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Türkei-Investoren: Bitte warten!

Von Martin Marinov *) Börsen-Zeitung, 30.6.2015 Die jüngsten politischen Entwicklungen in der Türkei haben den Wert der Lira deutlich nach unten gedrückt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Währung auf Jahressicht nachhaltig erholen wird, gilt...

Türkei-Investoren: Bitte warten!

Von Martin Marinov *)Die jüngsten politischen Entwicklungen in der Türkei haben den Wert der Lira deutlich nach unten gedrückt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Währung auf Jahressicht nachhaltig erholen wird, gilt als gering. Zum einen, weil die Volatilität aufgrund der laufenden Koalitionsverhandlungen nach den Parlamentswahlen und dem Verlust der absoluten Mehrheit durch die konservativ-islamische AKP kurzfristig noch ansteigen dürfte, zum anderen wirken drei Faktoren negativ: Innenpolitik, Außenhandel und globale Liquidität. Unsichere InnenpolitikIn der Innenpolitik stellt sich die Frage nach Konfrontation oder Kooperation von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Seit Monaten steht das Land im Bann einer politischen Weichenstellung. Hatte der amtierende Präsident bei den Parlamentswahlen Anfang Juni noch auf eine verfassungsändernde Mehrheit für seine AKP gehofft, um in Folge das Präsidentenamt mit weiteren Machtbefugnissen auszustatten, so hat das Wahlergebnis nun eines deutlich gezeigt: Die türkische Bevölkerung will diese Ausweitung nicht. Eine entsprechende Verfassungsänderung kommt somit nicht in Frage. Wie verhält sich Erdogan?Nun hängt die politische Zukunft der Türkei auch an Erdogan: Wird er das Wahlergebnis akzeptieren und die AKP mit einer anderen Partei (vermutlich der nationalistischen MHP) koalieren lassen – wonach es derzeit aussieht -, oder wird er so agieren, dass Neuwahlen notwendig werden? Denn obwohl der türkische Präsident ja eigentlich parteineutral sein sollte, ist eine komplette Zurückhaltung Erdogans von den Anliegen der AKP nur schwer vorstellbar.Für Anleger ist vor diesem Hintergrund jedenfalls Vorsicht geboten, denn die weitere Entwicklung ist nicht berechenbar, auch wenn derzeit die Zeichen auf Entspannung und Ruhe stehen. Insgesamt ist die Innenpolitik der Türkei eine Belastung für die Lira. Ölpreisverfall hilft nichtIm Außenhandel konnte die Türkei vom Ölpreisverfall nicht in gehofftem Ausmaß profitieren. Auch der ab Herbst 2014 einsetzende Ölpreisverfall konnte für die türkische Wirtschaft nicht in dem Ausmaß Verbesserungen bringen, wie erhofft worden war.Die positiven Effekte auf das hohe Leistungsbilanzdefizit und die Inflation blieben unter den Erwartungen, weil der niedrige Ölpreis mehr oder weniger genau jene Staaten ins Mark getroffen hat, mit denen die Türkei wichtige Handelsbeziehungen unterhält: Irak, Iran, Russland und die Arabischen Emirate. Diese wichtigen Exportmärkte sind als Öl exportierende Staaten wirtschaftlich und teilweise auch politisch stark angeschlagen, wobei bei Russland auch noch die Sanktionen seitens der Europäischen Union (EU) und der USA hinzukommen.Der politische Druck auf die türkische Notenbank, die Leitzinsen zu senken, war insbesondere vor den Wahlen sehr groß, doch aufgrund der negativen Auswirkungen der schwachen Lira und der nicht rücklaufenden Inflation (8 % anstelle der erwünschten 5,5 %) konnte diese nicht wie erhofft reagieren. Das Fenster für weitere Zinssenkungen hat sich somit vorerst wieder geschlossen. Bremswirkung der FedGlobale Liquidität: Die angekündigte Leitzinserhöhungen der Fed hält Investoren zurück. Natürlich ist auch die im Raum stehende Ankündigung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), ihre Leitzinsen zu erhöhen, nicht förderlich für die Entwicklung der Lira. Die Türkei musste bereits vor zwei Jahren leidvoll erfahren, wie schnell sich Anleger anderen Märkten zuwenden. Schwellenländer gefährdetDie Befürchtung, dass internationale Investoren wieder Kapital vom Markt abziehen, ist berechtigt. Davon betroffen sind auch andere Schwellenländer mit hohen Leistungsbilanzdefiziten, die auf ausländisches Kapital angewiesen sind.Und auch wenn all dies von den Marktteilnehmern bereits seit längerem thematisiert wird, bleibt doch ein gewisser Unsicherheitsfaktor erhalten und das bedeutet in der Regel abwarten.—-*) Martin Marinov ist bei Raiffeisen Capital Management Fondsmanager in der Abteilung Anleihen mit den Schwerpunkten Zentral- und Osteuropa (CEE) sowie globale Schwellenländer.