USA schielen auf das ultralange Ende

Treasury prüft Staatsanleihen mit Laufzeiten von mehr als 30 Jahren - Viele Marktakteure sind skeptisch

USA schielen auf das ultralange Ende

Die US-Regierung hat eine alte Debatte in den USA neu entfacht. Soll der Staat künftig auch Anleihen mit ultralangen Laufzeiten begeben, um die Kosten für den Schuldendienst möglichst gering zu halten? Die Marktakteure sind skeptisch, Finanzminister Steven Mnuchin scheint dennoch entschlossen zu sein.Von Stefan Paravicini, New York, und Kai Johannsen, FrankfurtIn den USA ist mit dem Regierungswechsel Ende Januar auch die Debatte über Staatsanleihen mit Laufzeiten von mehr als 30 Jahren wieder aufgeflammt. US-Finanzminister Steven Mnuchin hatte bereits kurz nach seiner Nominierung Ende November in Aussicht gestellt, dass er sich mit Blick auf das möglichst effektive Management der US-Staatsschulden auch die Begebung von Treasuries mit Laufzeiten von 50 oder sogar 100 Jahren anschauen werde. “Wir denken, dass das etwas sein könnte, das für uns (…) absolut sinnvoll wäre”, bekräftigte Mnuchin erst in der vergangenen Woche in einem Interview mit Bloomberg sein Interesse an den sogenannten Ultralangläufern. Die US-Staatsanleihen mit der derzeit längsten Laufzeit, die 30-jährigen Treasuries, gerieten danach unter Druck, da Investoren für den Fall einer baldigen Auktion von Staatsanleihen mit ultralangen Laufzeiten am langen Ende der Zinskurve mit steigenden Renditen rechnen. Politische DebatteDie Debatte über die Ultralangläufer ist nicht neu. Länder wie Großbritannien oder Kanada geben mehr oder weniger regelmäßig Bonds mit Laufzeiten von 50 Jahren aus. Mexiko, Weißrussland und Irland haben zuletzt Auktionen für 100-jährige Staatsanleihen durchgeführt. Die USA selbst waren ebenfalls am ultralangen Ende aktiv, als Anfang des vergangenen Jahrhunderts die Finanzierung des Panama-Kanals mit Hilfe von 50-jährigen Staatsanleihen gestemmt wurde. Zwischen 1955 und 1963 wurden vom US-Finanzministerium noch einmal sieben Bonds mit Laufzeiten von jeweils 40 Jahren platziert, um das Wahlversprechen des damaligen Präsidenten Dwight Eisenhower einzulösen, die Staatsschulden breiter über die Zeitachse zu verteilen. Auch heute ist die Diskussion über die Ultralangläufer nicht nur ökonomisch, sondern zu einem großen Teil politisch getrieben. So sollen die ultralangen Laufzeiten nicht nur sicherstellen, dass dem US-Steuerzahler, der die Staatsschulden begleichen muss, die aktuell niedrigen Zinsen auf einen langen Zeitraum gesichert werden. Die neuen Vehikel sollen auch zur Finanzierung der üppigen Wahlversprechen von Präsident Donald Trump beitragen, während die neue Administration gleichzeitig auf breiter Front die Steuern senkt. Viele VorbehalteEine Vielzahl der Marktakteure begegnet den Überlegungen im US-Finanzministerium allerdings mit Skepsis. Das schließt Vertreter der knapp zwei Dutzend Institute ein, die zu den Auktionen des US-Treasury im Primärmarkt eingeladen sind. Einige von ihnen sitzen auch im Borrowing Advisory Committee des Ministeriums, das von Mnuchin um eine Einschätzung zu den Ultralangläufern gebeten wurde. “Das Komitee sieht keine Anhaltspunkte für eine starke oder nachhaltige Nachfrage nach Fälligkeiten, die über 30 Jahre hinausgehen”, ließ das Beratergremium wissen, in dem auch einige der größten Hedgefonds und Assetmanager wie Vanguard und BlackRock vertreten sind. Mnuchin hat dennoch eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Pläne weiterverfolgen und weitere Stimmen dazu einholen soll.Die Vorbehalte der Marktakteure richten sich vor allem auf die begrenzte Nachfrage und damit verbunden auch eine