US-Bullenmarkt zeigt nach zehn Jahren Ermüdungserscheinungen

S&P 500 rutscht kurz vor Ultimo fast auf Bärenniveau - Die wichtigsten Indizes verzeichnen 2018 Rückschläge - Aktienrückkäufe erreichen Rekordhoch

US-Bullenmarkt zeigt nach zehn Jahren Ermüdungserscheinungen

Von Stefan Paravicini, New YorkAn Weihnachten wäre der seit zehn Jahren andauernde Bullenmarkt in den USA fast zu Ende gegangen. Nachdem sich US-Finanzminister Steven Mnuchin kurz vor den Feiertagen ungefragt zur Liquidität der US-Geschäftsbanken geäußert hatte, rutschte der S&P 500 an Heiligabend so stark wie noch nie an einem 24. Dezember ab und notierte zeitweise fast 20 % unter dem im Sommer erreichten Höchststand des US-Leitindex. Doch auch wenn zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe an der Wall Street noch ein Handelstag im alten Jahr ausstand, dürften sich die Bullen noch einmal über Silvester in den neuen Turnus retten. Turbulenzen an WeihnachtenAm zweiten Weihnachtsfeiertag, an dem die Börsen in den USA geöffnet sind, legte der S&P 500 mit dem größten Tagesgewinn seit 2009 ein starkes Comeback hin. Tags darauf gelang nach anfänglichen Verlusten die größte Trendumkehr innerhalb eines Handelstages, und vor dem letzten Börsentag des Jahres hielt der Index rund 5 Punkte Abstand zum Bärenniveau. Die Ermüdungserscheinungen zum Ende eines turbulenten Börsenjahres sind dennoch kaum zu übersehen. Denn obwohl neben dem S&P 500 auch der altehrwürdige Dow Jones Industrial Average sowie der technologielastige Nasdaq 100 nach Weihnachten die besten zwei aufeinanderfolgenden Tage seit August 2015 verbuchten, lagen alle drei Indizes kurz vor Ultimo seit Jahresbeginn im Minus, obwohl die US-Volkswirtschaft zuletzt auf allen Zylindern gelaufen ist, die Unternehmen mit Rückenwind der US-Steuerreform rekordverdächtige Gewinne erzielt haben und die Zinsen auch nach vier Anhebungen durch die US-Notenbank in diesem Jahr immer noch auf einem historisch niedrigen Niveau liegen.Hinzu kamen rekordhohe Aktienrückkäufe von US-Unternehmen, die nach Angaben von Trimtab Investment Research Mitte Dezember die Schwelle von 1 Bill. Dollar überschritten haben. Allein der Elektronikkonzern Apple steckte in den ersten neun Monaten gut 60 Mrd. Dollar in eigene Aktien, die kurz nach Weihnachten allerdings nur noch etwas mehr als 50 Mrd. Dollar wert waren. Tech-Werte schwächelnNach einem enttäuschenden Ausblick auf das Weihnachtsgeschäft rutschte Apple im November zum ersten Mal wieder unter die im August erreichte Marktkapitalisierung von 1 Bill. Dollar und musste Ende November zum ersten Mal seit vielen Jahren auch den Platz an der Spitze der wertvollsten börsennotierten Unternehmen räumen. Kurz vor Ultimo lag der Softwarekonzern Microsoft mit einem Börsenwert von knapp 780 Mrd. Dollar an der Spitze, dahinter Apple mit einer Marktkapitalisierung von 740 Mrd. Dollar. Trotz der stark ausgeprägten Korrektur bei Technologiewerten, die den Nasdaq Composite bis Weihnachten knapp ein Viertel unter den Ende August erreichten Höchststand gedrückt hatte, liegen zusammen mit Alphabet und Amazon zum Jahresschluss vier US-Technologiekonzerne an der Spitze der wertvollsten börsennotierten Konzerne.Insgesamt haben US-Aktien seit dem im September erreichten Höchststand nach Angaben von Bloomberg rund 7 Bill. Dollar ihres Werts eingebüßt, obwohl die Unternehmen im Schlussquartal nach Angaben von Birinyi Associates noch einmal Aktienrückkäufe in der Größenordnung von 260 Mrd. Dollar angekündigt haben. Das ist der höchste Wert hinter dem zweiten Quartal 2018, seit Birinyi diese Daten seit 1984 erhebt.Zu den schlechtesten Werten zählten in den zurückliegenden zwölf Monaten nach Angaben von Factset wie so oft jene Unternehmen, denen Analysten zum Jahresbeginn besonders viel zugetraut hatten. Die unter Marktbeobachtern beliebtesten 100 Aktien aus dem S&P 500, bei denen zum Jahresauftakt noch durchschnittlich 77 % der Analysten zum Kauf rieten, verbuchten im Mittel einen Verlust von 3,6 %. Die unbeliebtesten 100 Firmen, die vor zwölf Monaten nur von 17 % der sie begleitenden Experten empfohlen wurden, schafften ein Plus von 3,6 %. Schlusslicht General ElectricDie rote Laterne im S&P 500 gebührt für 2018 dem Siemens-Rivalen General Electric (GE), der im zurückliegenden Jahr rund drei Fünftel seines Werts verloren hat. Im Vorjahr hatte der traditionsreiche Industrieausrüster mit einem Abschlag von mehr als 40 % noch den letzten Platz im Dow Jones belegt. Kurz vor Ultimo liegt die US-Investmentbank Goldman Sachs am Ende des Index, nachdem GE ihren Platz im Dow Jones nach mehr als 100 Jahren Zugehörigkeit im Sommer räumen musste.