TECHNISCHE ANALYSE

US-Zinswende führt zu Sektor-Split in Europa

Von Thorsten Grisse *) Börsen-Zeitung, 22.3.2017 Im Dezember 2015 hat die amerikanische Notenbank mit der ersten Zinsanhebung nach der Finanzkrise eine vorsichtige Zinswende eingeleitet, die sich mit den Zinsschritten zwei und drei im Dezember 2016...

US-Zinswende führt zu Sektor-Split in Europa

Von Thorsten Grisse *)Im Dezember 2015 hat die amerikanische Notenbank mit der ersten Zinsanhebung nach der Finanzkrise eine vorsichtige Zinswende eingeleitet, die sich mit den Zinsschritten zwei und drei im Dezember 2016 und März 2017 verfestigt hat. Historisch betrachtet waren US-Zinswenden – von einem (sehr) niedrigen Niveau wie 1994/1995, 2004/2005 aus – von zwei wesentlichen technischen Aspekten begleitet. Erstens stiegen die Gesamtmarkt-Aktienindizes in den USA und Europa zunächst – zum Teil ausgeprägt. Zweitens bildete sich an den europäischen Aktienmärkten in den darauf folgenden Quartalen eine technische Konturschärfe bei den Stoxx-Sektortendenzen heraus. Auf Basis der historischen Erfahrungen überrascht es nicht, dass diesmal Sektoren wie beispielsweise Banken und Versicherungen und einige zyklische Sektoren wie Industrial Goods & Services eine mittelfristige relative Stärke gegenüber dem Stoxx 600 aufweisen. Demgegenüber findet sich aktuell eine mittelfristige relative Schwäche bei den (Stoxx-)Sektoren Real Estate, Media und Utilities, auch wenn diese zum Teil eine attraktive Dividendenrendite aufweisen. In der steilen RecoveryAus langfristiger technischer Sicht ist der Stoxx Banks – nach der übergeordneten Baisse der Jahre 2008/2009 – in eine breite Seitwärtspendelbewegung zwischen dem Support bei 115 Punkten und der gestaffelten Resistance bei 227 bis 243 Punkten übergegangen. Nach dem Heranlaufen an diese Resistance-Zone Mitte 2015 war der Sektor zuletzt in einer Zwischenbaisse zurück auf 116 Punkte (Juli 2016) gefallen. Hier ging er in die laufende Recovery über, wobei sich ein steiler, intakter mittelfristiger Aufwärtstrend (Trendlinie zurzeit bei 176 Punkten) herausbildete. Dieser führte den Index mit einem Kaufsignal zurück über die 200-Tage-Linie. Fortsetzung signalisiertZuletzt hat der Bankenindex nach einer kurzfristigen Konsolidierung den mittelfristigen Aufwärtstrend behauptet. In Summe deutet die technische Gesamtlage des Sektors auf eine Fortsetzung dieses Recoveries im laufenden Jahr hin. Mit Blick auf die vorausliegenden Resistances (um 180 und um 200 Punkte) sollte jedoch ein langsameres Aufwärtsmomentum einkalkuliert werden.Der Stoxx Industrial Goods & Services war ab September 2011 in einem Hausse-Trend bis April 2015 auf sein Allzeithoch bei 494 Punkten gestiegen. Aufgrund der dabei entstandenen mittelfristig technisch überkauften Lage ging er anschließend in eine technische Korrektur über. In dieser beendete der Sektor den Hausse-Trend zur Seite und fiel bis auf 361 Punkte (November 2016) zurück. Seitdem steigt der Index wieder und beendete im August 2016 seinen Korrekturtrend mit einem neuen (Investment-)Kaufsignal. Aktuell ist der Sektor wieder an der Resistance-Zone im Umfeld seiner Allzeithochs angekommen. Da er eine gute Marktbreite (unter anderem viele Schwergewichte mit intakten technischen Neubewertungen) aufweist, deuten sich der Sprung über die alten Allzeithochs und der Übergang in eine technische Neubewertung an. Deshalb sollte die Übergewichtung des Sektors bestehen bleiben. Noch immer im Baisse-TrendDer Stoxx Utilities war nach dem Hausse-Top bei 342 Punkten im April 2015 in eine Baisse übergegangen. Mitte 2015 schloss er dabei den vorherigen Hausse-Trend mit einem Verkaufssignal ab. Anschließend fiel er parallel zur Gesamtmarktschwäche 2016 zurück bis in die breite, gestaffelte Support-Zone zwischen 240 und 275 Punkten. Seit November 2016 (Tief bei 254 Punkten) durchläuft der Sektor eine Stabilisierung. Trotz des letzten Kursanstieges weist der Index eine ausgeprägte relative Schwäche gegenüber dem Stoxx 600 auf. Zusätzlich ist der Sektor noch nicht nachhaltig zurück über die 200-Tage-Linie gestiegen, und sein Baisse-Trend (seit Sommer 2015) bei 283 Punkten ist noch intakt. Da die technische Gesamtlage des Stoxx Utilities für das erste Halbjahr 2017 eine Ausweitung seiner relativen Schwäche andeutet, sollte der Sektor gegenüber dem Gesamtmarktindex weiterhin untergewichtet bleiben. Langfristige GegenbewegungDer Stoxx Real Estate war in einer ausgeprägten Hausse-Bewegung zwischen November 2011 (Start bei 93 Punkten) und April 2015 auf die Tops bei 201 Punkten gestiegen. Vor dem Hintergrund der dabei entstandenen überkauften Lage – in Kombination mit dem Zinsanstieg in den USA – ging der Index anschließend in eine langfristige technische Gegenbewegung auf die vorherige Hausse über. In dieser bildete sich im Oktober 2015 der aktuelle, übergeordnete Abwärtstrend heraus (Trendlinie zurzeit bei 174 Punkten). In diesem fiel der Index bis auf das Tief vom November 2016 bei 156 Punkten zurück. Auch wenn der Stoxx Real Estate eine gestaffelte Support-Zone im Bereich von 155 bis 160 Punkten etabliert hat und sich eine Stabilisierung andeutet, fehlen die überzeugenden technischen Hinweise, dass dieser Sektor in den kommenden Monaten den Status der mittelfristigen relativen Schwäche gegenüber dem Stoxx 600 verlässt.—-*) Thorsten Grisse ist bei der Commerzbank im Technische Analyse & Index Research Team tätig.