IM INTERVIEW: BERNHARD EBERT, BETHMANN BANK

"Trumps Wahlsieg ist keine Katastrophe"

Chefanlagestratege: Die fundamentalen Rahmenbedingungen haben sich verbessert - Schwäche können zum Positionsaufbau genutzt werden

"Trumps Wahlsieg ist keine Katastrophe"

Der Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen wirbelt die Märkte kräftig durcheinander. Nach Einschätzung des Chefanlagestrategen der Bethmann Bank, Bernhard Ebert, ergibt sich dadurch nun eine neue Unsicherheit für die Aktienmärkte. Er ist aber zuversichtlich, was er mit verbesserten fundamentalen Rahmenbedingungen begründet.- Herr Ebert, was bedeutet der Wahlsieg von Donald Trump für die Aktienmärkte?Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Losung “Politische Börsen haben kurze Beine” gilt oder nicht. Wird sich an den Märkten die bereits im dritten Quartal erfolgte Wende bei den Unternehmensgewinnen durchsetzen, oder entsteht durch Trump eine völlig neue Situation? Dass Trump die Neuverhandlung von Handelsabkommen angekündigt hat, sehe ich gelassen. Schließlich muss er seinen Anhängern solche Botschaften bieten. Doch bloße Ankündigungen ändern wenig. Ob nach Gesprächen mit den Nafta-Partnern wirklich etwas passiert, bleibt ungewiss. Auch die Tatsache, dass Trump TTIP für beendet erklärt hat, ändert real noch wenig. Probleme sehe ich eher auf politischer Ebene.- Was meinen Sie damit?Der Wahlsieg Trumps könnte den Populisten in Europa weiteren Auftrieb geben. Viele Menschen scheinen diesen bereitwillig zu folgen. Die von Populisten angerichteten Schäden werden erst später registriert. Ich habe die Sorge, dass Abschottung und Populismus weiter voranschreiten.- Wie wird sich der Aktienmarkt nun entwickeln?Mit Hillary Clinton wären wir wahrscheinlich in die Jahresend-Rallye gestartet. Hintergrund ist, dass sich aus fundamentaler Sicht vieles verbessert hat. Nach der Wahl bleibt eine gewisse Unsicherheit. Allerdings haben die Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit, so dass Trump künftig einiges bewegen kann. Er hat angekündigt, Obamacare abzuschaffen, und das wird seine Partei wohl unterstützen. Aber Trump muss auch auf die Kritiker unter den Republikanern eingehen. Ungewiss ist zum Beispiel, was er außenpolitisch unternimmt, etwa in Syrien. Ziehen sich die USA dort zurück, und was heißt das für den Ölpreis?- Was raten Sie Ihren Kunden?Kunden, die nicht investiert sind, können jetzt Schwächen nutzen, um Positionen aufzubauen. Denn die fundamentalen Rahmenbedingungen verbessern sich. Ich glaube, Trumps Wahlsieg ist keine Katastrophe, auch wenn wir für einige Zeit mit mehr Volatilität rechnen müssen.- Bietet sich durch den Sturz des Peso jetzt eine Einstiegsgelegenheit?Man kann natürlich die Frage aufwerfen, ob eine Situation vorliegt, die mit dem Pfund nach dem Brexit-Votum vergleichbar ist. Ich habe da erhebliche Zweifel. Mexiko verfügt nicht über die ökonomische Kraft Großbritanniens. Zudem hat Trump vor, das Freihandelsabkommen Nafta neu zu verhandeln und Wertschöpfung in die USA zurückzuholen. Bei Letzterem stellt sich allerdings das Problem, dass die mexikanischen Arbeitskosten deutlich niedriger sind. Nichtsdestoweniger lasten auf Mexiko hohe Risiken. Das Land ist massiv von der US-Wirtschaft abhängig, während Großbritannien global ausgerichtet ist, wodurch seine Unternehmen von der Schwäche der Landeswährung profitieren. Das gilt für mexikanische Firmen bei weitem nicht in diesem Ausmaß.