US-Börse trotzt schwachem Quartal

Gefahr durch weitere Dollaraufwertung - Dividendenwerte gefragt

US-Börse trotzt schwachem Quartal

Die schwache Ergebnis- und Umsatzentwicklung der US-Konzerne im ersten Quartal hat an der Wall Street kaum Eindruck hinterlassen. Der Leitindex S & P 500 notiert dennoch fester. Das bereits 2014 hohe Bewertungsniveau ist so weiter gestiegen. Während Analysten daher glauben, dass die US-Aktien nur bei steigenden Ergebnissen weiter zulegen können, treibt der M & A-Boom die Kurse.Von Sebastian Schmid, New YorkEin Schulterzucken, ein verschmitztes Lächeln, ein Stirnrunzeln: Das sind die Reaktionen, die derzeit auf den diversen Sommerpartys in New Yorks Finanzzirkel erhält, wer nach dem nächsten Wachstumskatalysator fragt. “Das muss aber nicht heißen, dass Aktien schlecht laufen. Über Kostensenkungen können die Gewinne weiter steigen, selbst wenn sich beim Umsatz nichts tut”, versucht etwa John Mowrey, Portfoliomanager der texanischen NFJ Investment Group, positive Stimmung zu verbreiten. Tatsächlich lief es für die Allianz-Global-Investors-Tochter NFJ und viele andere auf den Aktienmarkt fokussierte Investoren dieses Jahr bisher besser, als zu erwarten war. Denn längst schwächelt nicht nur die Erlösentwicklung. Auch unter dem Strich war der Lack bei vielen US-Gesellschaften zuletzt ab. Laut Factset betrug das Gewinnwachstum im ersten Quartal gerade noch 0,7 % – die geringste Steigerung seit dem dritten Quartal 2012, als die Ergebnisse im Schnitt sogar um 1 % schrumpften.Allerdings sieht es für die US-Unternehmenslandschaft insgesamt bei genauerem Hinsehen sogar noch deutlich schlechter aus. Der um Sondereffekte bereinigte Vorsteuergewinn fiel im ersten Quartal um fast 6 %, berichtet die US-Regierung. Damit sind die Firmengewinne bereits das zweite Quartal in Folge gesunken. Im Schlussvierteljahr 2014 hatten die Vorsteuergewinne um 1,4 % nachgegeben. Damit sind die bereinigten Firmengewinne erstmals seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen gesunken. Indizes legen zuSeit Jahresbeginn haben die beiden bedeutendsten Indizes S & P 500 und Dow Jones Industrial deutlich zugelegt – trotz der sich eintrübenden Unternehmensaussichten. In den kommenden Monaten kann es sogar erneut zu kräftigeren Zugewinnen kommen, glauben einige Analysten. Dabei ist das Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten im ersten Quartal um 0,7 % geschrumpft, wie das Wirtschaftsministerium in seiner zweiten Schätzung am Freitag mitteilte. Das von der Universität Michigan ermittelte Verbrauchervertrauen ist im Mai auf ein Sechsmonatstief gefallen.Die größte Negativüberraschung hielt vor dem Wochenende allerdings der Einkaufsmanagerindex aus Chicago bereit, der im Mai von 52,3 auf 46,2 Zähler abstürzte. Von Thomson Reuters befragte Analysten hatten einen Anstieg erwartet. Werte unter 50 zeigen eine schrumpfende Industrieaktivität an. Am Montag folgte dann die mit 0,1 % niedrigste Inflationsrate seit Oktober 2009.Von den Marktteilnehmern werden die Daten indes kaum danach ausgewertet, wie sie sich auf die Unternehmensaussichten auswirken. Primär dienen sie dazu, im Kaffeesatz zu lesen, wann die US-Notenbank Fed sich an die Anhebung der Leitzinsen heranwagt. Die US-Firmen beschreiten derweil ohnehin längst andere Wege als die immer schwieriger werdende Gewinnoptimierung, um die Aktionäre glücklich zu machen. Investitionen erscheinen den meisten Managern im aktuellen Umfeld zu unsicher. Die wegen niedriger Zinsen und langer Investitionszurückhaltung im Überfluss vorhandene Liquidität wird daher für Übernahmen oder Ausschüttungen an die Aktionäre über Dividenden und Aktienrückkäufe verwendet.Einer Studie der Citigroup zufolge hat sich gerade Letzteres enorm bezahlt gemacht. Firmen, die mehr Geld an ihre Aktionäre ausgeschüttet als investiert haben, seien an der Wall Street mit klar überdurchschnittlicher Kursentwicklung belohnt worden.Beispiele seien Apple, Cisco, Coca-Cola oder Walt Disney. Allein Apple hat etwa 2014 mit 56 Mrd. Dollar rund 40 Mrd. Dollar mehr ausgeschüttet, als investiert wurde. Der Wertzuwachs der Aktie des iPhone-Anbieters fiel dabei mehr als doppelt so hoch wie im S & P 500 aus. Auch NFJs Mowrey setzt bis auf Weiteres vor allem auf dividendenstarke Titel – solange ihre Bewertung noch im Rahmen ist. Die meisten Reits seien etwa längst zu teuer. Dass grundsätzlich noch viel Optimismus unter den US-Marktteilnehmern herrscht, zeigt schon der Dollar an, der nach einer Verschnaufpause im Frühjahr zuletzt wieder stärkere Zugewinne verzeichnete. Im Mittel haben sich die Ökonomen auf einen ersten Zinsschritt im September eingestellt. Narayana Kocherlakota, President der Federal Reserve Bank in Minneapolis (Minnesota), warnt allerdings vor einer Erhöhung noch in diesem Jahr. Kocherlakota war einer der wenigen Fed-Gouverneure, die bereits frühzeitig gewarnt haben, die US-Wirtschaft könnte im ersten Quartal geschrumpft sein. Kursrückgänge erwartetFür den US-Aktienmarkt, dem in der zweiten Jahreshälfte Kursrückgänge prognostiziert werden, wäre das sicher günstig. Allerdings hat Kocherlakota eine Außenseiterposition in der US-Notenbank. Fed-Chefin Janet Yellen hat erst vor einigen Tagen erklärt, sie erwarte, dass eine Zinsanhebung im späteren Verlauf des Jahres angebracht sein werde. Gerade für US-Firmen mit umfangreichem internationalem Geschäft dürfte der dadurch weiter gestützte Dollar zum Problem werden. Im ersten Quartal verzeichneten die Firmen im S & P 500 laut Factset bereits den kräftigsten Umsatzrückgang seit dem Krisenjahr 2009.