DEVISENWOCHE

Ungarn steht vor einer langsamen Erholung

Von Ronald Schneider *) Börsen-Zeitung, 6.5.2014 In den vergangenen Jahren haben viele Investoren die Konsequenzen aus der politischen Unkalkulierbarkeit Ungarns gezogen und Geld aus dem Markt genommen. Wie sich das Klima für Anleger in Ungarn...

Ungarn steht vor einer langsamen Erholung

Von Ronald Schneider *)In den vergangenen Jahren haben viele Investoren die Konsequenzen aus der politischen Unkalkulierbarkeit Ungarns gezogen und Geld aus dem Markt genommen. Wie sich das Klima für Anleger in Ungarn weiter entwickeln wird, hängt auch davon ab, ob die Notenbank den seit bald zwei Jahren verfolgten Kurs der Zinssenkungen fortsetzt und somit eine weitere Schwächung des Forint in Kauf nimmt. Wahrscheinlich ist aber, dass die jüngste Leitzinssenkung von Ende April um weitere 0,1 % auf nunmehr 2,5 % das von den meisten Analysten erwartete Ende des Zinssenkungszyklus markiert. ZweidrittelmehrheitMit der Verteidigung der Zweidrittelmehrheit bei den Parlamentswahlen Anfang April kann Ungarns regierende Fidesz-Partei wie in den vergangenen vier Jahren die Verfassung im Alleingang ändern. Schon während seiner letzten Amtszeit handelte sich der Parteivorsitzende Viktor Orbán aufgrund seiner unorthodoxen (wirtschafts-)politischen Maßnahmen seitens der Europäischen Union Kritik ein. Viele Investoren haben aus Gründen der mangelnden politischen Einschätzbarkeit Ungarns Kapital aus dem Markt abgezogen. Doch jetzt könnte es zu einer Stabilisierung kommen. Einige Indikatoren sprechen für eine – wenn auch langsame – Erholung der Wirtschaft.Auch wenn die Zweidrittelmehrheit der Fidesz-Partei Orbáns (die, bei geringer Wahlbeteiligung, nur ca. 45 % der Stimmen hinter sich hat) nicht im Sinne ausländischer Investoren war, so stellte sie doch keine große Überraschung dar und zeigte auch keine nennenswerten Auswirkungen auf den ungarischen Kapitalmarkt. Und wenn man dieser Mehrheit noch etwas Positives abgewinnen will, dann ist dies wohl die Tatsache, dass die Regierung nun unabhängig von der rechtsradikalen Jobbik-Partei agieren kann. Weitere gravierende Verfassungsänderungen sind eher unwahrscheinlich, da die Partei ihre wichtigsten diesbezüglichen Interessen bereits in der Vergangenheit umgesetzt hat. Inlandsnachfrage steigtSelbst wenn in der neuen Amtszeit von Viktor Orbán keine Wende hin zu einer durchgängig marktwirtschaftlichen Politik zu erwarten ist, so besteht doch die Chance, dass das Land nach einem verlorenen Jahrzehnt des Stillstands wieder an Beweglichkeit gewinnen könnte: Denn nach mehreren Jahren der Schwäche – trotz Einführung der von der EU stark kritisierten 16-prozentigen Flat Tax – zeigt die Inlandsnachfrage Ungarns erstmals wieder Erholungstendenzen. Für 2014 erwartet das unabhängige Wirtschaftsforschungsinstitut Penzügykutato (Budapest) einen Zuwachs von 1,5 %.Unterstützung kommt auch verstärkt vom Außenhandel: Mehr als drei Viertel der ungarischen Exporte gehen in die EU, davon mehr als 25 % nach Deutschland. Daher ist für Ungarn die aktuelle Konjunkturbelebung in Deutschland essenziell und die von deutschen Unternehmen getriebene Exportwirtschaft ein wesentlicher Aspekt des erhofften Aufwärtstrends der ungarischen Wirtschaft. Auch vom Bausektor könnten weitere Wachstumsimpulse kommen: Schon 2013 