- Worin bestehen die fundamentalen Verbesserungen?Das BIP der USA wird seit geraumer Zeit vom Konsum getragen. Die Investitionen haben dagegen einen negativen Beitrag geleistet. Bislang wurden die Aktienmärkte vor allem von den Notenbanken beflügelt. Sie haben es geschafft, eine Rezession zu vermeiden. So war die Kreditvergabe im Euroraum bis in dieses Jahr hinein rückläufig, doch nun nimmt sie zu. Offensichtlich greifen Unternehmen und auch Privathaushalte wieder zu Krediten. Das ist auch der seit 2014 expansiven EZB-Geldpolitik zuzuschreiben. Dort scheint aber die Macht der Notenbanken aufzuhören. Sie vermögen es nicht, starke Wachstumsimpulse zu setzen. Deswegen müssen die Staaten nun mit Reformen und Investitionen ihren Teil beitragen, und genau das hat Trump mit Infrastrukturinvestitionen und Steuersenkungen angekündigt. Der Effekt wird sich schnell zeigen. Die Frage, was das für die Staatsverschuldung bedeutet, stellt sich später. Derzeit verzeichnen wir aber ein schwaches Wachstum. Was passiert, wenn der Konsum nachlässt? Da ermutigt es, dass die Investitionen in den USA im dritten Quartal wieder einen positiven Beitrag geleistet haben.- Ein Haken aus Sicht des Aktienmarktes ist seit einiger Zeit die mäßige Entwicklung der Unternehmensgewinne. Was erwarten Sie?Auch auf der mikroökonomischen Ebene gibt es ermutigende Signale. Lange verlief die Entwicklung weniger gut. Seit dem ersten Quartal 2015 gaben die Umsätze der S & P-500-Unternehmen nach. Die Gewinne waren zwar noch positiv, rutschten im dritten Quartal 2015 aber ebenfalls ins Minus. Im wesentlichen wurde das von dem massiven Verfall des Ölpreises verursacht. Wir hatten die Hoffnung, dass die Gewinne im vierten Quartal dieses Jahres wieder wachsen, und wurden positiv davon überrascht, dass dies bereits im dritten Quartal geschehen ist. Nachdem 77 % der Unternehmen im S & P 500 berichtet haben, liegt der Gewinnzuwachs bei 3,5 %. Europa erreicht ebenfalls einen prozentual einstelligen Zuwachs; für nächstes Jahr erwarten Analysten ein zweistelliges Wachstum.- Was erwarten Sie von den Notenbanken?Wir gehen schon seit einiger Zeit von einer Normalisierung der Inflations- und der Zinssituation aus. Der negative Basiseffekt des Ölpreisverfalls wird im nächsten Monat entfallen. Allerdings stellt sich jetzt die Frage, was nach dem Trump-Sieg mit dem Ölpreis geschieht. Trump hat angekündigt, wieder verstärkt auf die Förderung fossiler Energien setzen zu wollen, was den Markt eine Verschärfung der Überversorgung fürchten lässt. Es müssen jedoch noch mehr Faktoren berücksichtigt werden. Wir gingen seit einiger Zeit von einem leichten Nachfrageüberhang aus, obwohl der Iran an den Markt zurückkehrt. Ferner sind die Investitionen in die Förderung massiv gesunken, und es dauert einige Zeit, die Förderung wieder hochzufahren. Wir erwarteten bislang einen Ölpreis von 75 Dollar Ende nächsten Jahres. Jetzt stellt sich die Frage, wie Trump mit dem Iran umgeht. Insgesamt rechnen wir aber nach wie vor damit, dass der Ölpreis anzieht und sich die Inflation normalisiert.- Wie wird sich die Inflationsrate entwickeln, und was hat das für Folgen für die Geldpolitik?Für den Euroraum erwarten wir 2017 einen Anstieg der Jahresteuerung von 0,3 auf 1,5 %. Die EZB muss deswegen nicht die Leitzinsen erhöhen, da sie ein 2-Prozent-Ziel verfolgt. Im Markt ist aber umstritten, was mit den Kapitalmarktzinsen geschieht. Ein Teil glaubt, diese Zinsen bleiben niedrig, und kauft weiterhin entsprechende Assets wie etwa Immobilien. Der andere Teil – und wir gehören dazu – glaubt, dass Kapitalmarktzinsen steigen, und kauft inflationsgeschützte Anleihen.- Bauen sich damit nicht erhebliche Risiken für den Bondmarkt auf?Das ist sicherlich der Fall. Die Renditen sind in den USA seit 1979 gefallen. Zehnjährige Treasuries wiesen damals bei einer Inflation von 8 % eine Rendite von 18 % auf, die Leitzinsen waren massiv gestiegen. Seitdem konnte man mit Treasuries seinen Einsatz verzehnfachen. Jetzt aber befinden sich die Zinsen an der Nulllinie. Wenn der Leitzins deutlich ansteigt, drohen hohe Wertverluste. Daher versuchen wir, uns in der Restlaufzeit unter vier Jahre zu halten, und halten einen hohen Anteil inflationsgeschützter Anleihen. Durch den Trump-Sieg ändert sich der US-Zinsausblick unserer Meinung nach nicht. Wir gehen weiterhin von einer Zinserhöhung im Dezember und zwei weiteren Schritten der Fed im nächsten Jahr aus.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.