Trotz Kursverfalls kaum attraktiv

Politische Risiken wiegen die niedrige Bewertung deutscher Versorger auf - Bessere Alternativen in Europa

Trotz Kursverfalls kaum attraktiv

Value-Investoren mögen deutsche Versorgeraktien wegen ihrer tiefen Bewertung. Trotz des Ausverkaufs im September und hoher Dividendenrenditen stehen politische Risiken einer Höherbewertung entgegen. Generell ist der Versorgersektor ein schwieriges Investitionsgebiet.Von Dietegen Müller, FrankfurtWertorientierte Investoren steigen oft zu früh ein und verkaufen zu früh. Diese Timing-Falle war im Fall der deutschen Versorger Eon und RWE besonders schmerzhaft. Auf bereits ermäßigtem Bewertungsniveau setzte im August ein Meltdown der Bewertung ein, als durchsickerte, dass die Konzerne für die Kosten von AKW-Stilllegung sowie Entsorgung und Lagerung der Nuklearabfälle unbegrenzt von der Regierung in die Pflicht genommen werden.Der Wegfall der impliziten Staatsgarantie – wie im Fall der AKW-lastigen Electricité de France – führte dazu, dass Investoren eine mögliche unkalkulierbare Kostenexplosion im Bewertungsszenario berücksichtigen mussten, und eine Kapitalerhöhung schien in greifbare Nähe gerückt. Dieses Worst-Case-Szenario ist bisher nicht eingetreten, die Kurse haben sich wieder etwas erholt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass ein vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebener Stresstest den Versorgern bescheinigte, die bisherigen Atomrückstellungen seien prinzipiell ausreichend. Auch sagte die Regierung, sie habe Interesse an einer Weiterexistenz der Unternehmen. Größere Korrekturen an der Rückstellungsbilanzierung etwa durch gezielte Zuordnung risikoärmerer Vermögenswerte oder durch Senkung der Abzinsungssätze sind akut nicht zu erwarten. Fragezeichen AtomlastenDie Bewertung des Geschäftsmodells bleibt aber ausgesprochen schwierig. Die Ratingagenturen sind skeptisch, was für das kapitalintensive Geschäftsmodell ungünstig ist. Je nach unterlegtem Zinssatz und Kostensteigerungsrate gehen die Barwertschätzungen für die Kosten des Atomausstiegs markant auseinander. Die vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Prüfer Warth & Klein Grant Thornton errechneten eine mögliche Spanne zwischen 29,9 Mrd. und 77,4 Mrd. Euro für die Atomlasten von EnBW, Vattenfall, Eon und RWE und Stadtwerke München.Selbst an der Obergrenze sind die Altlasten zwar durch das – stichtagsbezogene – Reinvermögen gedeckt. Aus Investorensicht zentral ist aber die Frage der Dividendentragfähigkeit. Hinsichtlich der Ertragsströme schreiben die Prüfer, mit dem Vormarsch erneuerbarer Energien könne der “Bedeutungsverlust der konventionellen Stromproduktion” nicht “ausgeglichen werden”. Die Versorger werden sich von integrierten Anbietern zu vertriebslastigen, dezentralen Unternehmen umbauen müssen und signifikante Cash-flows langfristig wohl nur noch im Vertrieb erwirtschaften (siehe Grafik).Am Aktienmarkt genießen Unternehmen, die nicht in der Erzeugung, sondern vornehmlich im Vertrieb aktiv sind, zwar einen Bewertungsaufschlag. Die geplante Aufspaltung von Eon versucht dieses Potenzial zu heben. Durch die Haftungsausweitung bleiben die Atomrisiken aber als Klotz am Bein und limitieren das Aufwertungspotenzial für das neue, vertriebslastige Kerngeschäft. Immerhin sind in linearer Betrachtung, unter Annahme schrittweiser Schuldenrückzahlung und Erfüllung der hohen Pensionsverpflichtungen, die Atomlasten laut Warth & Klein Grant Thornton durch den Cash-flow gedeckt. Auch bleibt eine attraktive Dividende finanzierbar.Eon bietet heute eine attraktive, einigermaßen stabile Rendite. Mehrheitlich empfehlen die von Bloomberg erfassten Analysten Eon zum Kauf oder Halten (je 41 %). RWE schneidet schlechter ab. Der hohe Bilanz-Goodwill und die Abhängigkeit von emissionsreicher, unter Margendruck stehender Kohleverstromung ist groß, die aktionärsfreundliche Dividendenpolitik gefährdet. Als Geldparkplatz sind Eon besser geeignet. Strompreisschwäche hält anDie deutschen Versorger bleiben weiter von unsicheren Rahmenbedingungen wie etwa den Finanzierungsmodalitäten des Atomausstiegs gebremst. Diesen Malus haben andere Versorger, die international diversifiziert sind und hohe Renditen bieten (vgl. Tabelle), wie Enel, Engie, weniger, was sich in einer höheren Bewertung, aber auch einer stabileren Kursentwicklung zeigt.Reizvoll sind auch BKW, die von einem nach den Wahlen hinausgezögerten Atomausstieg in der Schweiz profitieren könnten. Von Marktbeobachtern prognostizierte, bis 2018 oder darüber sinkende Strompreise in Europa und die Dezentralisierung der Energieversorgung belasten etablierte Geschäftsmodelle und Margen überall, weshalb der Sektor nicht zu den Favoriten zählen sollte.