hatte dieser – nach jahrelangen massiven Rückschlägen – wieder Fahrt aufgenommen. In diesem Jahr könnte sich die Zuwachsrate von 10 % aus dem vergangenen Jahr – auch dank EU-Fördermitteln – nochmals wiederholen, allerdings von einem insgesamt sehr niedrigen Niveau ausgehend. All das treibt die Wirtschaft Ungarns an und wirkt auch positiv auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes.Für das Jahr 2014 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) in Ungarn ein BIP-Wachstum von rund 2 %. Trotz dieser Belebung liegt die Zuwachsrate Ungarns aber noch deutlich hinter denen der anderen Visegrád-Staaten Polen, Tschechien und Slowakei. Ein Grund wird in den schwachen Auslandsinvestitionen gesehen: Im Jahr 2013 waren hier starke Rücknahmen registriert worden. Immer neue Sondersteuern vor allem für multinationale Unternehmen haben die Investoren verunsichert. Die Abschaffung der Sondersteuern für die Banken ist nicht absehbar, obwohl dies ausländischen Regierungen zugesagt worden war. Zudem soll in diesem Jahr die Teilverstaatlichung von Banken vorangetrieben werden, was weder bei der EU noch bei den Auslandsbanken gut ankommen dürfte, die ihr Engagement in dem Land ohnehin stark zurückgefahren haben.Ähnlichen Problemen stehen auch ausländische Versorger gegenüber, die sich aufgrund der Sonderbelastungen vermehrt aus Ungarn zurückziehen könnten. Diese Maßnahmen sind bei ausländischen Investoren zwar nicht gut angekommen, haben aber dazu beigetragen, das Budget zu konsolidieren und die Verschuldung Ungarns unter 3 % zu halten. Dennoch sind sowohl die Auslands- als auch die öffentliche Verschuldung Ungarns hoch (letztgenannte liegt bei ca. 80 %) . Die Verstaatlichung der Pensionskasse hat als Einmaleffekt hier keine wesentliche Verbesserung gebracht. Niedrige InflationAuch die Problematik mit den Fremdwährungskrediten verschuldeter Haushalte zieht sich weiter hin: Die Situation hat sich zwar leicht verbessert, da keine Neuvergaben mehr erfolgen und die verschiedenen Programme zur Umschuldung in Forint-Kredite langsam vorankommen, das Thema ist jedoch keinesfalls vom Tisch. Was die Inflation betrifft, so konnte diese – u.a. aufgrund verordneter Energiepreissenkungen – auf das sehr niedrige Niveau von 0,1 % gedrückt werden. Für Investoren wird von zentralem Interesse sein, ob die Notenbank den vor zwei Jahren eingeschlagenen Kurs der Zinssenkungen fortsetzt und somit eine weitere Schwächung des Forint in Kauf nimmt. Die meisten Analysten gehen davon aus, dass die jüngste Leitzinssenkung auf aktuell 2,5 % das erwartete Ende des Zinssenkungszyklus darstellt. Zu Beginn des Jahres waren ungarische Anleihen und der Forint im regionalen Vergleich sehr schwach, sie konnten sich allerdings in den letzten Monaten erholen. Viele Marktteilnehmer bleiben angesichts des inzwischen historisch tiefen Zinsniveaus in Ungarn vorsichtig. Ein positiver Ausblick könnte das im Raum stehende Upgrade Ungarns auf Status “Investment Grade” sein. Ob dieses allerdings noch heuer erfolgen wird, ist sehr fraglich. Langfristig ist der interventionistische Stil der Regierung sicherlich nicht förderlich, das Vertrauen der Investoren zu stärken.—-*) Ronald Schneider ist Leiter der Abteilung Global Emerging Markets and Eastern Europe (Fixed Income) bei Raiffeisen Capital Management.