TECHNISCHE ANALYSE

Trump-Sieg wirkt wie ein Katalysator

Von Jörg Scherer *) Börsen-Zeitung, 23.11.2016 Langsam, aber sicher neigt sich das Börsenjahr 2016 seinem Ende zu. In vielerlei Hinsicht war es ein extremes, denn an Herausforderungen bzw. Überraschungen hat es nicht gemangelt. Mit der scharfen...

Trump-Sieg wirkt wie ein Katalysator

Von Jörg Scherer *)Langsam, aber sicher neigt sich das Börsenjahr 2016 seinem Ende zu. In vielerlei Hinsicht war es ein extremes, denn an Herausforderungen bzw. Überraschungen hat es nicht gemangelt. Mit der scharfen Korrektur am Aktienmarkt zu Jahresbeginn – und zwar vom ersten Handelstag des Jahres an -, dem Brexit-Referendum in Großbritannien sowie dem Ausgang der US-Präsidentschaftswahl möchten wir nochmals an die drei wichtigsten Ereignisse erinnern. Die Wahl des Republikaners Trump zum nächsten Präsidenten der USA brachte vor allem auf der Zinsseite sowie beim Währungspaar Euro/Dollar einiges an Bewegung. Sind diese aus technischer Sicht nachhaltig? Euro unter DruckBeginnen möchten wir an dieser Stelle mit dem Blick auf den Euro im Vergleich zum US-Dollar, wo es am Tag nach der US-Präsidentschaftswahl mit einer Tagesspanne von mehr als 3,5 US-Cent zur größten Schwankungsbreite seit dem Brexit-Referendum kam. Gleichzeitig erfuhr das wichtige Barrierenbündel bei rund 1,12 Dollar durch den markanten Docht der verzeichneten Tageskerze eine zusätzliche Bestätigung. Dieses besteht aus dem ehemaligen Erholungstrend seit Dezember 2015 (aktuell bei 1,1168 Dollar), der 200-Tage-Linie (aktuell bei 1,1157 Dollar) sowie dem Anfang Mai etablierten Baissetrend (aktuell bei 1,1157 Dollar). Seither steht die Einheitswährung unter Druck und musste jüngst mit 1,0567 Dollar sogar ein neues Jahrestief verkraften. Damit rücken gleichzeitig die Unterstützungen in Form der Tiefpunkte vom Dezember bzw. März 2015 bei 1,0538/1,0456 Dollar ins Blickfeld. Da die angeführten Tiefs gleichzeitig als untere Begrenzungen der seit Januar 2015 bestehenden Schiebezone fungieren, kann deren Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Eine Serie von zehn roten Tageskerzen in Folge quittiert bei den technischen Indikatoren der RSI mittlerweile mit einem Vordringen in überverkauftes Terrain. Zusammen mit dem zu Wochenbeginn auf Basis der erwähnten Schlüsselunterstützungen ausgeprägten “bullish engulfing” sollte der Oszillator einen unmittelbaren Bruch der angeführten Bastion verhindern können. Vielmehr favorisieren wir eine Erholung in Richtung des ehemaligen Jahrestiefs von Anfang Januar bei 1,0746 Dollar bzw. der Tiefs vom März bei gut 1,08 Dollar. Jenseits dieser kurzfristigen Betrachtung hätte ein Abgleiten unter die Schlüsselmarken bei rund 1,05 Dollar schwerwiegende Implikationen. Zum einen wäre dann die seit fast zwei Jahren bestehende seitliche Schiebezone nach unten aufgelöst, zum anderen müssten sich Anleger dann auf einen dynamischen Bewegungsimpuls einstellen. Ein wichtiges Indiz in diese Richtung liefern die Bollinger-Bänder, die sich auf monatlicher Basis extrem dicht zusammengezogen haben. In der Vergangenheit waren so dicht beieinanderliegende Begrenzungen des Volatilitätsindikators stets ein guter Nährboden für die Etablierung eines neuen Trends, der dann mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell, dynamisch und nachhaltig ausfällt.Auf der Zinsseite hat sich nach dem Wahlsieg Trumps der Anstieg bei der zehnjährigen US-Rendite beschleunigt. Von dem historischen Tief vom Juli bei 1,32 % haben sich die amerikanischen Zinsen inzwischen um mehr als 100 Stellen erholt. Aus charttechnischer Sicht muss das zuvor angeführte Verlaufstief mittlerweile als Übertreibung nach unten angesehen werden, zumal mit der Rückkehr in den Basisabwärtstrendkanal seit Anfang der 1980er Jahre (untere Begrenzung aktuell bei 1,75 %) bzw. dem Bruch des steilen Baissetrends seit Sommer 2007 (aktuell bei 2,17 %) weitere wichtige Weichenstellungen folgten. Da das Börsenjahr 2016 nicht mehr allzu viele Handelstage bereithält, lohnt sich zudem ein Blick auf den Jahreschart. In dieser hohen Zeitebene zeichnet sich ein Candlestick-Umkehrmuster in Form eines klassischen “Hammers” ab. Interessanterweise wurde bereits im Vorjahr ein ähnliches Kursmuster ausgeprägt. Das zweite Jahr in Folge wurde auf Basis der unteren Begrenzung des Abwärtstrends der letzten gut 30 Jahre ein Trendwendesignal ausgebildet. Übergeordnet müssen die letzten Wochen deshalb als Hypothek für das Jahr 2017 bezeichnet werden. Davon ist allerdings das kurzfristige technische Bild zu unterscheiden. Schließlich hat die zehnjährige Rendite mit der horizontalen Widerstandszone zwischen 2,33 % und 2,50 % hohe Hürden unmittelbar vor der Brust. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf den US-T-Bond-Future: Nicht nur, dass das Zinsbarometer bei knapp 153 eine wichtige Unterstützungszone erreicht hat, mittlerweile notiert der RSI auch tief im überverkauften Terrain. Gleichzeitig erreicht die Trenddynamik – gemessen am ADX – mit einem Wert von fast 65 ein höchst selten erreichtes Niveau. Dynamik kaum zu steigernMit anderen Worten: Die Dynamik der jüngsten Korrektur lässt sich kaum noch steigern und bedarf vielmehr einer Atempause. In die gleiche Kerbe schlagen die jüngsten CoT-Daten. Seit einigen Wochen sind die “Commercials” erstmals seit Dezember 2015 wieder “long” positioniert. In der Summe erwarten wir kurzfristig sowohl auf dem Zins- als auch auf dem Währungsmarkt eine Stabilisierung. Erst im kommenden Jahr müssen Investoren mit neuerlichen Verwerfungen rechnen.—-*) Jörg Scherer ist Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.