eingeschränkte Liquidität der Ultralangläufer innerhalb des knapp 14 Bill. Dollar schweren Marktes für US-Treasuries. Das würde nicht nur im Primärmarkt das Risiko für die Marktteilnehmer erhöhen und könnte die am Markt durchsetzbaren Zinssätze für Bonds mit ultralangen Laufzeiten nach Einschätzung von Marktbeobachtern über die 30-jährigen Treasuries heben, womit das eigentliche Ziel geringerer Kosten für den Schuldendienst konterkariert würde.”Begebt mehr 10- und 30-jährige Treasuries, wenn das wirklich nötig ist, worüber ich mir gar nicht so sicher bin”, kommentiert Priya Misra von TD Securities. Heute liegt das Fälligkeitsdatum ausstehender US-Treasuries im Durchschnitt bei etwa 69 Monaten oder etwa 5,7 Jahren. In Großbritannien, wo die Nachfrage nach ultralangen Gilts durch entsprechende regulatorische Verpflichtungen für Pensionsfonds sichergestellt ist, waren es zum Stichtag Ende vergangenen Jahres knapp 15 Jahre (siehe Grafik). Absagen vom BundIn Europa wurde das Thema Ultralangläufer erstmals im Jahr 2005 breit diskutiert, als Frankreich Staatsanleihen mit Laufzeiten von 50 Jahren in das staatliche Refinanzierungsprogramm aufnahm. Später folgten zum Beispiel auch die Italiener, die das Unterfangen der ultralangen Bonds aber nicht auf der Ebene des Zentralstaates angingen. Telecom Italia emittierte einen Bond mit 50 Jahren Laufzeit, der gestern im Handelsverlauf knapp über 5 % abwarf. Dieser Bond wurde seinerzeit als eine Art Testballon eingestuft. Der italienische Staat emittiert heute aber immer noch Anleihen mit Restlaufzeiten von maximal rund 30 Jahren, wagte sich also nicht an das ganz lange Marktende.In Deutschland sieht es genauso aus: Der Bund hat solchen langen Fälligkeiten immer wieder eine Absage erteilt. Längste Laufzeit bei den Bundesanleihen sind 30 Jahre. Großbritannien sprang seinerzeit allerdings auf den Zug auf und entschied sich, ebenfalls Bonds mit 50-jähriger Fälligkeit in das Programm aufzunehmen, und zwar sowohl die nominalen Titel als auch inflationsgeschützte Anleihen mit entsprechender Fälligkeit, um Anlegern in diesen langen Fristen einen Schutz ihres Kapitals vor der Teuerung anbieten zu können. Einen Schritt an das sehr lange Ende ging im Herbst vergangenen Jahres auch Österreich. Die Österreicher brachten eine Anleihe mit 70 Jahren Laufzeit, die gestern im Tagesgeschäft noch eine laufende Rendite von rund 1,90 % abwarf. Zum Vergleich: Der 50-jährige Bond aus Paris kam gestern auf einer Rendite von knapp unter 2,10 %.Es geht aber noch länger, wie das Beispiel Irland zeigt. Der ehemalige Krisenstaat, der von der Gemeinschaft der Eurozonestaaten gerettet werden musste, begab Ende März 2016 einen 100-jährigen Bond, der seinerzeit zu einer Rendite von 2,35 % an die Investoren ging. Der Bond kam aber nicht als großvolumiger Titel in Form einer öffentlichen Benchmark an den Markt, sondern wurde im Wege des Private Placements bei Investoren untergebracht. Er gilt heute als “wegplatziert”, weshalb aktuelle Renditen des Papiers kaum oder überhaupt nicht am Markt zu finden sind. Fiesta Mexicana100-jährige Bonds gibt es auch außerhalb der Eurozone. Mexiko hat damit schon ein wenig Erfahrung. Der Staat hat bereits dreimal einen solchen Ultralangläufer am Markt untergebracht, und zwar im Dollar, im britischen Pfund und im Euro in den Jahren 2010, 2014 sowie 2015. Die Papiere laufen heute also noch 93, 97 und 98 Jahre. Der Dollarbond warf gestern eine Rendite von knapp über 5,60 % ab, der 100-jährige Mexiko-Bond im Pfund rentierte mit knapp über 5,30 %, und der 2115 auslaufende Bond in der Gemeinschaftswährung brachte Anlegern knapp über 4,40 % Rendite.—– Wertberichtigt Seite 8