „umgekehrten“ Hybridantrieb zu verwenden, also ein großer Elektromotor, den ein kleiner Benzinmotor unterstützt.
Aufwertung des Yen belastet
Trotz dieser positiven Aussichten befindet sich die Aktie seit dem Allzeithoch von 3.872 Yen im März im Sinkflug. Erst verursachte ein neuer Testskandal in Japan einen Produktionsstopp, dazu kamen größere Rückrufe in den USA. Dann enttäuschte die Prognose für 2024, wonach der operative Gewinn um 20% und der Nettoertrag um 28% zurückgehen wird.
Schließlich drückte die Aufwertung des Yen den Kurs nach unten. Die drei Monate zwischen April und Juni waren voraussichtlich das vorläufig letzte Quartal mit einem positiven Yen-Bilanzeffekt. Diesmal wurden 370 Mrd. Yen (2,3 Mrd. Euro) in die Kasse gespült, weil der Yen auf neue Tiefs fiel. Doch Ende Juni drehte der Trend, der Yen wertete auf. Einer Faustregel zufolge gilt: Fällt der Dollar-Wechselkurs um 1 Yen, sinkt das Betriebsergebnis von Toyota um 45 Mrd. Yen (283 Mill. Euro). Die Jahresprognose basiert auf einem Wechselkurs von 145 Yen zum Dollar (aktuell 144) und 160 Yen zum Euro (aktuell: 159). Eine weitere Aufwertung könnte eine negative Korrektur der Prognose erfordern.
Attraktive Kennzahlen
Am Donnerstag schloss die Aktie in Tokio auf 2.616 Yen, zwar ein Drittel unter dem Allzeithoch, aber noch 45% höher als im März 2023, als Warren Buffett mit seinem Besuch in Tokio den Startschuss für die fulminante Japan-Rally abgab. Das Unternehmen mit dem höchsten Jahresumsatz und den meisten Gewinnen in Japan wird aktuell mit einem Kurs-Buch-Verhältnis von 1, einem nachlaufenden Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,5 und einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,76 hochattraktiv bewertet.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr zahlte Toyota die Rekorddividende von 75 Yen, was eine Rendite von 2,9% ergäbe. Geplant sind Aktienrückkäufe für bis 1 Bill. Yen (6,2 Mrd. Euro) und die Annullierung von 3% aller Anteilsscheine. Hybridantrieb hin, Batterieauto her: Wer einen Value-Titel aus Japan sucht, kommt an Toyota kaum vorbei.