Türkische Märkte unter Druck
Mit nachgebenden Notierungen haben die Finanzmärkte der Türkei auf die Entscheidung von Präsident Tayyip Erdogan reagiert, den Notenbankgouverneur Murat Cetinkaja zu entlassen. Es wird befürchtet, dass mit diesem Schritt die Unabhängigkeit der Zentralbank nicht mehr gewährleistet ist.ck Frankfurt – Die Entscheidung des türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan, den Notenbankgouverneur Murat Cetinkaya zu entlassen, hat die Finanzmärkte des Landes unter Druck gesetzt. Marktteilnehmer befürchten, dass mit dem Schritt die Unabhängigkeit der Zentralbank nicht mehr gegeben ist, sondern nun der türkische Präsident die Geldpolitik des Landes diktieren wird. Die Notenbank wird von Erdogan seit geraumer Zeit unter Druck gesetzt, den Leitzins zu senken. Mit Spannung wird nun auf die nächste zinspolitische Tagung der Zentralbank am 25. Juli gewartet.Im Verlauf erholten sich die türkischen Märkte von einem Teil ihrer frühen Verluste. So lag die Währung des Landes nach einem Tief von 5,79 zuletzt mit einem Minus von 1,7 % bei 5,73 Lira pro Dollar. Der Aktienindex Bist 100 schloss nach einem Tief von 97 891 mit einem Verlust von 0,9 % bei 98 695 Punkten. Die Rendite der im Januar 2030 fälligen Dollar-Anleihe der Türkei stieg bis auf 7,48 % und lag zuletzt 24 Stellen über dem Schluss vom Freitag bei 7,46 %. Cetinkaya zog sich im letzten Jahr den Zorn Erdogans zu, als er gegen dessen Willen den Leitzins um insgesamt 11,5 Prozentpunkte auf das aktuelle Niveau von 24 % anhob, um den Absturz der Lira zu beenden. Seither widersetzte er sich wiederholten Forderungen Erdogans nach einer Leitzinssenkung. “Desaster für die Lira”Analysten gingen mit Erdogan wesentlich härter ins Gericht als die Finanzmärkte “Dieser Schritt ist ein Desaster für die Lira”, kritisierte etwa die Commerzbank die Entlassung des Notenbankgouverneurs. Man könne zwar darüber diskutieren, ob die Türkei auf dem richtigen Weg gewesen sei, d. h., ob die Geldpolitik der Notenbank restriktiv genug gewesen sei, um das notwendige Vertrauen wiederherzustellen. Mit Erdogans Entscheidung sei nun völlig klar, dass das Land auf dem falschen Weg ist. Ohne eine schnelle Kehrtwende könne dies nur in beschleunigter Inflation und Lira-Abwertung enden. Mit der Entlassung Cetinkayas habe Erdogan klargemacht, dass er nun das letzte Wort hat, was die Geldpolitik betrifft. Das Institut empfindet auch das Timing der Entlassung schlecht. Der US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag habe die Zinssenkungserwartungen reduziert. Der erwartete Carry-Vorteil der Lira schmelze nun an beiden Seiten: erstens, weil der Dollar-Zins möglicherweise weniger stark sinken werde als erwartet, zweitens, weil nun niedrigere Lira-Zinsen zu erwarten seien.Die DZ Bank befürchtet angesichts der noch vergleichsweise moderaten Reaktion der Lira, dass ein böses Erwachen folgen könnte. Nach Einschätzung Erdogans sei die Geldpolitik Cetinkayas viel zu restriktiv. Diese Auffassung fuße auf der wirren ökonomischen Ansicht des Staatspräsidenten, dass hohe Leitzinsen eine hohe Inflationsrate nach sich ziehen. Dass Cetinkaya mit der im September letzten Jahres ergriffenen signifikanten Leitzinserhöhung auf 24 % zur Beruhigung der Lage, einer Stabilisierung der Lira und damit auch zu dem seit Ende 2018 spürbar nachlassenden Preisdruck im Land wesentlich beigetragen habe, scheine Erdogan sehr erfolgreich auszublenden.Eigentlich hätten Marktteilnehmer in den letzten Monaten den Eindruck gewinnen können, dass die Zentralbank tatsächlich ein gewisses Maß an Unabhängigkeit genieße. “Damit dürfte es nun wieder vorbei sein, hat Präsident Erdogan doch mit seinem Schritt klargestellt, wer bei der Geldpolitik das letzte Wort hat”, so das Institut. Entsprechend fragwürdig seien die ersten Äußerungen von Cetinkayas Nachfolger Murat Uysal. Dieser habe sich zu einer unabhängigen Zentralbankpolitik bekannt. “Interessant dürfte vor allem werden, ob und inwieweit Uysal die ökonomischen Thesen des Staatspräsidenten übernehmen wird. Welches Schicksal demjenigen blüht, die diesen nicht folgen, dürfte auch dem Nachfolger Cetinkayas klargeworden sein”, so die Bank.Offensichtlich gehe die Mehrheit der Marktteilnehmer davon aus, dass Uysal den Kurs seines Vorgängers fortsetzt – allen politischen Widrigkeiten zum Trotz. Für Uysal spreche hierbei, dass auf absehbare Zeit tatsächlich moderate Leitzinssenkungen angemessen erschienen. “Für den neuen Mann im Amt dürfte es dennoch ein Drahtseilakt werden”, so die Bank. Schließlich dürfe er sich nicht dem Vorwurf aussetzen, auf Geheiß Erdogans zu handeln. Gelinge ihm dies nicht, seien weitere deutliche Lira-Verluste zu erwarten.