DEVISENWOCHE

Trügerischer Zusammenhang

Von Martin Güth *) Börsen-Zeitung, 16.5.2017 Der visuelle Befund scheint wenig Zweifel zu lassen: Seit Beginn des Jahrtausends liegt ein starker inverser Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Ölpreises und des US-Dollar vor. Ein hoher Ölpreis...

Trügerischer Zusammenhang

Von Martin Güth *)Der visuelle Befund scheint wenig Zweifel zu lassen: Seit Beginn des Jahrtausends liegt ein starker inverser Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Ölpreises und des US-Dollar vor. Ein hoher Ölpreis ging mit einem schwachen Dollar einher und umgekehrt. Dargestellt ist der Zusammenhang in der Grafik anhand des breiten Dollar-Index der Fed. Aber auch die Betrachtung allein des Euro-Dollar-Kurses zeigt einen ähnlichen, scheinbar überzeugenden Gleichlauf. Doch welche Wechselwirkung besteht hier, und inwieweit sollte für die Zukunft ein ähnlicher Gleichlauf erwartet werden?Da die USA Netto-Ölimporteur sind, wirkt es erst einmal plausibel, dass eine höhere Ölrechnung negativ für die US-Wirtschaft und den Dollar ist. Einzuwenden ist aber, dass die USA ihre Ölproduktion in den letzten zehn Jahren kräftig angekurbelt haben. Die Menge an importiertem Öl betrug 2016 daher nur noch etwa 40 % der durchschnittlichen Importe des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends. Einzuwenden ist ferner, dass viele Ölförderländer ihre Währung an den Dollar gekoppelt haben. Diese Länder profitieren von einem Ölpreisanstieg, was aufgrund der Währungskoppelung Aufwertungsdruck auf den Dollar ausüben sollte, da die Einnahmen der Ölexporteure überproportional in den USA ausgegeben bzw. investiert werden dürften.Mit Blick auf den breiten Dollar-Index ist ein gewisser Fortbestand des beobachteten Zusammenhangs dennoch zu erwarten, da die Ölförderländer Mexiko und Kanada ein bedeutendes Gewicht innerhalb des Index besitzen und ein steigender Ölpreis deren Währungen aufwerten lässt. Der Euroraum fördert hingegen kaum Öl, ein hoher Ölpreis sollte daher – entgegen der historischen Beobachtung – eigentlich mit einer Euro-Schwäche gegenüber dem Dollar einhergehen.Für die Vergangenheit mag die unterschiedliche Reaktion von EZB und Fed auf einen Ölpreisschock zur Erklärung des Wechselkurses beitragen. Unter den Präsidenten Duisenberg und Trichet verfolgte die EZB ein sehr striktes Inflationsziel, während die Fed durch ölpreisbedingte Inflation eher “hindurchsah”. Aufgrund der Verschiebung der Zinsdifferenz kam daher ein steigender Ölpreis vor allem dem Euro zugute. Unter Präsident Draghi ist die EZB in dieser Hinsicht aber deutlich “amerikanischer” geworden.Die umgekehrte Wirkungsrichtung anzunehmen, ist grundsätzlich plausibel. Wertet der Dollar auf und der Ölpreis bleibt (gemessen in Dollar) unverändert, dann steigt der Ölpreis gemessen in Lokalwährung für die Ölimportländer aus dem Nichtdollarraum, und diese Länder werden daher mit einem Rückgang ihrer Ölnachfrage reagieren. Dieser Nachfragerückgang lässt dann den Ölpreis sinken. Auch für das Ölangebot hat eine Aufwertung des Dollar Folgen, denn für Ölförderländer, deren Währung nicht an den Dollar gekoppelt ist, erhöhen sich gemessen in Lokalwährung die Einnahmen, während die Förderkosten weitgehend unverändert bleiben. Dies stellt für die Ölförderer einen Anreiz dar, die Förderung zu erhöhen, wodurch der Ölpreis sinken sollte. Dennoch hat die Argumentation einen Pferdefuß, denn sie kann nur Ölpreisschwankungen erklären, die kleiner sind als die Bewegung des Dollar. Eine Studie der EZB kommt zu dem Ergebnis, dass ein Dollar-Rückgang um 1 % einen Ölpreisanstieg um 0,73 % mit sich bringt. Seit 1999 lag die durchschnittliche jährliche Volatilität des Euro-Dollar-Kurses aber lediglich bei 10 %, jene des Ölpreises dagegen bei knapp 40 %. Das heißt: Der Dollar-Kurs kann zwar den Ölpreis erklären, aber nur zu einem sehr kleinen Teil. Gibt es eine dritte Kraft?Auch ohne unmittelbare Wechselwirkung kann ein systematischer Zusammenhang zwischen Ölpreis und Dollar bestehen, wenn wachsender Konjunkturpessimismus und steigende Risikoaversion sowohl den Ölpreis fallen als auch den Dollar aufwerten lassen. Allerdings ist nicht in jedem Fall klar, dass der Dollar den “sicheren Hafen” für die Marktakteure darstellt. Seine hohe Liquidität spricht sicherlich dafür, und auch die Dollar-Aufwertung während der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 kann als Bestätigung dieser Sichtweise dienen. Allerdings gibt es andere Staaten wie Japan oder die Schweiz, die aufgrund ihrer hohen Nettoauslandsvermögen noch stärker als sichere Häfen prädestiniert sind.Die Rolle der Risikoaversion dürfte auch künftig ihre Bedeutung haben, aber eben nur in den Phasen, in denen sie tatsächlich ein großes Thema ist und der Dollar in dieser Phase als sicherer Hafen wahrgenommen wird. Der Einfluss ist damit zeitlich begrenzt und nicht stabil. Hinsichtlich der anderen betrachteten Erklärungsansätze bleibt als Fazit festzuhalten, dass sie nicht überzeugen können – insbesondere mit Blick auf die Zukunft -, einen dauerhaften und deutlich spürbaren Zusammenhang zwischen Ölpreis und Dollar zu unterstellen. Die Entwicklung der vergangenen Monate wird nach vorne blickend nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein.—-*) Martin Güth ist Devisenstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg.