Viele Investoren sind schlecht im Verkaufen
Benjamin Graham, der Vater des Value Investing, hatte Recht, als er vor über 70 Jahren sagte: „Der schlimmste Feind des Investors ist wahrscheinlich er selbst.“ Seither konnten zahlreiche Studien zeigen, dass die menschliche Entscheidungsfindung von kognitiven Verzerrungen (auch Bias genannt) gelenkt wird, die zu schlechten Entscheidungen führen. Dies trifft sowohl auf professionelle Investoren als auch auf Privatanleger zu.
Aktive Investoren können insgesamt auf Dauer keine guten Anlageergebnisse vorweisen. Ein markantes Beispiel: Laut einer Financial-Times-Analyse gelang es im Jahr 2021 nur etwa jedem vierten professionellen Portfoliomanager, der in den USA investiert, den S&P 500 zu schlagen.
Lag dies an ihren Käufen oder an ihren Verkäufen? Wenn man die gesamten Anlageergebnisse professioneller Vermögensverwalter danach aufteilt, wie viel davon auf ihre Kaufentscheidungen entfallen und wie viel auf ihre Verkaufsentscheidungen, kommt man zu erstaunlichen Ergebnissen.
In einer Studie beobachteten Jin und Taffler (2016) zwischen 2003 und 2013 über 3000 Fondsmanager und stellten fest, dass die Kaufentscheidungen das Anlageergebnis pro Jahr um etwa 1,4% verbesserten, während die Verkaufsentscheidungen das Resultat pro Jahr um 1,8% minderten.
Dies zeigt, dass die meisten Fondsmanager tatsächlich recht geschickt darin sind, Anlagechancen auszuwählen, die den Markt nach der Kaufentscheidung schlagen. Insgesamt sind ihre Ergebnisse jedoch dürftig, weil sie sich zum falschen Zeitpunkt für den Verkauf entschieden. Angesichts des Ausmaßes dieses Problems erhält diese Schwäche erstaunlich wenig Beachtung. Die Hirnforschung hat festgestellt, dass Angst völlig anders verarbeitet wird als Euphorie. Daher beurteilen Menschen Verluste anders als Gewinne – und das führt zu suboptimalen Entscheidungen.
Damit wäre man beim ersten Bias, dem Investoren zum Opfer fallen: der „kurzsichtigen Verlustaversion“. Hier beeinflusst die jüngste Wertentwicklung einer Anlage die Beurteilung des Risikos.
Angstreflex ausgelöst
Wenn eine Anlage vor Kurzem an Wert verloren hat und nun mit einem Verlust verbucht wird, löst dieser Verlust einen Angstreflex aus. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Anlage als erheblich riskanter eingeschätzt wird als eine vergleichbare Anlage, die derzeit mit einem Gewinn zu Buche schlägt. Diese Furcht vor einem Verlust veranlasst viele Fondsmanager dazu, erheblich länger an einer verlustträchtigen Position festzuhalten als gerechtfertigt. Ein Gegenmittel für diesen Bias könnte ein institutionalisierter Rahmen zur automatischen Überprüfung verlustträchtiger Positionen sein, bei der insbesondere die künftigen Investmentaussichten geprüft werden.
Dann wäre noch der „Verfügbarkeits-Bias“ (Availability Bias) zu erwähnen. Dieser besagt, dass man bei komplexen Entscheidungen nicht alle Alternativen prüft, sondern sich recht schnell auf die Option stürzt, die einem zuerst einfällt.
Jin und Taffler (2016) haben dies veranschaulicht, indem sie alle Entscheidungen von Portfoliomanagern in zwei Kategorien unterteilten: Anlageentscheidungen infolge von Neugeldzuflüssen oder Kapitalabflüssen (Liquiditätsereignisse) und Entscheidungen aufgrund von relativen Risiko-Rendite-Einschätzungen. Die Ergebnisse waren erstaunlich: Bei Liquiditätsereignissen waren die Verkaufsentscheidungen der Fondsmanager besonders ungünstig.
Ein Rat zur Verbesserung des Anlageergebnisses lautet daher, sich als Investor immer die gleiche Frage zu stellen, unabhängig vom Grund für den Verkauf: Welcher Titel in meinem Portfolio weist für die nahe Zukunft das schlechteste Risiko-Rendite-Verhältnis auf?
Ein anderer Bias bestärkt einen in dem Glauben, Recht zu haben. Sobald man eine Anlageentscheidung getroffen hat, ist man von ihren Vorteilen überzeugt und legt sich auf diese fest. Dadurch tendiert man stark dazu, spätere Datenpunkte so zu interpretieren, dass sie anscheinend für die ursprünglichen Annahmen sprechen. Aufgrund dieses Bestätigungsfehlers (Confirmation Bias) ist es wahrscheinlich, dass man wichtige Informationen übersieht, die die eigenen Ansichten widerlegen.
Hier kann es hilfreich sein, einen neutralen Beobachter damit zu beauftragen, negative Datenpunkte zu sammeln. Man könnte auch eine Analyse durchführen, bei der untersucht wird, wie die Daten aussehen würden, wenn sich die Dinge nicht so entwickeln, wie angenommen.
Hoher Zeitaufwand
Der vierte Bias bezieht sich auf das Zeitmanagement. So wenden Investoren viele Stunden für die Analyse von Werten auf, die für einen Kauf ins Auge gefasst wurden. Sie schreiben lange Berichte, führen quantitative Modellierungen durch und halten intensive Teambesprechungen ab. Im Gegensatz dazu werden Verkaufsentscheidungen häufig viel schneller getroffen. Hinzu kommt, dass Portfoliomanager in der Regel eine Anlage nicht mehr beobachten, sobald diese verkauft ist. Es ist kaum möglich, den Erfolg von Verkaufsentscheidungen zu beurteilen, wenn die Performance nicht mehr erfasst wird.
Um den Prozess zu verbessern, sollten Investoren folglich einen größeren Teil ihres Zeitbudgets für Verkaufsentscheidungen aufwenden. Zudem sollte ein Tool eingerichtet werden, welches den Zeitpunkt jeder Verkaufsentscheidung analysiert.
Abschließend lässt sich also festhalten, dass Investoren von vier kognitiven Verzerrungen beeinflusst werden. Es gibt jedoch Wege, diese zu überwinden und auskömmliche Erträge zu generieren.