IM INTERVIEW: REINHARD PFINGSTEN, BETHMANN BANK

"USA verhindern eine Rezession"

CIO: Zinsen werden weiter fallen - Bundrendite zum Ultimo bei minus 0,80 Prozent

"USA verhindern eine Rezession"

Reinhard Pfingsten hält eine vorsichtige Anlagestrategie für derzeit angebracht und rechnet mit einer anhaltenden Korrektur an den Aktienmärkten sowie weiter sinkenden Zinsen. Rezessionssorgen sind nach Einschätzung des CIO der Bethmann Bank aber übertrieben. Herr Pfingsten, wie beurteilen Sie die Aussichten an den Aktien- und Anleihemärkten?Wir haben bereits seit Juli eine Untergewichtung in Aktien. Das ist für unser Haus etwas Besonderes, weil wir Aktien üblicherweise sehr positiv einschätzen und dies auch strategisch weiter tun. Verschiedene Gründe haben uns aber veranlasst, Risiken kurzfristig zu reduzieren und am Aktienmarkt Gewinne mitzunehmen. Wir sind auch jetzt noch vorsichtig, was die Aktienmärkte betrifft. Am Anleihemarkt bevorzugen wir längere Laufzeiten, weil wir erwarten, dass die Zinsen weiter fallen werden. Was steckt hinter dieser Umstellung?Die konjunkturelle Verlangsamung sowie die weltweite Rezession im verarbeitenden Gewerbe waren seinerzeit nicht neu. Auslöser war die Erkenntnis, dass der Handelskonflikt und die damit verbundene Unsicherheit länger anhalten werden. Es geht hier nicht allein um die Erwartung, dass neue Zölle erhoben werden, sondern um die Unsicherheit darüber, welche Zölle kommen und wie lange sie gelten. Dies führt dazu, dass die Unternehmen weniger investieren. Hinzu kam, dass US-Einzelhandelskonzerne wie Walmart angekündigt haben, höhere Zölle weiterzugeben. Damit besteht nun die Sorge, dass auch die Konsumenten getroffen werden könnten. Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass US-Präsident Trump Zölle bis Mitte Dezember ausgesetzt hat, um Preiserhöhungen im Weihnachtsgeschäft zu verhindern. Das löst Vorzieheffekte aus. Langfristig kann dadurch jedoch der Konsument geschwächt werden. Werden die Aktienmärkte denn nicht von dem globalen geldpolitischen Schwenk gestützt?Viele Anleger haben nach der Leitzinssenkung der Fed im Juli erwartet, dass die Aktienmärkte steigen werden. Doch historisch gesehen sind erste Senkungen der Fed für die Aktienmärkte stets negativ gewesen. Die Marktteilnehmer treibt die Sorge um, dass eine Rezession herannahen könnte und damit letztlich auch ein Bärenmarkt. Teilen Sie diese Sorge?Wir sind untergewichtet, würden aber nicht komplett aus dem Aktienmarkt herausgehen. An eine globale oder US-Rezession glauben wir nicht. Es gibt einen Gleichlauf zwischen US-Rezessionen und Korrekturen des amerikanischen Aktienmarkts um mehr als 20 %. Da wir aber keine Rezession erwarten, rechnen wir auch nicht mit einem Bärenmarkt. Was spricht gegen eine Rezession in absehbarer Zeit?Die USA verhindern eine Rezession, weil der Konsum auf der Basis des Arbeitsmarktes stark ist. Zudem wurde ein 150 Mrd. Dollar schweres Fiskalpaket geschnürt. In den USA gibt es außerdem interessante Wachstumstrends. Auf IT- und Kommunikationstechnologiebranchen entfallen 30 % der Gewinne der S&P-500-Unternehmen. Aus diesem Grund sind wir innerhalb der Asset-Klasse in den USA übergewichtet. Wie halten Sie es mit dem Euroraum?In der Eurozone sind wir untergewichtet. Die Region hat strukturelle Wachstumsprobleme, und es gibt keine fiskalpolitischen Impulse zum Beispiel seitens Deutschlands. Ferner hat die Eurozone einen vergleichsweise großen Industriesektor, der durch den Handelskonflikt massiv unter Beschuss steht. Ein Fiskalpaket in Deutschland scheint uns derzeit unwahrscheinlich, wenn wir sehen, dass die SPD stattdessen über eine Vermögensteuer diskutiert und die CDU in Sachen Fiskalimpuls untätig bleibt. Um uns herum wird Fiskalpolitik gemacht, so in Frankreich und Italien. Wir können zwar das Mantra der schwarzen Null vor uns hertragen, generieren aber Wettbewerbsnachteile, wenn nichts unternommen wird. Was wird die EZB Ihrer Einschätzung nach machen?Angst vor steigenden Zinsen braucht man in der Eurozone wahrlich nicht zu haben. Wir erwarten eine Absenkung des Hauptrefinanzierungssatzes und des Einlagensatzes um jeweils zehn Basispunkte auf -0,1 % beziehungsweise -0,5 %. Außerdem gehen wir von Anleihekäufen im Volumen von 70 Mrd. Euro monatlich aus, verbunden mit einem höheren Emittenten-Limit. Die EZB hat verklausuliert Überlegungen signalisiert, die Banken wegen der negativen Zinsen zu entlasten, beispielsweise über eine Staffelung. Wie tief wird die zehnjährige Bundrendite sinken?Wir erwarten die zehnjährige Rendite zum Jahresende bei -0,80 %. Was empfehlen Sie Investoren bezüglich des Anleihemarktes?Wir glauben, dass man bei einer hinreichend langen Duration sowie durch Anlagen auch in einigen Spread-Produkten am Rentenmarkt Geld verdienen kann. Gibt die Bundrendite von -0,60 % auf -0,80 % nach, sind Erträge von knapp 2 % möglich. Es sind auch schon Hausnummern von -1 % und tiefer genannt worden.Ein Überschießen in einen Bereich von -1 % ist durchaus denkbar, beispielsweise wenn die EZB wieder als Käufer auf den Plan tritt. Was halten Sie von dem deutlichen Anstieg des Goldpreises?Gold wirft anders als Anleihen keine Zinsen ab. Dadurch steigt seine Attraktivität bei niedrigen Zinsen. Das Metall ist eine Art Cash-Ersatz, der keine Kosten in Form von Negativzinsen verursacht. Kurzfristig sehen wir aber zu viele spekulative Käufer. Zu welchen Spread-Produkten raten Sie?Uns gefallen Anleihen der Peripheriestaaten, auf Euro lautende Hochzinstitel und in Dollar denominierte Schwellenländeranleihen. Allerdings haben wir zuletzt generell unsere Risiken zurückgefahren beziehungsweise Gewinne mitgenommen. So haben wir kürzlich Schwellenländeranleihen etwas reduziert. Wir sind dort aber noch übergewichtet. Welche Themen würden Sie derzeit an den Aktienmärkten spielen?Auch wenn wir in einer normalen Marktkorrektur sind, sehen wir nach wie vor Investmentmöglichkeiten. Dazu zählt nicht zuletzt der IT-Bereich. Außerdem schauen wir auf das Thema Wasserinfrastruktur. Hier ergeben sich angesichts der maroden Wasserinfrastruktur in den Vereinigten Staaten interessante Chancen. Wie hoch schätzen Sie das Abwärtspotenzial an den Aktienmärkten ein?Im Rahmen der von uns erwarteten normalen Korrektur ist eine Bodenbildung des S&P 500 in einem Bereich von 2 550 bis 2 600 Punkten vorstellbar. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.