"US-Zinserhöhung wird als Fehler wahrgenommen"

Legg-Mason-Tochter Brandywine: Gewinnwachstum bleibt lange niedrig - Dollar nahe Hoch

"US-Zinserhöhung wird als Fehler wahrgenommen"

dm Frankfurt – Selbst wenn die US-Notenbank im Dezember den Leitzins erstmals seit 2006 anheben dürfte, könnte die Fed diesen Schritt bereuen und 2016 wieder zurücknehmen. “Die Leitzinserhöhung wird als ein Fehler im Markt wahrgenommen werden”, meint Chen Zhao, Co-Director des Global Macro Research von Brandywine, einer Tochter des US-Fondshauses Legg Mason. “Stark deflationäre Tendenz”Zhao, der früher für die kanadische Investmentberatung BCA Research gearbeitet hat, sagte in Frankfurt, das Wirtschaftswachstum sei weltweit “extrem niedrig” mit Wachstumsraten von 2,5 % bis 3 %. Es gebe eine “stark deflationäre Tendenz”, und das Ergebniswachstum der Unternehmen werde in den nächsten Jahren “wirklich niedrig” ausfallen. Zhao rechnet mit einem niedrigen einstelligen Wachstum der Unternehmensgewinne, weil das nominale Wachstum niedrig sei und es einen globalen Ersparnisüberschuss gebe. Laut Zhao könnte ein Drehen an der Zinsschraube rasch zu einer enttäuschenden Ergebnisentwicklung führen und sich ungünstig auf den US-Arbeitsmarkt niederschlagen – der Moment, in dem die Fed ihre Strategie wieder überdenken müsste. Die US-Wirtschaft habe durch die Dollar-Rally seit dem Taper Tantrum – der Spekulation über eine Straffung der geldpolitischen Zügel durch die Fed im Jahr 2013 – ohnehin schon eine Art Zinserhöhung erfahren. “In diesen zwei Jahren hat der Dollar die stärkste Hausse je verzeichnet mit einem Plus von 35 %”, so Zhao. Dabei entspreche die Wirkung einer Dollaraufwertung um 10 % etwa einer Zinserhöhung von 100 Basispunkten. Der früher in Peking lehrende Wirtschaftsprofessor rechnet schon länger mit einem Ende der Dollar-Rally: “Wir sind nahe des Höchst.” China auf dem HolzwegWas die Bewertung am Aktienmarkt anbelangt, ist sich Zhao nicht sicher. Schließlich seien nicht nur die Unternehmensergebnisse geringer, auch das Zinsniveau würde lange sehr tief bleiben. Sinkende Gewinne müssten nicht zwingend mit fallenden Aktienkursen einhergehen: “1997 erreichten die Unternehmensergebnisse den Höchststand, die Börse lief noch bis 2000 gut.” Aber ob der Effekt der sinkenden Gewinne oder der sinkenden Zinsen stärker wiege, wisse er nicht. Eine dezidierte Meinung hat der Spezialist aber punkto China: Das Land werde wirtschaftspolitisch schlecht beraten. Der Umbau der Wirtschaft von einer investitions- zu einer konsumgetriebenen Wirtschaft sei angesichts einer privaten Sparrate von über 50 % falsch. Die realen Kreditkosten seien mit etwa 9 % sehr hoch und “verrückt” angesichts eines Wirtschaftswachstums von um die 6 %.Die Regierung müsse die finanziellen Bedingungen lockern und erkennen, dass das Land in der Lage sei, hohe Investitionen aus eigener Kraft zu finanzieren und damit weiter zu wachsen. “China gerät sonst in die Middle-Income-Falle, wie Brasilien”, meint Zhao. Das Pro-Kopf-Einkommen würde damit nicht mehr weiter steigen.